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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; Begriff der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke; gleichheitswidrige Anwendung der §§1 Abs1, 4 Abs1 iVm §6 Abs1 litcSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Kaufvertrag vom 23./26./28. Juni 1978 erwarb der Beschwerdeführer von M.I. geb. R. sowie von A., P. und A.R. die Liegenschaft EZ 333 II KG Sch., bestehend aus der Gp. 735 Weide mit Stadel.
Mit Bescheid vom 8. September 1978 stimmte die Grundverkehrsbehörde Sch. der beabsichtigten Eigentumsübertragung zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die zum Teil auswärts lebenden Verkäufer das gegenständliche Grundstück geerbt hätten, es aber von ihnen nicht genutzt werde. Der Käufer habe einen kleinen landwirtschaftlichen Besitz in T. und ein Grundstück in L.; für ihn bestehe die Möglichkeit, das Kaufgrundstück selbst zu bewirtschaften.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung, in welcher er geltend machte, daß das Rechtsgeschäft den Bestimmungen des Tir. Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971 idF der Novelle LGBl. 6/1974 (künftig: GVG), widerspreche. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß das Grundstück außerhalb des Baulandes liege und somit land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sei. Der Erwerber betreibe keine Landwirtschaft und sei daher nicht in der Lage, das Kaufobjekt selbst zu bewirtschaften. Dies widerspreche §6 Abs1 litc GVG.
Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 6. April 1979 wurde dieser Berufung Folge gegeben und der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG versagt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, daß es sich bei der Kaufparzelle um Weidegrund im Bereich der "Lablehner Wiesen" in Sch. handle. Dieses Gebiet stehe größtenteils im Eigentum der Agrargemeinschaft I. und werde von deren Mitgliedern landwirtschaftlich genutzt. Die Kaufparzelle selbst grenze an den Grundbesitz der Agrargemeinschaft an, verfüge aber über keine eigene Zufahrt. Der Käufer (d.i. der Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) sei ein Bankangestellter, der die landwirtschaftliche Nutzung in Form der Schafhaltung geltend mache. Es treffe zwar zu, daß er über ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude und über geringen Grundbesitz in T. sowie in der Gemeinde L. verfüge; eine Nutzung dieser Grundstücke werde von ihm jedoch nicht vorgenommen, die von ihm gehaltenen Schafe seien nicht im eigenen Wirtschaftsgebäude, sondern bei A.W. eingestellt. Eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Kaufgrundstückes sei nur dann möglich, wenn der Erwerber dort über ein Wirtschaftsgebäude verfüge, dessen Neuerrichtung aber auf Grund der geringen Bonität des Kaufobjektes nicht wirtschaftlich sei. Da die derzeitige Schafhaltung des Beschwerdeführers nicht als Landwirtschaftsbetrieb bezeichnet werden könne und der Beschwerdeführer auch die Kaufliegenschaft nicht selbst im Rahmen eines entsprechenden Betriebes bewirtschaften werde können, dies auch vom Grundbesitz des Beschwerdeführers in T. aus im Hinblick auf die gegebenen Verkehrsverhältnisse faktisch nicht möglich sei, erachtet die belangte Behörde das Vorliegen des Versagungstatbestandes nach §6 Abs1 litc GVG für gegeben.
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Er begründet dies damit, daß die belangte Behörde keine Ermittlungen darüber gepflogen habe, ob das Kaufgrundstück ein land- oder forstwirtschaftliches ist.
2. a) Unter Zugrundelegung der vom VfGH vertretenen grundsätzlichen Auffassung (vgl. zB VfSlg. 7838/1976, 7898/1976, 8415/1978, 8718/1979) ist bei verfassungskonformer Auslegung des §1 Abs1 Z1 GVG davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Grundverkehrs (soweit es sich um den Rechtserwerb durch Inländer handelt) nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind; das sind solche, auf denen Land- oder Forstwirtschaft betrieben wird (VfSlg. 8257/1978). Dies ist jedenfalls hinsichtlich solcher Grundstücke der Fall, die von einem Land- oder Forstwirt auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art genutzt werden; hiebei ist unerheblich, ob das Grundstück im Eigentum dessen steht, der es nützt, oder ob er es aufgrund eines Pachtvertrages, einer Bittleihe oder aufgrund irgendeines anderen Rechtstitels nutzt.
Gleiches gilt aber auch für Grundstücke, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch auf eine für Land- oder Forstwirte signifikante Art wirtschaftlich genutzt werden.
Ob die Nutzung auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Weise erfolgt, ist vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welchen primären Verwendungszweck das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- und Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten, finden.
Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft iS der vorstehenden Ausführungen betrieben wird. Um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, dürfen aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden. Der Entfall der Widmung darf daher nur so lange zurückliegen, als dies aus diesem Zweck erklärbar ist (vgl. zB VfSlg. 7838/1976).
Allein aus der Widmung einer Grundfläche unter raumplanerischen und baurechtlichen Gesichtspunkten ist nichts zur Beantwortung der Frage zu gewinnen, ob ein Grundstück als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iS des §1 Abs1 GVG zu gelten hat (vgl. VfSlg. 7580/1975).
b) Nach der ständigen Judikatur des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist nicht nur bei absichtlichem Zufügen von Unrecht, sondern auch dann gegeben, wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig fällt; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen hat; das gilt auch dann, wenn es sich hiebei um Sachverhaltsfeststellungen handelt, die zur Beurteilung der Zuständigkeit der Behörde erforderlich sind (vgl. zB VfSlg. 8682/1979, 8737/1980).
c) Die Behörde konnte hier keineswegs von vornherein davon ausgehen, daß das Kaufgrundstück dem GVG unterliege, hat doch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zur Berufung des Grundverkehrsreferenten ausdrücklich vorgebracht, daß das Grundstück in keiner Weise landwirtschaftlich genutzt werde und vollkommen verwildert sei.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und aus der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift ergibt sich, daß die Behörde angenommen hat, das Kaufgrundstück sei Weidegrund. Allein schon deshalb, weil die Möglichkeit bestehe, es landwirtschaftlich zu nutzen, handle es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück iS des §1 Abs1 Z1 GVG. Das Kaufobjekt gehöre zwar - wie in der Gegenschrift ausgeführt wird - wegen eines erbrechtlichen Vorganges nicht mehr zu einem Landwirtschaftsbetrieb, sei aber auf Grund seiner Beschaffenheit ein landwirtschaftlich nutzbares Grundstück.
Die belangte Behörde ist also von der Annahme ausgegangen, daß ein Grundstück schon dann dem GVG unterliege, wenn es nur landwirtschaftlich nutzbar ist. Diese Rechtsmeinung ist - wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt - verfehlt. Es wäre die Pflicht der belangten Behörde gewesen festzustellen, ob auf dem Kaufgrundstück gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft iS der Ausführungen in der vorstehenden lita) betrieben wird oder ob eine solche Widmung deshalb entfallen ist, um das Gesetz zu umgehen.
Derartige Feststellungen zu treffen, hat die Behörde aber - auf dem Boden ihrer unzutreffenden Rechtsansicht - unterlassen. Insbesondere wäre hier entscheidungsrelevant gewesen, ob das Grundstück in den letzten Jahren landwirtschaftlich genutzt wurde, etwa ob es regelmäßigabgeweidet wurde und ob die weidenden Tiere zu einem Landwirtschaftsbetrieb gehört haben.
Sollte aber die in der Gegenschrift enthaltene Behauptung zutreffen, das Grundstück gehöre nicht mehr zu einem Landwirtschaftsbetrieb (eine entsprechende Feststellung findet sich im angefochtenen Bescheid nicht und ist aufgrund des Inhaltes der Verwaltungsakten auch nicht zu treffen), so hätte die Behörde klarzustellen gehabt, seit welchem Zeitpunkt und aus welchem Grund die Widmung des Grundstückes für die landwirtschaftliche Nutzung entfallen ist; so etwa ob der Entfall dieser Widmung in der Absicht erfolgt ist, das Gesetz zu umgehen, oder ob der Widmungsentfall eine solche Umgehung zumindest objektiv ermöglicht.
d) Der angefochtene Bescheid verletzt sohin den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und ist daher aufzuheben (vgl. VfSlg. 8737/1980).
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftlichesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B246.1979Dokumentnummer
JFT_10189871_79B00246_00