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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Fremdenpolizeigesetz; keine Bedenken gegen §3 Abs1 und Abs2 litb; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter RechteSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der 20 Jahre alte Beschwerdeführer ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er hält sich bei seiner Familie seit etwa 10 Jahren im Bundesgebiet auf.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vbg. hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Oktober 1980 über den Beschwerdeführer gemäß §3 Abs1 und §3 Abs2 litb iVm §4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954 (FrPG), ein bis zum 31. Dezember 1990 befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.
Dieser Berufungsbescheid bezieht sich auf zwei gegen den Beschwerdeführer ergangene rechtskräftige Strafurteile: Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. August 1976, AZ 14 Vr 1850/75, wurde der Beschwerdeführer zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, wegen des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch, des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen und des Vergehens der Hehlerei verurteilt. (Insbesondere hatte der Beschwerdeführer als Mitglied einer aus Jugendlichen bestehenden Diebsbande im Jahre 1975 zahlreiche Einbruchsdiebstähle begangen.) Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. Mai 1980, AZ 14 Vr 679/80, wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, im NEF zu 60 Tagen Freiheitsstrafe wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung verurteilt. (Der Beschwerdeführer hatte im Laufe einer Auseinandersetzung am 5. März 1978 eine andere Person durch Faustschläge und Fußtritte gegen das Gesicht vorsätzlich schwer verletzt.)
In der Begründung des zitierten Bescheides wird darauf hingewiesen, daß die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Fremdenpolizeibehörde erster Instanz den Beschwerdeführer aus Anlaß der erstgenannten Straftat aufmerksam gemacht hat, er habe bei einem erneuten Rechtsbruch ohne Rücksicht auf seine persönlichen Verhältnisse (alle seine Familienangehörigen wohnen in Österreich) mit einem Aufenthaltsverbot zu rechnen.
Der Beschwerdeführer habe in den letzten Jahren zwei gravierende Rechtsbrüche begangen; den zweiten Rechtsbruch habe er zwei Jahre nach Androhung eines Aufenthaltsverbotes gesetzt. Der Aufenthalt von Fremden, die sich durch Gerichtsurteile und verwaltungsbehördliche Maßnahmen (Androhung eines Aufenthaltsverbotes) nicht dazu bewegen lassen, die österreichische Rechtsordnung zu beachten, stelle nach Ansicht der Behörde eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Die Tatsache, daß der Fremde innerhalb relativ kurzer Zeit rückfällig wurde, gebe wohl kaum zur Annahme Berechtigung, daß er sich künftig wohlverhalten werde. Den vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen habe die entscheidende Behörde unter Wahrung des öffentlichen Interesses an der Außerlandschaffung des Fremden nicht soviel Gewicht beimessen können, daß zu seinen Gunsten hätte entschieden werde können.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Art8 MRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §3 FrPG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die belangte Behörde, vertreten durch die Finanzprokuratur, hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf §3 Abs1 und Abs2 litb FrPG.
Diese Bestimmungen lauten:
"§3. (1) Gegen Fremde, deren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft, kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.
(2) Insbesondere kann ein Aufenthaltsverbot gegen Fremde erlassen werden,
...
b) die aus anderen Gründen von einem in- oder ausländischen Gericht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden oder sonst von einem inländischen Gericht oder einer inländischen Verwaltungsbehörde mehr als einmal aus Gewinnsucht oder aus anderen unehrenhaften Motiven begangener Handlungen wegen bestraft worden sind;
..."
b) Zur Widerlegung des Beschwerdevorbringens, diese Gesetzesbestimmungen verstießen gegen den auf Verfassungsstufe stehenden Art8 MRK (der das Recht auf Achtung des Familienlebens einräumt), weil sie ermöglichten, daß eine Familie durch fremdenpolizeiliche Maßnahmen getrennt wird, genügt es, auf das hg. Erk. VfSlg. 8792/1980 zu verweisen.
Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, beim VfGH Bedenken gegen §3 FrPG hervorzurufen.
§3 Abs1 FrPG determiniert das Verhalten der Verwaltung in ausreichendem Maße. Dies gilt auch für die Wendung "oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft", da sich ihr Inhalt aus dem Zusammenhalt mit den übrigen Vorschriften des Gesetzes und den daraus ableitbaren Zielen ausreichend präzisieren läßt.
Der VfGH hat auch gegen die anderen, den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 8996/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur). Der Beschwerdeführer ist sohin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
2. a) Der Beschwerdeführer erhebt den Vorwurf, die belangte Behörde habe - entgegen dem Art8 MRK - seine "Familien- und persönlichen Lebensverhältnisse" weder erhoben noch schienen diese in der Begründung des bekämpften Bescheides auf. Die Eltern und sämtliche Geschwister des Beschwerdeführers lebten - was im übrigen unbestritten geblieben ist - seit etwa 10 Jahren ständig in Österreich. Der Beschwerdeführer habe vier Jahre lang in Bregenz die Schule besucht und hier auch die Berufsschule absolviert. Er spreche die Landessprache wie ein hier Geborener. Er sei ein guter und ruhiger Arbeiter.
b) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8792/1980 dargetan, daß bei Anwendung des §3 Abs1 und 2 FrPG auch auf die familiären Verhältnisse des Fremden Bedacht zu nehmen sei; diese seien den öffentlichen Interessen daran, daß der Fremde sich nicht im Bundesgebiet aufhält, gegenüberzustellen.
Der VfGH bleibt bei dieser Rechtsprechung. Die zitierten Gesetzesbestimmungen entsprechen nämlich nur bei dieser Auslegung dem Art8 MRK.
Die belangte Behörde hat sich diese Auslegung zu eigen gemacht. Im letzten Absatz der Begründung des bekämpften Bescheides wird nämlich die erwähnte Interessenabwägung vorgenommen, obgleich sie nicht näher begründet wird. Im Ergebnis kann ihr der VfGH folgen.
3. a) Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das Gesetz sehe die Androhung eines Aufenthaltsverbotes nicht vor; daher sei es auch nicht zulässig gewesen, im angefochtenen Bescheid auf die anläßlich der ersten strafgerichtlichen Verurteilung erfolgte Androhung, der Beschwerdeführer habe im Fall eines neuerlichen Rechtsbruches mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechnen, Bedacht zu nehmen.
b) Darauf ist zu erwidern: Das FrPG enthält zwar tatsächlich keine Vorschriften über die Androhung eines Aufenthaltsverbotes. Die Fremdenpolizeibehörde erster Instanz war dennoch verhalten, bereits nach der ersten strafgerichtlichen, ihr zur Kenntnis gelangten Verurteilung des Beschwerdeführers zu überlegen, ob sie über ihn ein Aufenthaltsverbot zu verhängen habe. Nichts hat die Behörde gehindert, das Ergebnis ihrer Überlegungen - wenngleich ohne normative Wirkung - dem Beschwerdeführer bekanntzugeben und ihn auf mögliche künftige Rechtsfolgen aufmerksam zu machen. Ein derartiges Vorgehen war zweckmäßig, und zwar auch aus dem Gesichtspunkt des Beschwerdeführers.
Keinesfalls stellt es einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler dar, wenn die belangte Behörde bei Beurteilung der Frage, ob sie gegen den Beschwerdeführer (im Hinblick auf sein Gesamtverhalten) ein Aufenthaltsverbot erlassen solle, auch die seinerzeit erfolgte Androhung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt hat.
4. a) Der Beschwerdeführer behauptet schließlich, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach §5 Abs2 des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, verletzt worden zu sein.
b) Zu diesem Beschwerdevorbringen ist auf das hg. Erk. VfSlg. 8607/1979 zu verweisen. Darin wird dargetan, daß Fremde gegen eine Einzelausweisung aus dem Bundesgebiet verfassungsgesetzlich nicht geschützt sind.
5. Ob die Behörde im übrigen eine richtige Entscheidung getroffen hat, hatte der VfGH nicht zu beurteilen; insbesondere hatte er nicht festzustellen, ob es die beiden, von der belangten Behörde herangezogenen strafgerichtlichen Urteile rechtfertigen, das Aufenthaltsverbot (auch) auf §3 Abs2 litb FrPG zu gründen.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
Schlagworte
Fremdenpolizei, Aufenthaltsverbot, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B572.1980Dokumentnummer
JFT_10189772_80B00572_00