TE Vfgh Erkenntnis 1981/2/27 B162/78

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Veröffentlicht am 27.02.1981
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5
Tir GVG 1970 §4 Abs2 lita idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §4 Abs2 litb idF LGBl 6/1974

Leitsatz

Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; keine Bedenken gegen §4 Abs2 litb; keine denkunmögliche Anwendung dieser Gesetzesbestimmung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Laut schriftlichem Kaufvertrag vom 13. Feber 1976 (mit Nachtrag vom 16. Juli 1976) kaufte G.Sch. von W.A. die Liegenschaft EZ 404 II der KG E., bestehend aus der Grundparzelle 401/4 Wiese im Ausmaß von 535 Quadratmeter samt einem darauf errichteten Wohnhaus um den Kaufpreis von 840.000 S. Beide Vertragspartner sind Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland.

1.2. Der bezeichneten Eigentumsübertragung wurde mit dem - über Berufung der Käuferin - im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 16. Dezember 1977, Z LGv-67/4, gemäß §4 Abs2 litb Tir. Grundverkehrsgesetz 1970 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt.

1.3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der G.Sch. an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.3.2. Die belangte Landesgrundverkehrsbehörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages wird der Käufer in der Ausübung seiner Privatrechte beschränkt. Der angefochtene Bescheid greift darum iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein (vgl. zB VfSlg. 6735/1972, 8011/1977).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wird durch einen solchen Eigentumseingriff dann verletzt, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergeht oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde bei der Bescheiderlassung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise anwendet, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde dabei einen so schweren Fehler begeht, daß er einer Gesetzlosigkeit gleichkommt (zB VfSlg. 7342/1974).

2.1.2. Der angefochtene Bescheid wurde nicht ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen. Daß die ihn tragenden Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen des §4 Abs2 litb Tir. Grundverkehrsgesetz 1970 (GVG 1970), LGBl. 4/1971, idF LGBl. 6/1974, verfassungswidrig seien, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel der vorliegenden Beschwerdesache keine derartigen Bedenken.

2.1.3. Demgemäß bleibt zu prüfen, ob der belangten Behörde eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung zur Last fällt.

Die Beschwerdeführerin vertritt diesen Standpunkt, ist damit jedoch nicht im Recht, wie die folgenden Überlegungen zeigen:

Nach der von der belangten Behörde als Versagungstatbestand herangezogenen Bestimmung des §4 Abs2 litb GVG 1970 darf natürlichen Personen, welche - wie die Beschwerdeführerin - die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen (§1 Abs1 Z2 lita leg. cit.), die nach §3 Abs1 lita leg. cit. (zum Grundstückserwerb) erforderliche Zustimmung nur erteilt werden, "wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht"; ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt "insbesondere" dann vor, "wenn das zu erwerbende Grundstück in einem wegen seiner Lage und Erschließung besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet liegt und das darauf bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll."

Die belangte Behörde stellte in der Begründung des angefochtenen Bescheides als amtsbekannt fest, daß sich das Kaufgrundstück samt zweigeschoßigem Einfamilienhaus in einem mit zahlreichen Wohnobjekten inländischer Staatsbürger verbauten, vollkommen erschlossenen und vom Ortszentrum (E.) nur wenige 100 m entfernten Gebiet befinde, das demnach (wegen seiner Lage und Erschließung) für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit bestens geeignet sei. Die belangte Behörde stellte - auf Grund des Akteninhalts - ferner fest, daß die Beschwerdeführerin im Jahr 1930 geboren, in der BRD wohnhaft und dort als kaufmännische Angestellte beschäftigt sei; sie leitete daraus ab, daß die Beschwerdeführerin angesichts ihres Alters, ihres Wohnsitzes und des Ortes ihrer Berufsausübung keinen ständigen Wohnbedarf in E. habe. Da im Gebirgsland Tirol Baugrundstücke ohnedies nur spärlich vorhanden seien und der Wohnbedarf der einheimischen Bevölkerung kontinuierlich zunehme, liege - fährt die belangte Behörde sinngemäß fort - auf der Hand, daß eine Benützung des Kaufgrundstückes nur in den Ferien, wie sie der Beschwerdeführerin offenstehe, sozialpolitische Interessen iS des GVG 1970 verletze.

Der VfGH hat nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den Tatsachen entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des GVG 1970 richtig ist:

Keinesfalls kann die Begründung des Berufungsbescheides als denkunmöglich beurteilt werden, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht. So ist es entgegen der in der Beschwerdeschrift ausgedrückten Meinung keineswegs denkunmöglich, wenn die belangte Behörde amtsbekannte Tatsachen zur Ortsbeschaffenheit als nicht beweisbedürftig behandelte. Das gleiche gilt für die aus Alter, Wohnsitz und Beschäftigungsort der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung gezogenen tatsächlichen Schlußfolgerungen in der Frage des dauernden Wohnbedarfs, mögen sie nun zutreffen oder nicht. Die Beschwerdeführerin ist aber auch nicht im Recht, wenn sie die dem angefochtenen Bescheid ersichtlich zugrundeliegende Rechtsauffassung, nur der Versagungstatbestand des §4 Abs2 lita GVG 1970, nicht aber jener der litb dieser Gesetzesstelle verlange den drohenden Eintritt einer Überfremdung, unter Behauptung bestimmter Zielrichtungen des GVG als denkunmöglich rügt; denn die Rechtsmeinung der belangten Behörde findet im Gesetzeswortlaut (nur lita des §4 Abs2 GVG 1970 nennt die Überfremdung) durchaus Deckung. Im übrigen führt das GVG 1970 die Tatbestände der lita und b seines §4 Abs2 bloß als Beispielsfälle dafür an, wann ein Rechtserwerb der in Rede stehenden Art im Widerspruch zu staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen steht. Soweit die Beschwerdeausführungen darauf hinauslaufen, daß die Landesgrundverkehrsbehörde die erbetene Genehmigung wegen der schon bisher nur fallweisen Nutzung der Liegenschaft und der seinerzeit dem nunmehrigen Verkäufer W.A. als Ausländer erteilten Zustimmung zum Erwerb des Grundstückes hätte gewähren müssen, ist lediglich zu entgegnen, daß es keiner Gesetzlosigkeit gleichkommt, wenn die Behörde den mit Kaufvertrag vom 13. Februar 1976 begründeten Eigentumserwerb der Beschwerdeführerin losgelöst von dem des (Ausländers) W.A. - selbständig - würdigte und beurteilte: In Wahrheit sucht die Beschwerdeführerin nach Inhalt und Zielsetzung ihrer weitwendigen Darlegungen letztlich nur die einfachgesetzliche Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides nachzuweisen, ohne eine der Landesgrundverkehrsbehörde unterlaufene - und hier allein maßgebende - denkunmögliche Gesetzeshandhabung aufzuzeigen.

2.1.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.

2.2. Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor. Ebensowenig entstanden aus der Sicht dieses Beschwerdefalles Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Ausländergrunderwerb, Überfremdung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B162.1978

Dokumentnummer

JFT_10189773_78B00162_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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