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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Tir. Gemeindewahlordnung 1973; rechtswidrige neue Ermittlung und neue Kundmachung des Wahlergebnisses nach Abschluß des Wahlverfahrens; VerfGG 1953; Abgrenzung der aufzuhebenden Teile des WahlverfahrensSpruch
Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.
Das Verfahren betreffend die am 23. März 1980 durchgeführte Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Kauns (pol. Bezirk Landeck) wird vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Kundmachung der Landesregierung vom 27. November 1979, LGBl. 74/1979, wurden für alle Gemeinden Tirols mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck die allgemeinen Wahlen der Gemeinderäte auf den 23. März 1980 ausgeschrieben.
Die Wahl war nach den Bestimmungen der Tir. Gemeindewahlordnung 1973 - TGWO 1973 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 24. Juli 1973, LGBl. 63/1973, über die Wiederverlautbarung der Tir. Gemeindewahlordnung 1967) idF der Landesgesetze LGBl. 43/1974, 36/1977 und 4/1980 durchzuführen.
Für die Wahl in der Gemeinde Kauns (pol. Bezirk Landeck) haben die Wählergruppe "Gemeinschaftsliste" und die Wählergruppe "Arbeit und Wirtschaft" Wahlvorschläge vorgelegt.
Bei der Wahl wurden insgesamt 211 Stimmen abgegeben, davon 3 ungültige; von den gültigen Stimmen sind 134 auf die Wählergruppe "Gemeinschaftsliste" (davon 10 nach nicht geänderten Stimmzetteln und 124 nach geänderten Stimmzetteln), auf die Wählergruppe "Arbeit und Wirtschaft" 74 (davon 10 nach nicht geänderten und 64 nach geänderten Stimmzetteln) entfallen.
Das Wahlergebnis wurde mit Kundmachung des Gemeindeamtes Kauns (unterfertigt vom Wahlleiter) vom 23. März 1980 verlautbart. Danach entfielen auf die Wählergruppe "Gemeinschaftsliste" 7 Mitglieder des Gemeinderates, auf die Wählergruppe "Arbeit und Wirtschaft" 3 Mitglieder des Gemeinderates. Bezüglich der Gemeinschaftsliste enthielt die Kundmachung folgende Feststellungen:
gewählte Gemeinderäte:
1. Huter Philipp Kauns Nr. 26 728 Wahlpunkte
2. Oberhofer August Kauns Nr. 4 539 Wahlpunkte
3. Eiterer Heinrich Kauns Nr. 15 365 Wahlpunkte
4. Buchhammer Walter Kauns Nr. 53 363 Wahlpunkte
5. Stöckl Ernst Kauns Nr. 70 317 Wahlpunkte
6. Wille Josef Kauns Nr. 28 274 Wahlpunkte
7. Schmid Hermann Kauns Nr. 22 247 Wahlpunkte
gewählte Ersatzmänner:
1. Haslwanter Heinrich Kauns Nr. 62
2. Kiechler Karl Kauns Nr. 5
3. Hafele Erwin Kauns Nr. 58
Die Kundmachung enthielt den Vermerk, daß sie am 23. März angeschlagen und am 24. März um 9.30 Uhr abgenommen worden ist.
Wegen rechnerischer Fehler bei der Feststellung der Wahlpunkte ist nach Bericht des Gemeindesekretärs (der auch Ersatzmann der Gemeindewahlbehörde und Mitglied des Gemeinderates ist) an die Bezirkshauptmannschaft Landeck als Bezirkswahlbehörde das Wahlergebnis neu ermittelt und mit Kundmachung des Gemeindeamtes Kauns (unterfertigt in Vertretung des Wahlleiters vom Gemeindesekretär) vom 24. März 1980 ein geändertes Wahlergebnis verlautbart worden. Bezüglich der Gemeinschaftsliste enthielt die Kundmachung folgende Feststellungen:
gewählte Gemeinderäte:
1. Huter Philipp Kauns Nr. 26 1392 Wahlpunkte
2. Oberhofer August Kauns Nr. 4 1165 Wahlpunkte
3. Eiterer Heinrich Kauns Nr. 15 957 Wahlpunkte
4. Stöckl Ernst Kauns Nr. 70 899 Wahlpunkte
5. Schmid Hermann Kauns Nr. 22 772 Wahlpunkte
6. Buchhammer Walter Kauns Nr. 53 752 Wahlpunkte
7. Wille Josef Kauns Nr. 28 543 Wahlpunkte
gewählte Ersatzmänner:
1. Haslwanter Heinrich Kauns Nr. 62
2. Kiechler Karl Kauns Nr. 5
3. Hafele Erwin Kauns Nr. 58
4. Huter Anton Kauns Nr. 16
Die Kundmachung enthielt den Vermerk, daß sie am 25. März um 8.30 Uhr angeschlagen und am selben Tag um 8.45 Uhr abgenommen worden ist.
Es waren nämlich in der Zwischenzeit auch Fehler in der Übertragung der von den Wählern auf den Stimmzetteln vorgenommenen Änderungen in die Wahlpunkte-Zählliste festgestellt worden. Nach Bericht an die Bezirkshauptmannschaft Landeck als Bezirkswahlbehörde und über deren Anweisung wurde sodann in Anwesenheit eines Nichtmitgliedes der Gemeindewahlbehörde an Hand der Stimmzettel eine neue Ermittlung der Wahlpunkte vorgenommen, deren Ergebnis in einer (nicht datierten und nicht unterfertigten) "2. Niederschrift über die Gemeinderatswahl vom 23. 3. 1980" festgehalten ist, worauf das Wahlergebnis ein drittes Mal mit Kundmachung vom 28. März 1980 (unterfertigt vom Wahlleiter) verlautbart wurde. Bezüglich der Gemeinschaftsliste enthielt diese Kundmachung folgende Feststellungen:
gewählte Gemeinderäte:
1. Huter Philipp Kauns Nr. 26 1388 Wahlpunkte
2. Oberhofer August Kauns Nr. 4 1177 Wahlpunkte
3. Eiterer Heinrich Kauns Nr. 15 959 Wahlpunkte
4. Stöckl Ernst Kauns Nr. 70 903 Wahlpunkte
5. Schmid Hermann Kauns Nr. 22 771 Wahlpunkte
6. Buchhammer Walter Kauns Nr. 53 740 Wahlpunkte
7. Haslwanter Heinrich Kauns Nr. 62 568 Wahlpunkte
gewählte Ersatzleute:
1. Kiechler Karl Kauns Nr. 5 454 Wahlpunkte
2. Huter Anton Kauns Nr. 16 369 Wahlpunkte
3. Hafele Erwin Kauns Nr. 58 361 Wahlpunkte
Die Kundmachung enthält den Vermerk, daß sie am 28. März angeschlagen und am 16. April abgenommen worden ist.
Bezüglich der Liste "Arbeit und Wirtschaft" stimmen die späteren Kundmachungen, was die Anzahl der gewählten Gemeinderatsmitglieder und Ersatzmänner sowie ihre Reihenfolge betrifft, mit der Kundmachung vom 23. März 1980 überein.
Die vorgenommenen Änderungen in der Berechnung des Wahlergebnisses sind nicht von der Gemeindewahlbehörde kollegial beraten und beschlossen worden; diese Behörde war seit dem Abend des Wahltages nicht mehr zusammengetreten.
2. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Wählergruppe "Gemeinschaftsliste" ficht die Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Kauns an und beantragt, der VfGH wolle der Anfechtung stattgeben und die Wahl des Gemeinderates wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens als ungültig erklären.
In der Wahlanfechtung wird vorgebracht:
Nach Schluß der Wahl und Ende der Wahlzeit seien von den durch die Wahlordnung vorgesehenen Organen die Stimmzettel geprüft und bezüglich der Wahl der Mandatare der "Gemeinschaftsliste" die mit der Kundmachung vom 23. März 1980 verlautbarte Reihung vorgenommen worden. Der Zustellungsbevollmächtigte sei nur am Tage der Wahl in Kauns anwesend gewesen, er befinde sich zur Zeit der Erhebung der Wahlanfechtung in der Gendarmeriezentralschule in Mödling.
Am 24. März, also am Tage nach der Wahl, habe der Gemeindesekretär gegenüber zwei Gemeindebürgern eröffnet, daß er eben die Stimmzettel nochmals überprüfe und es nunmehr möglich sei, daß sich ein anderes Wahlergebnis zeigen werde. Der Gemeindesekretär habe hiezu weiters ausgeführt, daß die Wahl zweier von der Gemeinschaftsliste als gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder (darunter des an die 6. Stelle gereihten Zustellungsbevollmächtigten) gefährdet sein könnte.
Um 10.00 Uhr des 24. März habe einer der genannten Gemeindebürger in der Gemeindekanzlei konstatiert, daß sich der Gemeindesekretär allein beim Studium der von ihm offenbar eigenmächtig aus dem Verschluß genommenen Stimmzettel befunden habe.
Um 11.50 Uhr des 24. März hätten sich die genannten Gemeindebürger neuerlich zum Gemeindesekretär in die Gemeindekanzlei begeben, wobei ihnen eröffnet worden sei, daß nunmehr der Zustellungsbevollmächtigte an die 7. Stelle der gewählten Gemeinderäte zu reihen sei.
Am 25. März um 8.30 Uhr sei das Ergebnis der Wahl mit dem Zustellungsbevollmächtigten an 7. Stelle an der Gemeindetafel angeschlagen worden. Als die beiden genannten Gemeindebürger um 16.30 Uhr zur Gemeindetafel gekommen seien, hätten sie festgestellt, daß die Kundmachung mit diesem Wahlergebnis entfernt worden wäre.
Am 28. März sei eine neue Reihung der Gemeinderäte und Ersatzleute der Gemeinschaftsliste kundgemacht worden. "Die Wahlzählung und die Wahlabrechnungen", die also offenbar allein durch den Gemeindesekretär ohne jegliche Kontrolle geführt worden seien, hätten also dazu geführt, daß der Zustellungsbevollmächtigte nicht mehr unter den gewählten Gemeinderäten aufgeschienen sei.
Die Wahlanfechtung vertrete die Ansicht, daß nach Durchführung der Wahlzählung nach Beendigung der Wahlzeit die Wahlzettel hätten unter Verschluß bleiben müssen und daß es gegen die Wahlordnung des Landes Tirol verstoße, daß eine Einzelperson nach Durchführung der Prüfung der Wahlergebnisse durch die gesetzlich vorgesehenen Personen neuerlich allein und gegen die Bestimmungen des Gesetzes sich an Wahlzetteln zu schaffen mache, wodurch jeglicher Manipulation Tür und Tor geöffnet würde.
3. Die Gemeindewahlbehörde hat eine Gegenäußerung abgegeben, in der sie beantragt, die Anfechtung als unbegründet abzuweisen.
Die Behauptung, es seien durch den Gemeindesekretär Manipulationen vorgenommen worden, sei völlig unzutreffend. Der Gemeindesekretär habe die Aufgabe, die Wahlakten zusammenzustellen und versandbereit zu machen. Auf Grund der unterschiedlichen Wahlpunktezahl gegenüber der Gemeinderatswahl 1974 sei ihm aufgefallen, daß etwas nicht stimmen könne. Da der Bürgermeister als Vorsitzender der Gemeindewahlbehörde und Gemeindewahlleiter am Tag nach der Wahl abwesend und nicht erreichbar gewesen sei, habe ihm der Gemeindesekretär am 25. März von seiner Feststellung berichtet. Eine sofortige gemeinsame Überprüfung unter Beiziehung eines Alt-Gemeinderates habe ergeben, daß durch die Anwendung des falschen Multiplikators 7 (Gewählte der Gemeinschaftsliste) anstatt 13 (Anzahl der wählbaren Kandidaten der Gemeinschaftsliste) sich eine andere Reihung der Gewählten ergebe.
Unmittelbar nach dieser Feststellung habe sich der Bürgermeister mit sämtlichen Wahlunterlagen zur Bezirkshauptmannschaft Landeck begeben, um diesen Vorfall zu berichten. Dort sei an Hand der Wahlakten ebenfalls festgestellt worden, daß die erste Reihung auf Grund einer falschen Voraussetzung zustande gekommen sei. Gleichzeitig sei geraten worden, das neue Reihungsergebnis an der Gemeindetafel kundzumachen und das erste einzuziehen. Eine Belassung der ersten Verlautbarung hätte "nach allgemeiner Auffassung" den Bestimmungen der Tir. Gemeindewahlordnung widersprochen, sodaß es notwendig gewesen sei, um dem Wählerwillen gerecht zu werden, diese Maßnahme zu treffen. Von einer Manipulation könne auf keinen Fall die Rede sein, weil, wie aus den Wahlunterlagen zu entnehmen sei, die Wahl völlig korrekt durchgeführt worden sei, und außerdem der Zustellungsbevollmächtigte der Gemeinschaftsliste selbst die Ergebnislisten geschrieben sowie sämtliche Wahlprotokolle mitunterzeichnet habe. Im übrigen habe dieser Zustellungsbevollmächtigte bereits am Wahltag Kauns verlassen, sodaß das neue Reihungsergebnis immer nur unvollständig hätte protokolliert werden können.
Der Antrag, die gesamte Gemeinderatswahl als ungültig zu bezeichnen, gehe völlig fehl, weil sich am Wahlergebnis selbst keinerlei Mängel gezeigt hätten.
Der Äußerung der Gemeindewahlbehörde ist eine Stellungnahme des Gemeindesekretärs angeschlossen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß §68 Abs1 VerfGG 1953 muß eine Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein. Aus dieser Norm ergibt sich, daß eine Wahlanfechtung beim VfGH dann (und solange) unzulässig ist, wenn in dem Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen und nicht erschöpft ist.
Das Wahlergebnis umfaßt - wie aus den §§53, 54 und 58 Abs1 TGWO 1973 abzuleiten ist - das Ergebnis der Stimmenzählung, die Anzahl der den einzelnen Wählergruppen zugefallenen Gemeinderatssitze, die Zahlen der für die einzelnen Wahlwerber ermittelten Wahlpunkte und die Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder und Ersatzmänner in der ermittelten Reihenfolge. Würde eine Wählergruppe die Ermittlung der Zahlen der Wahlpunkte bekämpfen, so würde damit die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses bekämpft und müßte vor einer Wahlanfechtung beim VfGH der in §58 Abs3 TGWO 1973 vorgesehene Instanzenzug erschöpft werden (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung im Erk. VfSlg. 8852/1980).
Die mit der vorliegenden Wahlanfechtung geltend gemachte Rechtswidrigkeit ist nicht derart, daß sie vor Anrufung des VfGH im administrativen Einspruchsverfahren auszutragen gewesen wäre. Es wird zwar in der Darstellung des Sachverhaltes der Umstand angeführt, daß der Zustellungsbevollmächtigte der anfechtenden Wählergruppe, der nach dem am 23. März 1980 ermittelten Wahlergebnis unter den gewählten Gemeinderäten der Gemeinschaftsliste an 6. Stelle gereiht war, in der Kundmachung vom 28. März 1980 nicht mehr unter den gewählten Gemeinderäten aufgeschienen sei. Die in der Wahlanfechtung behauptete Rechtswidrigkeit wird jedoch nicht in der Unrichtigkeit der neuen Ermittlung der Wahlpunkte, sondern darin gesehen, daß nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens die Stimmzettel nicht unter Verschluß geblieben seien und daß vor allem "nach Durchführung der Prüfung der Wahlergebnisse durch die gesetzlich vorgesehenen Personen" (gemeint ist damit offenbar die Gemeindewahlbehörde) der Gemeindesekretär als Einzelperson ohne jegliche Kontrolle das Wahlergebnis geändert habe; daß die neue Ermittlung der Wahlpunkte unrichtig wäre, wird in der Wahlanfechtung nicht behauptet.
Die unmittelbare Wahlanfechtung beim VfGH ist somit zulässig. Auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.
2. Die Ermittlung des Wahlergebnisses erfolgt nach den Bestimmungen der TGWO 1973 in mehreren Verfahrensschritten. Dabei ist §7 TGWO 1973 zu beachten, wonach die Amtshandlungen der Wahlbehörden in den taxativ aufgezählten Fällen (dazu gehören "Amtshandlungen zur Ermittlung des Wahlergebnisses") der kollegialen Beratung und Beschlußfassung bedürfen und in den anderen Fällen vom Vorsitzenden der Wahlbehörde zu treffen sind.
Nach Ermittlung der den einzelnen Wählergruppen zugefallenen Stimmen hat jede Wahlbehörde den Wahlvorgang und das Ergebnis der Stimmenzählung in einer Niederschrift zu beurkunden (§53 Abs1 und §54). - Diesen Bestimmungen wurde im Wahlverfahren entsprochen. Eine derartige Niederschrift der Gemeindewahlbehörde in Kauns mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt (§53 Abs2) wurde am 23. März 1980 abgefaßt und von den Mitgliedern der Wahlbehörde unterfertigt (§53 Abs3).
Die Gemeindewahlbehörde hat sodann nach Verteilung der zu vergebenden Gemeinderatssitze auf die Wählergruppen (§54 Abs2 und §55) und nach Feststellung, wie viele Wahlpunkte jeder Wahlwerber erhalten hat (§57 Abs1), die Wahlwerber eines Wahlvorschlages entsprechend der auf die Wählergruppe entfallenden Zahl von Gemeinderatssitzen nach der Zahl ihrer Wahlpunkte als Mitglieder des Gemeinderates, die übrigen Wahlwerber des Wahlvorschlages in bestimmter Reihung als Ersatzmänner für gewählt zu erklären (§57 Abs1 und 4). Das Ergebnis der Wahl ist unter Angabe der wichtigsten Vorgänge des Ermittlungsverfahrens in einer Niederschrift festzuhalten, in der die Anzahl der den einzelnen Wählergruppen zugefallenen Gemeinderatssitze, die Zahlen der für die einzelnen Wahlwerber ermittelten Wahlpunkte und die Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder und Ersatzmänner in der ermittelten Reihenfolge zu verzeichnen sind (§58 Abs1). - Ob diesen Bestimmungen entsprochen wurde, kann nicht überprüft werden. Ein Beschluß der Gemeindewahlbehörde über die Verteilung der Gemeinderatssitze und über die Ermittlung der Wahlpunkte, eine Erklärung der Wahlbehörde, welche Mitglieder und Ersatzmänner des Gemeinderates gewählt sind, und eine das Ergebnis der Wahl festhaltende Niederschrift ist in den dem VfGH vorgelegten Akten nicht enthalten.
Schließlich ist das Wahlergebnis unter Anführung der Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder und Ersatzmänner sofort ortsüblich kundzumachen (§58 Abs2). - Diesen Bestimmungen wurde insofern entsprochen, als eine Kundmachung mit den Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder und Ersatzmänner sowie den für die Gemeinderatsmitglieder ermittelten Wahlpunkten durch Anschlag an der Amtstafel am 23. März 1980 erfolgt ist; sie ist vom Wahlleiter (gemäß §8 Abs1 TGWO 1973 ist der Bürgermeister Vorsitzender der Gemeindewahlbehörde und Gemeindewahlleiter) unterfertigt.
Der VfGH hat zu den Rechtsfolgen, die sich nach der Stammfassung der Tir. Gemeindewahlordnung LGBl. 14/1949 an eine solche Kundmachung geknüpft haben, im Erk. VfSlg. 3047/1956 (das über eine Anfechtung der am 18. März 1956 stattgefundenen Gemeinderatswahl in Bruck am Ziller ergangen ist) ausgeführt: "Die Ortswahlbehörde hat am 18. März 1956 mit der Kundmachung des Wahlergebnisses nach §57 Abs2 TGWO" (der wörtlich dem im vorliegenden Fall maßgebenden §58 Abs2 TGWO 1973 entspricht) "das Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Damit hat sich ihre Funktion im Ermittlungsverfahren erschöpft, sie durfte nicht weiter tätig werden, sie durfte also insbesondere nicht das Ermittlungsverfahren wieder aufnehmen und ihre frühere Entscheidung durch eine neue ersetzen. Das aber hat die Ortswahlbehörde Bruck am Ziller" (dadurch, daß sie nach Kundmachung des Wahlergebnisses dieses nochmals ermittelt hat, wobei andere Kandidaten als gewählt erklärt worden sind) "rechtswidrig getan".
Dieselben Überlegungen müssen für den vorliegenden Fall gelten. Mit der Kundmachung des Wahlergebnisses der Gemeinderatswahl in der Gemeinde Kauns am 23. März 1980 war das Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Die - noch dazu unrichtig zusammengesetzte - Gemeindewahlbehörde war nicht befugt, eine neue Ermittlung des Wahlergebnisses vorzunehmen. Dies auch dann nicht, wenn das Wahlergebnis am 23. März 1980 fehlerhaft ermittelt worden wäre. Daran ändert nichts die "Anweisung" durch die Bezirkswahlbehörde Landeck.
Es war somit die Vornahme der neuen Ermittlungen, deren Ergebnisse mit den Kundmachungen vom 25. März und vom 28. März 1980 verlautbart worden sind, sowie die Vornahme dieser Kundmachungen selbst rechtswidrig erfolgt.
3. Aus Art141 Abs1 zweiter und dritter Satz B-VG (idF BGBl. 12/1958) und aus den §§67 Abs1, 69 Abs2 und 70 Abs1 VerfGG 1953 (die erstgenannte Bestimmung idF BGBl. 18/1958) ergibt sich, daß der VfGH das Wahlverfahren nur in den Grenzen der behaupteten Rechtswidrigkeit zu überprüfen hat, daß er aber darüber hinaus die Gesetzmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung nicht unterziehen darf (vgl. VfSlg. 1904/1950, 2937/1955, 6339/1970, 7070/1973, 8321/1978, 8700/1979).
Mit der vorliegenden Wahlanfechtung wird nicht das der Kundmachung vom 23. März 1980 zugrunde liegende Ermittlungsverfahren, insbesondere nicht die Ermittlung der Wahlpunkte, bekämpft, die behauptete Rechtswidrigkeit wird vielmehr lediglich in den eine Änderung des Wahlergebnisses betreffenden Vorgängen erblickt, die am Tage nach dem Anschlag der Kundmachung vom 23. März 1980 einsetzten und in den späteren Kundmachungen zum Ausdruck kommen (siehe vorstehenden Punkt II.1.).
Die Abgrenzung der Teile des Wahlverfahrens, die der VfGH aufzuheben hat (§70 Abs1 VerfGG 1953), ergibt sich aus folgenden Überlegungen.
Eine rechtswidrige Ermittlung der Wahlpunkte, die bloß zu einer Änderung in der Reihung der Gemeinderatsstellen, nicht aber zu einer Veränderung des Kreises der als gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder führt, ist iS des §70 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 deshalb unbeachtlich, weil die Gemeinderatsstellen durch die Reihung keine verschiedene Qualität erhalten, sondern gleichwertig sind (vgl. VfSlg. 7070/1973). Eine Änderung in der Reihung der Ersatzmänner muß jedoch iS dieser Gesetzesstelle als relevant betrachtet werden, weil der nächste Ersatzmann im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes des Gemeinderates an dessen Stelle vorrückt, wobei allerdings ein Verzicht möglich ist (§59 Abs1 TGWO 1973).
Die in der vorliegenden Wahlanfechtung geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt in den Veränderungen des am 23. März kundgemachten Wahlergebnisses, die sowohl den Kreis und die Reihung der als gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder als auch die als gewählt erklärten Ersatzmänner betreffen.
Zur Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit ist es dem VfGH jedoch nicht möglich, allein die Abänderungen des am 23. März kundgemachten Wahlergebnisses aufzuheben.
Die am 23. März an der Amtstafel angeschlagene Kundmachung ist am 24. März abgenommen und am 25. und 28. März durch geänderte Kundmachungen ersetzt worden. Diese während der Einspruchsfrist nach §58 Abs3 TGWO 1973 vorgenommene Änderung bewirkte, daß von der durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit des Einspruches gegen die Ermittlung des am 23. März kundgemachten Wahlergebnisses kein Gebrauch gemacht werden konnte. Die in dieser Abänderung liegende Rechtswidrigkeit kann somit nur dadurch beseitigt werden, daß alle jene Teile des Wahlverfahrens aufgehoben werden, auf die diese Rechtswidrigkeit unmittelbar von Einfluß ist.
Es genügt daher nicht, die nach dem 23. März vorgenommenen Änderungen des Wahlergebnisses aufzuheben. Um die durch diese Änderungen unmittelbar beeinträchtigte Einspruchsmöglichkeit nach §58 Abs3 TGWO 1973 wieder zu eröffnen, muß auch die Kundmachung vom 23. März und das damit kundgemachte Wahlergebnis aufgehoben werden.
Der VfGH kann aber die erwiesene Rechtswidrigkeit auch nicht mit der Aufhebung des Wahlverfahrens vom Beginn des Ermittlungsverfahrens an beseitigen, wie es etwa in den Fällen möglich ist, in denen der VfGH über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmzetteln entschieden hat (vgl. zB VfSlg. 5144/1965, 5805/1968, 7391/1974, 7434/1974). Während nämlich in solchen Fällen nach der Entscheidung des VfGH lediglich die Stimmenzählung neu vorzunehmen ist, muß im Falle der neuen Wahlpunkteermittlung eine völlig neue Auswertung der Stimmzettel durch die Wahlbehörde vorgenommen werden.
Der Gesetzgeber hat in §50 Abs2 TGWO 1973 bestimmt, daß das Wahlergebnis im Anschluß an die Stimmenabgabe ohne Unterbrechung zu ermitteln und festzustellen ist. Diese Regelung ist darin begründet, daß bei Ermittlung des Wahlergebnisses Fehlerquellen, die in der Gebarung mit den Stimmzetteln liegen könnten, möglichst ausgeschaltet werden sollen. Deshalb wurde bestimmt, daß bei einer notwendig werdenden Unterbrechung der Ermittlungen und Feststellungen der Wahlbehörde die Wahlakten samt den Stimmzetteln in Gegenwart des Wahlleiters zu verpacken, zu versiegeln und bis zur Wiederaufnahme der Arbeiten unter sicherem Verschluß zu verwahren sind (§50 Abs2 zweiter Satz TGWO 1973). Deshalb wurde auch bestimmt, daß bei Einteilung einer Gemeinde in Wahlsprengel die Sprengelwahlbehörde ihre Wahlakten dem Vorsitzenden der Gemeindewahlbehörde verschlossen zu übersenden haben, wobei die Stimmzettel gesondert zu verschließen und unter Siegel zu nehmen sind (§53 Abs5 TGWO 1973).
Muß nun im Falle der Richtigstellung der Wahlpunkteermittlung eine völlig neue Auswertung der Stimmzettel durch die Wahlbehörde vorgenommen werden, dann dürfte sich der VfGH nur dann mit der Aufhebung des Ermittlungsverfahrens begnügen, wenn die Wahlakten samt den Stimmzetteln in einer Weise verwahrt worden wären, wie sie für den Fall der Unterbrechung der Ermittlungen und Feststellungen in §50 Abs2 TGWO 1973 vorgesehen ist (vgl. dazu das erwähnte zur Tir. Gemeindewahlordnung LGBl. 14/1949 ergangene Erk. VfSlg. 3047/1956).
Eine solche Verwahrung der Wahlakten mit den Stimmzetteln ist im vorliegenden Fall nicht vorgenommen worden.
4. Der VfGH war daher genötigt, nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch das Abstimmungsverfahren aufzuheben, um ein einwandfreies Wahlergebnis sicherzustellen.
Der Gerichtshof sieht sich zu der Bemerkung veranlaßt, daß der Wiederholung des Abstimmungsverfahrens die Wahlvorschläge zugrunde zu legen sind, die für die Wahl des Gemeinderates am 23. März 1980 eingereicht worden sind.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Wahlanfechtung administrative, Wahlergebnis, Ermittlungsverfahren, StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:WI1.1980Dokumentnummer
JFT_10189870_80WI0001_00