TE Vfgh Erkenntnis 1981/2/27 B504/79

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Veröffentlicht am 27.02.1981
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Index

77 Kunst, Kultur
77/01 Kunst, Kultur

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Allg
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
DenkmalschutzG §1
DenkmalschutzG §3
ZPO §506 Abs1 Z2

Leitsatz

Denkmalschutzgesetz; keine Bedenken gegen §1; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit fünf Einzelbescheiden des Bundesdenkmalamtes vom 2. März 1976, Z 748, 898, 899, 900, 901/1976, wurden die Häuser in Wien 10., A-gasse Nr. 16, 18 und 20 sowie P-gasse Nr. 4 und 14 gemäß §§1 und 3 DenkmalschutzG unter Denkmalschutz gestellt.

In der Begründung dieser Bescheide wird - sinngemäß zusammengefaßt - ua. ausgeführt, daß das - auch aus den genannten Gebäuden bestehende - sogenannte Arbeitercottage in Wien im Jahr 1896 von der "Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsstiftung für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen" erbaut und als Arbeiterwohnstätte errichtet worden sei. Von Architekt Josef Unger entworfen, hätten den Gebäuden die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelten Personalwohnhäuser der ehemaligen Südbahngesellschaft als Vorbild gedient. Diese als musterhaft angesehenen Sozialbauten seien damals im gesamten Staatsbereich - so auch bei der Nordwestbahn mit ihrem Hochbaudirektor Josef Unger - nachgeahmt worden. In Österreich-Ungarn hätte es zahlreiche derartige Beispiele gegeben, von denen aber nur wenige erhalten geblieben seien. Als Denkmal der einleitend bezeichneten Sozialentwicklung käme den in Rede stehenden Gebäuden in Wien kulturelle Bedeutung zu; ihre Erhaltung liege deshalb im öffentlichen Interesse.

1.2. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gab der von der V.N. AG als grundbücherlicher Eigentümerin der betroffenen Objekte gegen die Bescheide des Bundesdenkmalamtes ergriffenen Berufung mit Bescheid vom 19. Oktober 1979, Z 22.464/2/33/79, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit §13 DenkmalschutzG keine Folge und bestätigte die angefochtenen Bescheide vollinhaltlich.

1.3.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der V.N. AG an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

1.3.2. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und der Landeshauptmann von Wien (§1 Abs3 DenkmalschutzG) erstatteten Gegenschriften und beantragten darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wird durch einen bescheidmäßigen Eigentumseingriff - so eine Eigentumsbeschränkung nach den §§1 und 3 DenkmalschutzG, BGBl. 533/1923 (s. VfSlg. 7306/1974) - gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verletzt, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder gesetzlos ist, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkommt (zB VfSlg. 5206/1966).

2.1.2. Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt zu den Rechtsgrundlagen des Berufungsbescheides der Sache nach nur vor, daß die Bestimmung des §1 DenkmalschutzG insoweit verfassungswidrig sei, als sie dem Bundesdenkmalamt die Feststellung des Vorhandenseins eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung bestimmter Denkmale übertrage und damit die Beantwortung einer Frage für Sachverständige einer Behörde überantworte, die sie aus eigenem nicht zu lösen vermöge.

Dabei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, daß es sich bei der - wenngleich vielfach erst nach Anhörung von Sachverständigen zu entscheidenden - Frage, ob ein "öffentliches Interesse" iS des §1 DenkmalschutzG vorliegt, um eine solche der rechtlichen Beurteilung und nicht der Sachverhaltsermittlung handelt, weshalb der in der Beschwerdeschrift hergestellte Bezug zum Sachverständigenbeweis schon vom Ansatz her verfehlt ist: Der VfGH hegt - unter dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls - keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften, insbesondere des den angefochtenen Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht tragenden §1 DenkmalschutzG, BGBl. 533/1923, in der - hier maßgebenden - Fassung der Novelle BGBl. 167/1978 (siehe dazu auch VfSlg. 5206/1966, 5453/1967, 7306/1974, 7519/1975, ferner VfSlg. 8759/1980 zu den §§1 und 3 DenkmalschutzG in der Fassung vor der Novelle BGBl. 167/1978).

2.1.3. Demnach könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes nur in einer denkunmöglichen Gesetzeshandhabung gelegen sein.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der belangten Behörde, der besagten aus sozialen Wohnbauten bestehenden Häusergruppe komme wegen ihrer Planung und eigentlichen Bestimmung als soziale Arbeiterwohnstätte zur Zeit der Jahrhundertwende eine derart ausgeprägte kulturelle (sozialgeschichtliche) Bedeutung zu, daß eine Erhaltung jedenfalls im öffentlichen Interesse liege, ist jedoch - den Beschwerdeausführungen zuwider - weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht als denkunmöglich zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, wenn die Beschwerdeführerin einwendet, die Häuser wären bloß Bahnstationsgebäuden nachgebildet, wie sie damals vielfach errichtet worden seien: In Wahrheit betreffen die dem hier behandelten Grundrecht des Art5 StGG zuzuordnenden Beschwerdepartien nach Inhalt und Zielsetzung lediglich Fragen der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides, über die zu erkennen nicht der VfGH, sondern ausschließlich der VwGH berufen ist.

Die Beschwerdeführerin wurde darum durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nicht verletzt.

2.2.1. Da gegen die angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken - auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (s. 2.1.2.) - bestehen und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8238/1978 ua.) eine Verletzung des Gleichheitsrechts nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre. Dabei geht der VfGH davon aus, daß das Grundrecht nach Art7 Abs1 B-VG auch inländischen juristischen Personen gewährleistet ist, sofern der Schutz vor Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes solche Merkmale betrifft, die auch für juristische Personen in Betracht kommen können (zB VfSlg. 7380/1974, 8233/1978), wie dies hier zutrifft.

2.2.2. Daß das von der Beschwerdeführerin unter dem Aspekt einer Verletzung des Gleichheitssatzes gerügte Vorgehen der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.1.3. dargelegt. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür heranzuziehende Wertung scheidet also bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.). Doch auch sonst finden sich keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei. Die Berufungsbehörde - die selbst einen Lokalaugenschein durchführte, ein Gutachten des Landeskonservators von Wien einholte und eine beigebrachte Stellungnahme des Kulturamtes der Stadt Wien mit in den Kreis ihrer Erwägungen einbezog - war vielmehr sichtlich um eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung bemüht, wie der aus den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, letztlich aber auch die ausführliche, die abgegebenen Sachverständigengutachten sorgfältig berücksichtigende Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt. Mit dem Beschwerdeeinwand, der belangten Behörde seien - so etwa durch Unterlassung der Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten - Verfahrensfehler unterlaufen, wird der Sache nach nicht Willkür geltend gemacht, sondern nur eine nicht in die Verfassungssphäre reichende Gesetzwidrigkeit behauptet, worüber aber, wie schon zu

2.1.3. ausgeführt, allein der VwGH zu befinden hat. Auch aus der Beschwerdeeinrede, die Behörde habe es verabsäumt, eine Reihe gleichartiger Häuser unter Denkmalschutz zu stellen, ist aber für den Standpunkt der Beschwerdeführerin letztlich nichts zu gewinnen. Denn selbst wenn in anderen Fällen gesetzwidrig verfahren worden sein sollte, könnte ein solches Vorgehen der Beschwerdeführerin kein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976).

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde.

2.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor. Ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften; die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Beigefügt sei, daß Verweisungen in der Beschwerdeschrift auf Eingaben der Beschwerdeführerin im Administrativverfahren zur Ergänzung des Beschwerdevorbringens - als unstatthaft - unbeachtet bleiben mußten (vgl. §506 Abs1 Z2 ZPO in Verbindung mit §35 Abs1 VerfGG 1953 und die ständige Rechtsprechung des OGH hiezu: EvBl. 1951 Nr. 474; SZ 23/89, 35/66, 45/4; ferner VfSlg. 8241/1978).

2.4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Denkmalschutz, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B504.1979

Dokumentnummer

JFT_10189773_79B00504_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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