TE Vfgh Erkenntnis 1980/12/17 A5/79

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Veröffentlicht am 17.12.1980
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Bgld GemeindeO §20
Bgld GemeindeO §29 Abs3 idF LGBl 47/1970

Leitsatz

Art137 B-VG, Klage auf Liquidierung öffentlich-rechtlicher Bezüge; Gemeinderatsbeschluß der Stadtgemeinde Oberwart vom 14. 12. 1973 betreffend Aufwandsentschädigung von Gemeindefunktionären entfaltet mangels Kundmachung keine Rechtswirkung

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Kläger begehrt gemäß Art137 B-VG, die beklagte Stadtgemeinde Oberwart schuldig zu erkennen, ihm die Beträge von S 21.768,72 und S 2.640,10 samt 4% Zinsen ab Klagstag zu bezahlen.

In der Klage wird ausgeführt:

"Der Kläger war in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis zum 25. November 1977 in der Stadtgemeinde Oberwart Stadtrat mit Referat (Schule und Kultur).

Gemäß Beschluß des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 14. Dezember 1973 standen Stadträten mit Referat bis 31. Dezember 1974 15% und ab 1. Jänner 1975 20% der Aufwandsentschädigung des Bürgermeisters (das sind 80% des jeweiligen Bezuges eines Abgeordneten zum Bgld. Landtag, vierzehnmal jährlich) als Aufwandsentschädigung zu.

Der Kläger hat seine Aufwandsentschädigung nur zwölfmal jährlich - sohin ohne Sonderzahlungen - ausbezahlt erhalten.

Die Sonderzahlungen wurden jeweils am 1. 3., am 1. 6., am 1. 9. und am 1. 12. des betreffenden Jahres in folgender Höhe fällig:

am 1.  3. 1974    S    912,84

am 1.  6. 1974    S    912,84

am 1.  9. 1974    S  1.007,10

am 1. 12. 1974    S  1.007,10

am 1.  3. 1975    S  1.342,88

am 1.  6. 1975    S  1.342,88

am 1.  9. 1975    S  1.501,32

am 1. 12. 1975    S  1.501,32

am 1.  3. 1976    S  1.501,32

am 1.  6. 1976    S  1.501,32

am 1.  9. 1976    S  1.599,72

am 1. 12. 1976    S  1.599,72

am 1.  3. 1977    S  1.599,72

am 1.  6. 1977    S  1.599,72

am 1.  9. 1977    S  1.622,24

am 1. 12. 1977    S  1.216,68

zusammen          S 21.768,72

Von den gesetzlichen 4% Verzugszinsen sind an stufenweisen Zinsen bis zum Klagstag S 2.640,10 aufgelaufen.

Der Kläger begehrt die Liquidierung dieser Sonderzahlungen. Der Anspruch wurzelt im öffentlichen Recht und ist daher nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen. Eine gesetzliche Vorschrift, daß über eine solche Liquidierung durch Bescheid zu befinden sei, besteht nicht. Der geltend gemachte vermögensrechtliche Anspruch ist daher auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des VfGH gemäß Art137 B-VG."

2. Die beklagte Stadtgemeinde Oberwart beantragt, die Klage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit der Klage erwogen:

Gemäß Art137 B-VG erkennt der VfGH ua. über vermögensrechtliche Ansprüche an die Gemeinden, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Der geltend gemachte Anspruch stützt sich auf §29 Abs3 der Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. 37/1965 in der Fassung der Nov. LGBl. 47/1970. Es besteht keine Rechtsvorschrift, nach der ein solcher Anspruch im ordentlichen Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten auszutragen wäre. Der Anspruch ist nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. hiezu das einen Fall nach dem Bezügegesetz betreffende Erk. VfSlg. 5901/1969, ebenso das die Klage eines Gemeindemandatars betreffende Erk. VfSlg. 4893/1964).

Es ist deshalb zu untersuchen, ob der Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist, denn nur, wenn auch diese Frage verneint werden muß, ist eine Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über den Anspruch gegeben.

Der Kläger macht einen Anspruch auf Bezahlung öffentlich-rechtlicher Bezüge in Höhe eines bestimmten Betrages samt Zinsen, Zinseszinsen und Verfahrenskosten geltend. Es handelt sich also um ein auf die Liquidierung öffentlich-rechtlicher Bezüge gerichtetes Begehren. Eine gesetzliche Vorschrift, daß über eine solche Liquidierung durch Bescheid zu befinden sei, besteht nicht.

Der VwGH hat mit Erk. vom 22. Jänner 1980, Z 977/79, das Verlangen des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das Begehren auf Nachzahlung von Aufwandsentschädigungen als ehemaliger Stadtrat der Stadtgemeinde Oberwart auf den Gemeinderat der Stadt Oberwart zurückgewiesen. Der VwGH hat dies damit begründet, die Burgenländische Gemeindeordnung biete an keiner Stelle einen Anhaltspunkt dafür, daß dem Gemeinderat oder sonst einem Gemeindeorgan eine Zuständigkeit eingeräumt wäre, auch in Angelegenheiten der den Gemeindefunktionären zustehenden Gebührnisse an Aufwandsentschädigungen über strittige Ansprüche bescheidmäßig abzusprechen. Da eine derartige Zuständigkeit auch nicht im Wege eines Analogieschlusses aus §20 Abs1 der Bgld. Gemeindeordnung abgeleitet werden könne und dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, daß ein auf §20 Abs2 und 3 dieses Gesetzes beruhender Anspruch etwa im ordentlichen Rechtsweg auszutragen wäre, qualifiziere sich damit der diesem Verfahren zugrundeliegende vermögensrechtliche Anspruch als ein solcher, der nur unmittelbar gemäß Art137 B-VG beim VfGH geltend gemacht werden könne.

Der VfGH schließt sich dieser Auffassung des VwGH an.

Die Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung gemäß Art137 B-VG ist daher gegeben.

III. Der VfGH hat in der Sache erwogen:

1. Der in den Verwaltungsakten erliegende Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Stadtgemeinde Oberwart vom 14. Dezember 1973 betreffend Festsetzung der Entschädigungen hat folgenden Wortlaut:

"A: ENTSCHÄDIGUNG DER REFERENTEN

An Aufwandsentschädigung sind ab 1. 1. 1974 in den Voranschlag aufzunehmen:

OD-Aufwandsentsch. d. Bürgermeisters   80% des jeweiligen Bezuges

monatlich, 14 x jährlich               eines Abgeordneten zum

                                       Bgld. Landtag.

Aufwandsentsch. d. I.                  50% der Aufwandsentschädigung

Vizebürgermeisters:                    des Bürgermeisters

Aufwandsentsch. d. II.                 25% der Aufwandsentschädigung

Vizebürgermeisters:                    des Bürgermeisters

in % von der Entschädigung bis         ab 1. 1. 1975

31. 12. 1974 des Bürgermeisters

Ortsvorsteher:                         15%         20%

Stadtrat ohne Referat:                  7,5%       10%

Stadtrat mit Referat:                  15%         20%

Gemeinderat mit Funktion:              11,25%      15%"

(Kontrollausschuß)

Dieser Beschluß des Gemeinderates stützt sich auf §20 Abs2, 3 und 4 der Bgld. Gemeindeordnung, wonach bestimmten Gemeindefunktionären (Bürgermeistern, Vizebürgermeistern und anderen mit besonderen Aufgaben betrauten Mitgliedern des Gemeinderates) nach Maßgabe gesonderter Beschlüsse des Gemeinderates zur Abgeltung des durch ihre Stellung erforderlichen Mehraufwandes, Zeitverlustes und Verdienstentganges eine laufende, angemessene Geldentschädigung zusteht.

Der Gemeinderatsbeschluß regelt bindend die Aufwandsentschädigungen bestimmter Kategorien von Gemeindefunktionären, gestaltet somit deren persönliche Rechtslage gegenüber der Stadtgemeinde und weist inhaltlich jene Merkmale auf, die einen solchen Rechtsakt als Rechtsverordnung qualifizieren (vgl. zuletzt das Erk. des VfSlg. 8875/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).

2. Wie sich aus den Verwaltungsakten und einer Mitteilung der Stadtgemeinde Oberwart ergibt, ist dieser Beschluß des Gemeinderates nicht entsprechend §75 der Bgld. GemeindeO, LGBl. 37/1965, kundgemacht worden, obwohl der Bürgermeister hiezu innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlußfassung verpflichtet gewesen wäre. An der Amtstafel angeschlagen wurde lediglich die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 14. Dezember 1973. Nach der Beschlußfassung durch den Gemeinderat lag das Protokollbuch zur allgemeinen Einsicht im Gemeindeamt auf (§44 Abs6 der GemeindeO).

Diese Umstände vermögen jedoch nichts an der Tatsache zu ändern, daß der Beschluß des Gemeinderates vom 14. Dezember 1973 über die Aufwandsentschädigungen der Gemeindefunktionäre auf keine Weise einem Akt unterworfen worden ist, der als Kundmachung angesehen werden kann. Es ist also bezüglich dieses Beschlusses dem aus dem Rechtsstaatsprinzip erfließenden Gebot, daß Verordnungen, damit sie überhaupt als Bestandteil der Rechtsordnung existent werden, behördlich kundgemacht werden müssen, nicht entsprochen worden (vgl. das ebenfalls den Beschluß des Gemeinderates einer Bgld. Gemeinde betreffende Erk. VfSlg. 7375/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Beschluß des Gemeinderates ist daher in die Rechtsordnung nicht eingegangen, er ist infolgedessen keine generelle Norm geworden und entfaltet auch keine Rechtswirkungen.

3. Da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sich auf Grund dessen auf keine Rechtsvorschrift stützen kann, ist er abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Bezüge, Verordnungsbegriff, RechtsV, Verordnung Kundmachung, Entschädigung (Gemeindefunktionäre)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:A5.1979

Dokumentnummer

JFT_10198783_79A00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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