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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Gebührenordnung der Gemeinde Kienberg über die Erhebung einer Wasserverbrauchsgebühr, kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip; das Abstellen der Wasserverbrauchsgebühren auf die Wohnungs- bzw. Betriebsgröße ist nicht unsachlich; keine Willkür; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit gleichlautenden Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde Kienberg vom 24. Juni 1976 (dem Beschwerdeführer A. F. am 29. Juni 1976, den anderen Beschwerdeführern am 25. Juni 1976 zugestellt) wurde den Beschwerdeführern für das Kalenderjahr 1976 und die weiteren Jahre, bis zur Zustellung eines neuen Bescheides die Wasserverbrauchsgebühr in der Höhe von jährlich S 1.200,- zuzüglich 8% Umsatzsteuer (S 96,-) vorgeschrieben. Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wurde mit dem am 19. November 1976 beschlossenen, unter dem 20. Dezember 1976 ausgefertigten Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Kienberg keine Folge gegeben; die erstinstanzlichen Bescheide wurden vollinhaltlich bestätigt.
Dagegen haben die Beschwerdeführer Vorstellungen an die Stmk. Landesregierung erhoben. Diese hat mit Bescheid vom 13. Mai 1977 die Vorstellungen als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in ihren Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (der Wasserverbrauchsgebührenordnung der Gemeinde Kienberg vom 11. Juni 1976) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Die materielle Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist die vom Gemeinderat der Gemeinde Kienberg am 11. Juni 1976 beschlossene Gebührenordnung über die Erhebung einer Wasserverbrauchsgebühr (im folgenden kurz: GebO). Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 11. bis 25. Juni 1976 kundgemacht.
§3 GebO legt die Höhe der Wasserverbrauchsgebühr wie folgt fest:
"(1) Die Wasserverbrauchsgebühr wird nach der Wohn-, Nutz- und Betriebsfläche sowie dem Viehstand eingehoben.
(2) Die Höhe der Wasserverbrauchsgebühr wird wie folgt errechnet:
a) Wohngebäude
bei einer Wohn- und Nutzfläche bis 130 Quadratmeter ... S 1.200,-
bei einer Wohn- und Nutzfläche über 130 Quadratmeter .. S 1.500,-
b) Gewerbebetriebe
bei einer Betriebsfläche bis 250 Quadratmeter ......... S 1.750,-
bei einer Betriebsfläche bis 500 Quadratmeter ......... S 3.500,-
bei einer Betriebsfläche über 500 Quadratmeter ........ S 4.200,-
c) Landwirtschaftliche Betriebe
...
plus der Umsatzsteuer.
(3) Die jährliche Wasserverbrauchsgebühr wird von der Gemeinde nach den im §5 dieser Verordnung festgelegten Verfahrensbestimmungen errechnet und auf einmal in vier Teilbeträgen zur Zahlung vorgeschrieben.
..."
Dem §5 Abs1 GebO zufolge finden auf die Vorschreibung, Entrichtung und Hereinbringung der in dieser Verordnung enthaltenen Abgaben die Bestimmungen der Stmk. Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. 158/1963, Anwendung.
Nach §5 Abs2 GebO richtet sich die Zuständigkeit nach den einschlägigen Bestimmungen der Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115.
§6 bestimmt, daß die GebO nach Ablauf der Kundmachungsfrist am 25. Juni 1976 in Kraft tritt.
b) Gegen die Verfassungsmäßigkeit der GebO bringen die Beschwerdeführer die folgenden Bedenken vor:
aa) Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Eigentümer von Wochenendhäusern - wie es die Beschwerdeführer sind -, die ihr Haus nur selten benützen und daher relativ wenig Wasser verbrauchen, gleich behandelt werden wie Hauseigentümer, die in der Gemeinde ihren ständigen Wohnsitz haben (und daher wesentlich mehr Wasser verbrauchen) sowie Gewerbe- und landwirtschaftliche Betriebe. Es sei unsachlich, die Wasserverbrauchsgebühren auf die Größe des Hauses und nicht auf den tatsächlichen Wasserverbrauch abzustellen.
bb) Die GebO sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht und den Beschwerdeführern nicht zugestellt worden.
cc) Die GebO enthalte keine Belehrung über Rechtsmittelmöglichkeiten.
dd) Sie lasse auch die Grundlagen für die Berechnung der Höhe der festgesetzten Gebühren vermissen.
ee) Dem §9 des Stmk. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1971, LGBl. 42, zufolge, wäre die Gemeinde verpflichtet gewesen, eine Wasserleitungsordnung zu erlassen. Eine derartige Wasserleitungsordnung sei bisher nicht erlassen worden. Sie sei aber die Grundlage und unabdingbare Voraussetzung für die Erlassung einer Gebührenordnung.
c) Der VfGH teilt diese Bedenken der Beschwerdeführer nicht:
aa) Die öffentliche Wasserleitung einer Gemeinde (§1 Abs1 des Stmk. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1971) ist eine Gemeindeeinrichtung, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben wird, für deren Benützung durch Beschluß der Gemeindevertretung auf Grund der Ermächtigung des §14 Abs3 litd des Finanzausgleichsgesetzes 1973, BGBl. 445/1972 - vorbehaltlich weitergehender Ermächtigungen durch die Landesgesetzgebung - Gebühren ausgeschrieben werden können (vgl. zB VfSlg. 7227/1973). Nach dem diese finanzausgleichsrechtliche Bestimmung wiederholenden §6 des Stmk. GemeindewasserleitungsG 1971 hat die Gemeinde zur Ausschreibung der Anschluß-, Wasserverbrauchs- und Wasserzählergebühren eine Gebührenordnung zu erlassen. Dem §71 Abs2 der Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115, zufolge, können die Gemeinden für die Benützung der Anstalten und öffentlichen Einrichtungen und Anlagen der Gemeinden auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses Gebühren erheben, die grundsätzlich kostendeckend festzusetzen sind.
Die GebO wurde sohin von der Gemeinde Kienberg in Handhabung des ihr zukommenden freien Beschlußrechtes erlassen.
Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 8847/1980) erkannt, es liege im Wesen der Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, daß ihre Höhe der Leistung der Gemeinde äquivalent sein muß. Der erwähnte Grundsatz gebiete, daß die gesamten Erträge der Gebühren für die Benützung solcher Einrichtungen und Anlagen zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürfen, als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwachsen.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die GebO gegen das Äquivalenzprinzip verstößt. Derartiges behaupten auch die Beschwerdeführer nicht.
Sie machen jedoch geltend, daß das Gleichheitsgebot verletzt worden sei, weil die GebO Ungleiches gleich behandle. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Es ist nicht unsachlich, die für den laufenden Wasserverbrauch anfallenden Gebühren derart zu verteilen, daß nicht auf den konkreten Wasserverbrauch, sondern auf die Wohnungs- bzw. Betriebsgröße abgestellt wird: Es ist die Annahme sachlich, daß die der Gemeinde für den Betrieb, die Erhaltung und die Erweiterung der Wasserleitungsanlage erwachsenden Kosten nur zum geringen Teil durch den größeren oder kleineren Wasserverbrauch entstehen, zum überwiegenden Teil aber durch das jederzeitige Bereitstellen und Bereithalten des Wassers. Auch den Eigentümern von Wochenendhäusern steht es frei, jederzeit ihre Häuser zu benützen. Soweit die Beschwerdeführer einen Vergleich zwischen Wohnhäusern und Gewerbebetrieben ziehen, übersehen sie, daß für letztere zum Teil erheblich höhere Gebühren vorgesehen sind als für Wohngebäude. Die Abstufung der Wasserverbrauchsgebühr nach der Größe des Wohn- bzw. Betriebsgebäudes ist nicht unsachlich, da für eine größere Wohnung bzw. ein größeres Betriebsgebäude durchschnittlich ein höherer Wasserverbrauch anzunehmen ist.
bb) Die GebO (eine Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Kienberg) wurde dem §92 Abs1 der Stmk, Gemeindeordnung 1967 entsprechend zwei Wochen hindurch (vom 11. Juni bis 25. Juni 1976) an der Gemeindeamtstafel angeschlagen. Sie wurde sohin gesetzmäßig kundgemacht. Eine Zustellung an die einzelnen Normadressaten ist nirgends vorgesehen.
cc) Keine Gesetzesbestimmung schreibt vor, daß die Gebührenordnung einen Hinweis darüber enthalten muß, wie eine allfällige Rechtswidrigkeit dieser Verordnung geltend gemacht werden kann.
dd) Es besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, in der GebO die Berechnungsunterlagen wiederzugeben oder die Verordnung sonstwie nach außen zu begründen.
ee) Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die GebO hätte erst erlassen werden dürfen, wenn der Gemeinderat zuvor eine Wasserleitungsordnung iS des §9 des Stmk. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1971 beschlossen hätte, geht ins Leere, da eine derartige Verordnung ohnehin - und zwar noch vor der GebO - erlassen worden ist (Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Kienberg vom 2. April 1976 - kundgemacht durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel vom 3. bis 19. April 1976).
2. Die Beschwerdeführer machen auch Verfassungswidrigkeiten im Vollzugsbereich geltend und behaupten, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein.
Eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Wie oben unter II.1.c.aa dargetan, hat der VfGH nicht das Bedenken, daß die den angefochtenen Bescheid tragende GebO (auch bei dem Inhalt, den die belangte Behörde dieser Verordnung unterstellt hat) dem Gleichheitsgebot widerspricht.
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Die Beschwerdeausführungen, es stelle eine Willkür indizierende denkunmögliche Gesetzesanwendung dar, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen sei, daß eine Gebührenvorschreibung auch dann erfolgen dürfe, wenn für die Gemeinde eine Wasserleitungsordnung noch nicht erlassen wurde, gehen von einer unzutreffenden Prämisse aus, da eine Wasserleitungsordnung ergangen ist (s. o. II.1.c.ee).
Die Beschwerdeführer vertreten weiters den Standpunkt, daß die Gemeindebehörde I. Instanz ihre Bescheide nicht hätte erlassen dürfen, wenn eine Gebührenordnung noch nicht vorgelegen sei. Tatsächlich seien diese Bescheide am 24. Juni 1976 erlassen worden; der Wirksamkeitsbeginn der Gebührenordnung sei aber mit 25. Juni 1976 festgesetzt worden.
Dieser Vorwurf indiziert nicht Willkür. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7317/1974, 8638/1979) gilt ein Bescheid erst mit seiner Zustellung als erlassen; für die Rechtmäßigkeit des Bescheides ist die an diesem Tage geltende Rechtslage maßgeblich. Die GebO trat ihrem §6 zufolge am 25. Juni 1976 in Kraft. Die Bescheide der Gemeindebehörde I. Instanz wurden am 25. bzw. am 29. Juni 1976 zugestellt. Schon die erstinstanzlichen Bescheide wurden sohin erst nach dem Inkrafttreten der GebO erlassen.
Die Beschwerdeführer sind also nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
3. Die Beschwerdeführer behaupten, daß sie im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter deshalb verletzt worden seien, weil ihre Vorstellungen ungerechtfertigt zurückgewiesen worden seien.
Diese Behauptung trifft nicht zu. Die Gemeindeaufsichtsbehörde hat eine negative Sachentscheidung getroffen. Ob diese Entscheidung auch richtig war, ist unter dem Gesichtspunkt des erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht zu beurteilen (vgl. zB VfSlg. 6275/1970).
4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in anderen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind.
Sie sind auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (s. o. II.1.c).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Gebühr (Wasserversorgung), Wasserversorgung, Äquivalenzprinzip, VfGH / Prüfungsmaßstab, BescheiderlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B218.1977Dokumentnummer
JFT_10198783_77B00218_00