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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG, Hoheitsakte eines ausländischen Staates; Auslieferungsbegehren an ausländische Behörde; keine Zuständigkeit des VfGHSpruch
Die von H.D. gestellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe werden abgewiesen.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1.a) Am 15. Juli 1980 hat das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 24d Vr 2709/78 Steckbriefe erlassen, mit denen angeordnet wurde, daß beide Beschwerdeführer (die österreichische Staatsbürger sind) wegen Verdachtes des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§146, 147 Abs3 StGB und wegen anderer strafbarer Handlungen in Haft zu nehmen sind.
Beide Beschwerdeführer wurden auf Grund der sodann eingeleiteten internationalen Fahndung am 17. September 1980 in Italien festgenommen. Sie werden seither von italienischen Gerichten in Auslieferungshaft gehalten.
b) Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat am 24. September 1980 unter der obigen Zahl gegen die beiden Beschwerdeführer neuerliche Haftbefehle erlassen und diese dem Bundesministerium für Justiz mit dem Ersuchen übermittelt, bei den italienischen Behörden die Auslieferung beider Beschwerdeführer zur Strafverfolgung wegen der in den Haftbefehlen beschriebenen Straftaten zu erwirken.
Das Bundesministerium für Justiz hat hierauf am 3. Oktober 1980 folgendes Schreiben an das Ministerium für Gnadensachen und Justiz der Republik Italien gerichtet:
"Gegen die österreichischen Staatsbürger H. D., geborener P., geboren am 22. 11. 1940 in Wien, und Dr. O. R. D., geboren am 11. 2. 1945 in St., ist bei dem LGSt. Wien ein Strafverfahren wegen der Verbrechen des Betruges, der Veruntreuung und betrügerischen Krida sowie wegen anderer strafbarer Handlungen anhängig. Beide Genannten befinden sich in Rom in Haft. Der Sachverhalt wolle den in je zwei Ausfertigungen angeschlossenen Haftbefehlen des LGSt. Wien vom 24. 9. 1980, 24d Vr 2709/78, entnommen werden.
Das BMJ beehrt sich, unter Hinweis auf diese Haftbefehle um die Auslieferung des H. D, und der O. R. D. zur Strafverfolgung wegen der darin beschriebenen Straftaten zu ersuchen."
2. Gegen die am 17. September 1980 in Italien erfolgte Festnahme und die folgende Anhaltung beider Beschwerdeführer wendet sich die zu B531/80 erhobene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen, kostenpflichtig festzustellen, daß die bekämpfte "faktische Amtshandlung" verfassungswidrig war und die Beschwerdeführer in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.
Die zu B571/80 eingebrachte, auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen das Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 3. Oktober 1980. Die Beschwerdeführer begehren zu erkennen, daß sie durch dieses Schreiben in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.
In beiden Fällen wird der Antrag gestellt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Außerdem wird in beiden Beschwerden beantragt, sie allenfalls nach Art144 Abs2 B-VG dem VwGH abzutreten.
Der Beschwerdeführer H. D. stellt in beiden Fällen den Antrag, ihm die Verfahrenshilfe zu gewähren.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die am 17. September 1980 vorgenommene Festnahme und die folgende Anhaltung der Beschwerdeführer erfolgten in Italien durch Organe der Republik Italien. Diese Maßnahmen sind Hoheitsakte eines ausländischen Staates.
Das an das Ministerium für Gnadensachen und Justiz der Republik Italien gerichtete Schreiben des österreichischen Bundesministeriums für Justiz vom 3. Oktober 1980 ist nicht als Bescheid nach Art144 B-VG zu beurteilen; mit ihm wurde bloß ein Ersuchen an eine ausländische Behörde gestellt und somit auch nicht verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne der bezogenen Verfassungsvorschrift ausgeübt (vgl. VfGH 23. 9. 1978 B449/77).
Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem VfGH die Befugnis ein, eine derartige Maßnahme oder ein solches Ersuchen zu überprüfen. Die Beschwerden waren daher zurückzuweisen.
2. Da die Nichtzuständigkeit des VfGH offenbar ist, konnte die Zurückweisung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG beschlossen werden.
Bei diesem Ergebnis waren die von H. D. gestellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §§63 Abs1 und 72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG abzuweisen.
Ein Abspruch über die eingebrachten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigt sich damit.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Festnehmung, AuslieferungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B531.1980Dokumentnummer
JFT_10198783_80B00531_00