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63 Allgemeines Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
BDG 1979; keine Bedenken gegen §112 Abs1 im Hinblick auf das Gleichheitsgebot; keine willkürliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 10. April 1980, Z 3 Ds 4/80-4, wurde gegen den Gruppeninspektor des Gefangenenhauses des Landesgerichtes Innsbruck H.K. gemäß §123 Abs1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er im Verdacht stehe, am 15. Oktober 1979 einen Häftling "zu wiederholten Malen geschlagen, getreten, gestoßen (geschupft), zu Boden geschlagen und eine Stiege hinuntergestoßen" und dadurch eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben; zugleich wurde dieses Disziplinarverfahren gemäß §114 Abs1 BDG 1979 bis zur rechtskräftigen Beendigung des deshalb bereits anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens (AZ 28 Vr 1468/80 des Landesgerichtes Innsbruck) unterbrochen.
1.2. Mit Beschluß der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 14. Juli 1980, Z 3 Ds 19/80-5, wurde H.K. gemäß §112 Abs1 BDG 1979 mit sofortiger Wirksamkeit vom Dienst suspendiert.
In den Gründen dieser Entscheidung wurde - sinngemäß kurz zusammengefaßt - ausgeführt, die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung, sollte sie ein unabhängiges Gericht als erwiesen annehmen, sei ungeachtet der leichten Natur der zugefügten Verletzung wegen der spezifischen Stellung eines Strafvollzugsbeamten als besonders schwerwiegend anzusehen. Eine Belassung des Beamten im Dienst würde von der Öffentlichkeit nicht verstanden werden, gefährde also das Ansehen des Amtes, wie dies §112 Abs1 BDG 1979 für eine Suspendierung verlange.
1.3. Mit Beschluß der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 11. September 1980, Z 62/5-Dok/80, wurde der Berufung des H.K. gegen diese Entscheidung der Disziplinarkommission nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
1.4.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des H.K. an den VfGH, in der - mit Beziehung auf Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG, Art66 (Abs1) des Staatsvertrags von Saint-Germain, StGBl. 303/1920, Art6 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. 152/1955, und Art14 MRK - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Beschlusses, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
1.4.2. Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Durch den - die Suspendierung bestätigenden - Beschluß der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt werden Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers bindend gestaltet; der angefochtene "Beschluß" dieser Verwaltungsbehörde ist daher ein Bescheid iS des Art144 Abs1 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 (zur soweit vergleichbaren Rechtslage nach der Dienstpragmatik RGBl. 15/1914 s. VfSlg. 4732/1964).
Da über die Rechtmäßigkeit der Suspendierung keine Verwaltungsinstanz mehr zu befinden hat, ist der Instanzenzug erschöpft (§§99, 102, 112 Abs4 BDG 1979). Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor, die Beschwerde ist zulässig.
2.2. Rechtsgrundlage des bekämpften Bescheides bildet die Vorschrift des §112 Abs1 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979), BGBl. 333/1979, die im hier maßgebenden Umfang lautet:
"Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat ..., wenn ... ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission bereits anhängig ist, diese, den Beamten vom Dienst zu suspendieren."
2.3.1. Vorweg ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß mit seiner Berufung auf Art6 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. 152/1955, die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes schon deshalb nicht dargetan werden kann, weil diese Norm nicht Verfassungsrang genießt (VfSlg. 6240/1970, 6762/1972, 8146/1977); denn dieser Artikel scheint nicht unter jenen Bestimmungen auf, die durch ArtII Z3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 4. März 1964, BGBl. 59/1964, gemäß Art50 Abs2 in Verbindung mit Art44 Abs1 B-VG genehmigt wurden. Soweit sich der Beschwerdeführer - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz - auf Art14 MRK beruft, ist ihm zu erwidern, daß diese im Verfassungsrang stehende staatsvertragliche Bestimmung zwar allen Menschen den Genuß der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten gewährleistet, doch befindet sich darunter nicht ein Recht auf Gleichheit aller vor dem Gesetz (VfSlg. 7138/1973).
Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG, Art66 Abs1 des Staatsvertrages von Saint-Germain, StGBl. 303/1920, in Verbindung mit Art149 Abs1 B-VG), wie sie der Beschwerdeführer behauptet, kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.
2.3.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.
2.3.2.2. Da es auch an jeglichen Hinweisen dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das Gleichheitsrecht lediglich dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
In diese Richtung zielen die weitwendigen Beschwerdeausführungen, die sich in Wahrheit jedoch hauptsächlich gegen die - vom VfGH nicht nachzuprüfende - einfachgesetzliche Richtigkeit des angefochtenen Bescheides wenden: Weder die Verwaltungsakten noch der Ablauf des Verwaltungsgeschehens ergeben irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde sich bei der Suspendierung des Beschwerdeführers von unsachlichen Motiven hätte leiten lassen. Gegen den Beschwerdeführer lief zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides beim Landesgericht Innsbruck das zu 1.1. bezeichnete Strafverfahren (AZ 28 Vr 1468/80) wegen des Verdachtes des Vergehens der Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach den §§83 Abs1, 313 StGB, in dem am 13. Mai 1980 bereits ein schuldigsprechendes (Erst-)Urteil ergangen war: Wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Hinblick auf dieses laufende Strafverfahren - das Ersturteil wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck als Rechtsmittelgericht infolge Berufung des Angeklagten am 18. Juli 1980 unter Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht aufgehoben - der Häftlingsmißhandlung verdächtig erachtete und - ausgehend von der zuletzt in der Gegenschrift sinngemäß verfochtenen Ansicht, es sei ein Wesensmerkmal rechtsstaatlichen Strafvollzuges, daß darin rechtswidrige Gewalt keinen Platz finde - zum Ergebnis gelangte, die Belassung des Beschuldigten im Dienst gefährde ua. das Ansehen des Amtes, so kann ihr Bemühen um richtige Auslegung des §112 Abs1 BDG 1979 und damit um eine gesetzmäßige Entscheidung nicht bezweifelt werden. Ob dieses Bestreben von Erfolg begleitet war, hat aber - wie schon eingangs erwähnt - nicht der VfGH, sondern ausschließlich der VwGH zu entscheiden: Ein das Gleichheitsrecht verletzender Willkürakt wäre der belangten Behörde im gegebenen Zusammenhang jedenfalls nur dann vorzuwerfen, wenn ihr Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in besonderem Maße mit Rechtsvorschriften im Widerspruch stünde (zB VfSlg. 5013/1965, 7475/1975), wovon vorliegend nicht gesprochen werden kann.
Aber auch aus der Beschwerdeeinrede, in einigen früher geführten Disziplinarverfahren (gegen Justizwachebeamte ua.) sei es nicht zu Suspendierungen gekommen, ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Daraus ließe sich unter den gegebenen Umständen selbst dann nicht Willkür der belangten Behörde im gegenständlichen Fall ableiten, wenn die Beschwerdebehauptungen über diese anderen Disziplinarverfahren in tatsächlicher Hinsicht zuträfen und die den dort verfolgten Beamten zur Last liegenden Verfehlungen mit sämtlichen für eine erschöpfende Beurteilung nach §112 Abs1 BDG 1979 maßgebenden Begleitumständen in allen Einzelheiten der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat vollkommen entsprochen hätten; denn ein allfälliges Fehlverhalten einer Behörde gäbe anderen Personen kein Recht auf ein gleichartiges rechtswidriges Vorgehen (vgl. VfSlg. 6992/1973, 7962/1976). Auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erk. VfSlg. 2167/1951 - das in der Beschwerdeschrift gleichfalls angeführte Erk. VfSlg. 1233/1929 betrifft nicht Art7 Abs1 B-VG - vertrat der VfGH im übrigen die Meinung, es könne nur dann von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes die Rede sein, wenn subjektive, in der Person des Betroffenen gelegene Momente für die Entscheidung im Einzelfall bestimmend waren und die Behörde auf diese Art zu einer anderen Entscheidung gelangte als in sonstigen Fällen mit gleichem rechtlich relevantem Tatbestand, was hier - wie bereits dargetan - nicht zutrifft.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist letztlich auch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Wendung, die Behörde "vermeine" sich der Auffassung der Disziplinarkommission anschließen zu müssen, keineswegs als Indiz für Willkür zu werten, denn die sprachliche Fassung der Entscheidungsgründe läßt insgesamt keinen Zweifel daran, daß hier "vermeinen" iS von "dafürhalten", nicht hingegen - wie der Beschwerdeführer behauptet - in der Bedeutung von "irrtümlich glauben" gebraucht wurde und zu verstehen ist.
Die Beschwerdeausführungen zur Unschuldsvermutung des Art6 Abs2 MRK gehen schließlich schon deshalb ins Leere, weil die Disziplinarkommission - und mit ihr die belangte Behörde - keineswegs zugrunde legte, daß der Beschwerdeführer der ihm zur Last fallenden gerichtlich strafbaren Handlung schuldig sei, sondern lediglich - und zwar im Hinblick auf das anhängige gerichtliche Strafverfahren - einen konkreten Tatverdacht bejahte, wie ihn eine Suspendierung nach §112 Abs1 BDG 1979 voraussetzt.
2.3.3. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurde.
2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
Ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Dienstrecht, Disziplinarrecht Beamte, Suspendierung, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, BescheidbegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B512.1980Dokumentnummer
JFT_10189773_80B00512_00