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L7 WirtschaftsrechtNorm
Hofkanzley-Präsidial-Decret vom 06.01.1836. PSG Bd. 64. Nr. 5Leitsatz
Hofkanzley-Präsidial-Decret vom 6. 1. 1836, PSG Bd. 64, Nr. 5, denkunmögliche Anwendung auf den Betrieb von Flipperautomaten und Videospielen mit festem Standort; Verletzung des Rechtes auf ErwerbsausübungsfreiheitSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Beschwerdeführerin hat mit der an die Vbg. Landesregierung gerichteten Eingabe vom 28. August 1978 um die Bewilligung zum Betrieb eines Spielsalons in Feldkirch, Illpark Top 8a, angesucht. Es sei vorgesehen, in diesem Spielsalon ua. Flipperautomaten und Videospiele zu halten; es handle sich um Geschicklichkeitsspiele, bei denen kein Geld- oder Warengewinn möglich sei.
Die Vbg. Landesregierung hat mit Bescheid vom 8. März 1979 die Genehmigung zum Halten von Flipperautomaten und Videospielen veranstaltungsbehördlich aufgrund des "Hofkanzley-Präsidial-Decretes" vom 6. Jänner 1836, PGS Band 64, Nr. 5, betreffend "Grundsätze hinsichtlich der polizeylichen Überwachung herumziehender Schauspieler-Truppen, Seiltänzer, gymnastischer Künstler, Musikanten etc." (im folgenden kurz als "Dekret" bezeichnet) versagt.
Die Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der in Aussicht genommene Spielsalon in einem Einkaufszentrum liege. Ein Spielsalon ziehe vorwiegend jugendliches Publikum an; damit wäre ein gewisser, "das Einkaufserlebnis der Bevölkerung störender Umtrieb verbunden". Nach Ansicht der Behörde sei der in Aussicht genommene Standort für einen derartigen Spielsalon unzweckmäßig, weshalb das Ansuchen aus öffentlichen Interessen, insbesondere im Interesse der in dieser Geschäftsstraße etablierten Geschäfte sowie des den Illpark aufsuchenden Käuferpublikums "in Ausübung des der Behörde zustehenden freien Ermessens" zu versagen gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (nämlich des zitierten Dekretes) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid wird in materieller Hinsicht ausschließlich auf das zitierte Dekret gestützt.
Dieses Dekret hat folgenden Wortlaut:
"Es ist zur höchsten Kenntniß gekommen, daß die Zahl der herumziehenden Schauspieler-Truppen, Seiltänzer, gymnastischer Künstler, herumziehender Musikbanden oder Eigenthümer, sonstiger Schaugegenstände aller Art, welche die Oesterreichischen Provinzen in allen Richtungen durchstreifen, seit einiger Zeit bedeutend zunehme.
...
Seine k.k. Majestät haben demnach mit höchster Entschließung vom 5. December 1835 hierüber für die Zukunft Nachfolgendes zur unverbrüchlichen Richtschnur verordnet:
..."
(Die Wiedergabe des vollen Wortlautes des Decretes unterbleibt hier.)
2. Wie sich schon aus der Überschrift, aber auch aus dem weiteren Wortlaut sowie aus dem Sinn des Dekretes ergibt, bezieht es sich ausschließlich auf "Productionen und Schauausstellungen" herumziehender Personen. Jede andere Auslegung ist ausgeschlossen. Es ist daher denkunmöglich, den Betrieb von Flipperautomaten und Videospielen mit festem Standort dem Tatbestand dieses Dekretes zu subsumieren (vgl. VwGH 16. 4. 1980 Z 814/79).
Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7856/1976, 8499/1979) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ua. dann verletzt, wenn der den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagende Bescheid gesetzlos ergangen ist; einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten ist die denkunmögliche Anwendung einer Rechtsvorschrift.
Der angefochtene Bescheid war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
Eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem Dekret erübrigt sich, weil dessen Anwendung durch die Behörde - wie dargetan - denkunmöglich erfolgte und daher keine Präjudizialität gegeben ist (vgl. zB VfSlg. 5373/1966, S 604).
Schlagworte
Spielapparate, Automaten, Erwerbsausübungsfreiheit, VFGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B171.1979Dokumentnummer
JFT_10198783_79B00171_00