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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
Anlaßfall zu VfSlg. 8946/1980Leitsatz
Tir. Fremdenverkehrsgesetz 1976, keine Rechtsverletzung nach Aufhebung des ArtII der Beitragsgruppenverordnung 1973; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung des §32 Abs18 FremdenverkehrsgesetzSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem angefochtenen Bescheid der Berufungskommission nach §35 des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes (FrVG) wurden dem Beschwerdeführer für die Jahre 1973 bis 1975 Pflichtbeiträge zum Fremdenverkehrsverband Innerötztal vorgeschrieben. Die Berufungsbehörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer, der bis dahin lediglich Zimmer vermietet hatte, seit 1. Dezember 1972 ein Cafe-Restaurant führe. Sie erachtete §32 Abs18 FrVG idF der Wiederverlautbarung LGBl. 65/1976 anwenden zu müssen. Nach dieser Gesetzesstelle sei im Hinblick auf die Führung des Cafe-Restaurants der Berechnung der Beiträge für die der Aufnahme der Tätigkeit folgenden Jahre - nämlich 1973 bis 1975 - der Umsatz des Jahres 1973 (1,8 Mill. S) zugrundezulegen. Übe ein Pflichtmitglied nämlich mehrere Tätigkeiten aus, so sei im Ausmaß der Beiträge nach den mehreren Tätigkeiten zu unterscheiden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz gerügt wird (die behauptete Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist durch die nachfolgende Klaglosstellung betreffs des Beitrages für 1975 gegenstandslos geworden). Das Gleichheitsrecht sieht der Beschwerdeführer wegen Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes verletzt: ArtII Abs2 der Nov. zum FrVG, LGBl. 45/1976, der eine Anwendung dieses Gesetzes auf alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens anhängigen Verfahren vorsehe, treffe eine ungerechtfertigte Unterscheidung zwischen den rechtzeitig erledigten Verfahren und jenen Fällen, in denen die Behörde mit der Erlassung von Bescheiden säumig gewesen sei.
II. Die Beschwerde ist in dem nach teilweiser Gegenstandsloserklärung durch Beschluß vom 28. Juni 1980, ONr. 10, verbliebenen Umfang zulässig. Die Berufungskommission nach §35 des FrVG entscheidet in letzter Instanz (vgl. VfSlg. 8528/1979, 8946/1980).
III. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
1. Das FrVG schreibt unter anderem die Entrichtung von Beiträgen zu Fremdenverkehrsverbänden vor. Sowohl nach dem FrVG 1969, LGBl. 48/1969 (§32 Abs2), wie nach dem FrVG 1976, LGBl. 65/1976 (§32 Abs4), ist für die Berechnung der Pflichtbeiträge der Umsatz maßgeblich, der "in dem dem Vorschreibungszeitraum drittvorausgegangenen Kalenderjahr" erzielt wurde. Für den Fall, daß in diesem Zeitraum die Mitgliedschaft zu einem Fremdenverkehrsverband noch nicht bestanden hatte, sah §32 Abs13 des FrVG 1969 folgendes vor:
"Der Beitrag eines Pflichtmitgliedes, für das in dem dem Vorschreibungszeitraum drittvorausgegangenen Kalenderjahr die Pflichtmitgliedschaft noch nicht bestanden hat, ist nach den Umsätzen iS des Abs2 (nach den Nächtigungen gemäß Abs3) zu berechnen, die in dem dem Vorschreibungszeitraum zweitvorausgegangenen Kalenderjahr oder, falls in diesem Jahr die Pflichtmitgliedschaft noch nicht bestanden hat, in dem dem Vorschreibungszeitraum unmittelbar vorausgegangenen Kalenderjahr oder, falls es auch in diesem Jahr noch nicht Pflichtmitglied war, im Vorschreibungszeitraum erzielt (verzeichnet) wurden."
Demgegenüber bestimmt §32 Abs18 des FrVG 1976 für solche Fälle:
"Der Beitrag ist erstmals für das Kalenderjahr, in dem eine die Pflichtmitgliedschaft begründende Tätigkeit (§1 Abs1) aufgenommen wurde, nach Maßgabe des in diesem Jahr erzielten Umsatzes (der erzielten Nächtigungen) zu entrichten. Der Ermittlung des Beitrages für die folgenden drei Vorschreibungszeiträume ist jeweils der in dem auf die Aufnahme des Betriebes folgenden Kalenderjahr erzielte Umsatz (die erzielten Nächtigungen) zugrunde zu legen."
Während also nach der Regelung aus 1969 der Umsatz des ersten Jahres einer neu aufgenommenen Erwerbstätigkeit für weitere drei Jahre maßgeblich blieb, obwohl es sich möglicherweise bloß um ein Rumpfwirtschaftsjahr gehandelt hat, ist nach der Regelung aus 1976 für die weiteren Folgejahre der Umsatz des auf die Aufnahme der Beschäftigung folgenden Kalenderjahres, also regelmäßig der Umsatz eines vollen Jahres zugrundezulegen.
Nach ArtII Abs2 der Nov. 1976, LGBl. 45, war die mit 1. Jänner 1976 in Kraft gesetzte Nov. unter anderem auf alle im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Verfahren anzuwenden. Die in der Beschwerde vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung teilt der VfGH nicht. Es ist Sache des Gesetzgebers, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm festzulegen, und es ist nicht unsachlich, wenn im Falle der Rückwirkung des Gesetzes bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren unberührt bleiben.
Auf die Gründe, aus denen ein Vorschreibungsverfahren noch anhängig ist, kommt es dabei nicht an. Daher ist auf die Darstellung der belangten Behörde in der Gegenschrift, wonach die in §32 Abs5 FrVG 1969 enthaltene Verweisung auf den Begriff der steuerbaren Umsätze nach §1 Abs1 Z1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1959 durch das Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1972 unanwendbar geworden sei, sodaß ein Abstellen auf Umsätze nach dem 1. Jänner 1973 ohne Neuregelung gar nicht möglich gewesen sei und auch in der Praxis Beitragsvorschreibungen gar nicht erfolgt seien, nicht weiter einzugehen.
2. Der VfGH hat jedoch von Amts wegen aus Anlaß auch dieses Beschwerdeverfahrens die Gesetzmäßigkeit des ArtII der Beitragsgruppenverordnung 1973, LGBl. 31/1973, geprüft. Die geprüfte Verordnungsbestimmung hatte folgenden Wortlaut:
"Artikel II
(1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 1973 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der Landesregierung vom 11. Dezember 1969, LGBl. Nr. 57, über die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen der Pflichtmitglieder der Fremdenverkehrsverbände in die Beitragsgruppen außer Kraft.
(2) Diese Verordnung ist auch auf die am 1. Jänner 1973 anhängigen Verfahren sowie auf alle Verfahren anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten zur Vorschreibung von Beiträgen für Vorschreibungszeiträume anhängig gemacht werden, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung liegen."
Mit Erk. VfSlg. 8946/1980 hat der VfGH diese Bestimmung mit Ausnahme des zweiten Satzes in Abs1 als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie eine Rückwirkung aussprach, obwohl das Gesetz eine Ermächtigung für eine rückwirkende Erlassung von Verordnungen nicht enthält. Betreffs des zweiten Satzes in Abs1 ist in diesem Erk. folgendes ausgeführt:
"Dieser Vorwurf trifft indessen ArtII Abs1 Satz 2 der BGrV 1973 nicht. Obwohl dieser Satz mit dem Wort 'Gleichzeitig ...' an den rückwirkend festgesetzten Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung anknüpft und für das Außerkrafttreten der BGrV 1969 denselben Zeitpunkt bestimmt, wird er durch den Wegfall des ersten Satzes in seiner Bedeutung nicht entscheidend verändert: er bezieht sich dann auf das regelmäßig mit Ablauf des Tages der Kundmachung eintretende Inkrafttreten der Verordnung (§11 Abs1, LGBl. 12/1964). Dieser Satz ist daher von der Aufhebung auszunehmen."
Da die Aufhebung nur die Rückwirkung der Verordnung beseitigt hat, ist im Anlaßfall - in dem die aufgehobene Verordnung nicht mehr anzuwenden ist (Art139 Abs6 B-VG) - so vorzugehen, als hätte die Beitragsgruppenverordnung 1973 erst mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (dem 21. März 1973) die Beitragsgruppenverordnung 1969 abgelöst. Für den vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum stützt aber die Verordnung 1969 den angefochtenen Bescheid ebenso wie die Verordnung 1973 für die nachfolgende Zeit. Diese hatte an der Einordnung des vom Beschwerdeführer betriebenen Unternehmens gegenüber der Verordnung aus 1969 nichts geändert. Der Beschwerdeführer ist daher durch die Anwendung der gesetzwidrigen Verordnung in keinen Rechten verletzt worden. Der angefochtene Bescheid kann daher nicht schon wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung aufgehoben werden.
3. Die gerügte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte könnte allerdings vorliegen, wenn die Ansicht der Behörde, die Aufnahme einer weiteren die Pflichtmitgliedschaft begründenden Tätigkeit sei nach §32 Abs18 FrVG 1976 zu beurteilen, so fehlerhaft wäre, daß sie einer Gesetzlosigkeit gleichkäme oder Willkür darstellte; der Beschwerdeführer wäre dann durch die Vorschreibung der Abgabe in den Grundrechten auf Unversehrtheit des Eigentums oder auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Den Vorwurf eines solchen Fehlers erhebt der Beschwerdeführer jedoch im verfassungsgerichtlichen Verfahren selbst nicht. Auch der VfGH kann nicht finden, daß die gewählte, §32 Abs18 entgegen seinem Wortlaut auf die jeweils neu aufgenommene Tätigkeit beziehende Auslegung im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Bestimmung schlechthin ausgeschlossen wäre. Ob sie richtig ist, hat nicht der VfGH zu beurteilen.
Auch sonst ist keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hervorgekommen. Da gegen die Verfassungsmäßigkeit bzw. Gesetzmäßigkeit der den Bescheid auch nach Bereinigung der Rechtslage noch tragenden Vorschriften keine Bedenken entstanden sind, ist die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, Auslegung, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B235.1978Dokumentnummer
JFT_10198785_78B00235_00