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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / StaatsangehörigkeitLeitsatz
Fremdenpolizeigesetz; keine Bedenken gegen §6 Abs2; kein Entzug des gesetzlichen Richters und keine Verletzung nach Art13 MRKSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. a) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vbg. vom 3. Oktober 1980 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §3 Abs1 und 2 litb iVm §4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954 (FrPG), ein bis zum 31. Dezember 1990 befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.
Gegen diesen Bescheid hat sich die zu B572/80 am 15. November 1980 zur Post gegebene Verfassungsgerichtshofbeschwerde gewendet, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden war. Diesem Antrag wurde mit hg. Beschluß vom 15. Dezember 1980 keine Folge gegeben. Die Beschwerde selbst wurde mit hg. Erk. vom heutigen Tage abgewiesen.
b) Der Beschwerdeführer hat am 17. Oktober 1980 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Fremdenpolizeibehörde 1. Instanz gemäß §6 Abs2 FrPG den Antrag gestellt, die Vollstreckung dieses Aufenthaltsverbotes aufzuschieben.
Diesem Antrag hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 6. November 1980 nicht stattgegeben.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (§6 Abs2 FrPG) in seinen Rechten verletzt zu sein; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.
3. Die belangte Behörde (vertreten durch die Finanzprokuratur) hat begehrt, die Beschwerde abzuweisen, in eventu (mangels gesetzmäßiger Ausführung) zurückzuweisen und der belangten Behörde Kosten zuzusprechen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach §11 Abs4 FrPG ist gegen Bescheide, mit denen ein Antrag auf Bewilligung eines Vollstreckungsaufschubes abgewiesen wird, eine Berufung nicht zulässig.
Der administrative Instanzenzug ist sohin erschöpft.
Zu dem von der belangten Behörde erhobenen Vorwurf, die Beschwerde sei deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht konkret darlege, "welche genau zu bezeichnenden Punkte des angefochtenen Bescheides welchen konkreten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten des Beschwerdeführers widersprechen würden", ist auf §82 Abs3 VerfGG zu verweisen, wonach die Behauptung, in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein, für die Zulässigkeit der Beschwerde ausreicht. (Es ist nicht erforderlich, daß dieses Recht näher bezeichnet wird.) Eine derartige Behauptung liegt hier vor.
Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. a) Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich dagegen, daß die Behörde den Antrag auf Bewilligung des Vollstreckungsaufschubes zu einem Zeitpunkt abgelehnt hat, in dem über den Antrag, der an den VfGH gerichteten Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, noch nicht entschieden worden war; hiefür bringt er mehrere Argumente vor:
Der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter: Gemäß §85 Abs2 VerfGG habe der VfGH unter bestimmten Voraussetzungen einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; nach §85 Abs3 leg. cit. sei die Behörde verpflichtet, diesfalls den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Zur Beurteilung, ob einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, sei ausschließlich der VfGH zuständig. Ehe dieser entschieden hat, sei die Verwaltungsbehörde nicht berufen, über den Antrag auf Vollstreckungsaufschub in irgendeiner Weise zu erkennen.
§6 Abs2 FrPG sei verfassungswidrig. Art144 B-VG iVm §85 Abs2 VerfGG sei gegenüber dieser Gesetzesbestimmung als "höherwertige Bestimmung" zu betrachten. Demnach müßte §6 FrPG vorsehen, daß im Falle einer Verfassungsgerichtshof- oder Verwaltungsgerichtshofbeschwerde abzuwarten ist, ob der angerufene Gerichtshof der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennt.
Möglicherweise lasse aber §6 Abs2 FrPG eine verfassungskonforme Auslegung derart zu, daß unter den hier vorgesehenen "triftigen Gründen" auch der Umstand zu verstehen sei, daß eine Beschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechtes, verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung, anhängig ist.
Schließlich sei der Beschwerdeführer durch den sofortigen Vollzug des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes in seinem Recht auf eine (insbesondere auch materiell) wirksame Beschwerde iS des Art13 MRK (iVm Art8 MRK) verletzt worden. Eine tatsächlich wirksame Beschwerde etwa wegen Verletzung des durch Art8 MRK festgelegten Rechtes auf Achtung des Familienlebens (ein Aufenthaltsverbot könne zur Zerreißung der Familie führen) könne nicht durch Berufung an die Sicherheitsdirektion, sondern nur durch Beschwerde an den VfGH oder an den VwGH verbürgt werden; die Sicherheitsdirektion arbeite eng mit den Fremdenpolizeibehörden 1. Instanz zusammen und erteile diesen bindende Weisungen.
b) Die belangte Behörde (die Bezirkshauptmannschaft Bregenz) war gemäß §11 Abs1 FrPG zuständig, über den Antrag auf Bewilligung eines Vollstreckungsaufschubes zu entscheiden. §85 Abs2 VerfGG schließt diese allgemeine Zuständigkeit der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn nach für den Fall aus, daß eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde, verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegen den Bescheid, mit dem ein Aufenthaltsverbot über einen Fremden verhängt worden ist, eingebracht wurde. Der Beschwerdeführer ist sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der VfGH hat gegen §6 Abs2 FrPG auch dann, wenn er den von der Behörde angenommenen Inhalt hat, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. §85 Abs2 VerfGG steht auf derselben Stufe wie §6 Abs2 FrPG; die erste Bestimmung kann daher nicht Maßstab für die zweite sein. Art144 B-VG besagt darüber, daß und unter welchen Voraussetzungen einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, nichts. §6 Abs2 FrPG kann daher auch nicht mit dieser Verfassungsbestimmung in dem vom Beschwerdeführer angenommenen Widerspruch stehen.
Sowohl gegen einen Bescheid, mit dem ein Aufenthaltsverbot verhängt wird, als auch gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Bewilligung des Vollstreckungsaufschubes abgelehnt wird, kann gemäß Art144 B-VG beim VfGH Beschwerde erhoben und darin auch die Verletzung von Rechten geltend gemacht werden, die durch die MRK (verfassungsgesetzlich) gewährleistet sind. Jedenfalls dieses Rechtsmittel ist eine "wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz" iS des Art13 MRK.
3. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden wäre. Insbesondere kann der Beschwerdeführer im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden sein, da er nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt (vgl. zB VfSlg. 8996/1980).
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war also abzuweisen.
Schlagworte
Fremdenpolizei, Aufenthaltsverbot, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Wirkung aufschiebende, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B573.1980Dokumentnummer
JFT_10189772_80B00573_00