TE Vfgh Beschluss 1981/3/4 V44/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.1981
beobachten
merken

Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV des Gemeinderates der Gemeinde Schörfling 11.11.80

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Prüfung der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Schörfling a.A. vom 11. November 1980, Z Pol-11-1980, betreffend Ausübung der Prostitution in einem bestimmten Haus; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1.a) Die Einschreiterin ist den Antragsausführungen zufolge Eigentümerin des Hauses Kammer, Peter-Rosegger-Weg Nr. 11, Marktgemeinde Schörfling a.A. Sie habe dieses Haus an eine Frau vermietet; es komme vor, daß diese "ihren Körper dann und wann gegen Bezahlung hingebe"; die Einladung erfolge ausschließlich durch Zeitungsinserate.

b) Der Gemeinderat der Marktgemeinde Schörfling a.A. hat am 11. November 1980 unter Z Pol-11-1980 die folgende Verordnung beschlossen:

"Gemäß §94 der O.Ö. Gemeindeordnung 1979, LGBl. Nr. 119/1979, wird nachstehende

Verordnung

des Gemeinderates der Marktgemeinde Schörfling a. A. vom 11. November 1980 betreffend das Verbot der Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken kundgemacht:

Auf Grund des §2 Abs3 des O.Ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, wird verordnet:

§1

Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken im Hause Kammer, Peter-Rosegger-Weg Nr. 11 in der Marktgemeinde Schörfling a.A. ist verboten.

§2

Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 50.000,- zu bestrafen.

§3

Diese Verordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."

Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 12. bis 27. November 1980 kundgemacht.

2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt die Einschreiterin, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Ein Antrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung einer Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit ist nur zulässig, wenn die Verordnung für die Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. Die bekämpfte Verordnung ist aber für die Antragstellerin nicht unmittelbar wirksam geworden:

Die Antragstellerin führt aus, die angefochtene Verordnung greife deshalb in ihre Rechtssphäre ein, weil sie das ihr nach §354 ABGB zustehende Eigentumsrecht am erwähnten Haus beschränke. Dieser Eingriff in die Rechtssphäre erfolge unmittelbar durch die Verordnung, da kein Bescheid an die Einschreiterin ergangen sei.

Es war nur auf die von der Antragstellerin ins Treffen geführten Auswirkungen der Verordnung einzugehen und zu untersuchen, ob sie solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG vorsieht (vgl. zB VfSlg. 8060/1977).

Diese Frage ist zu verneinen: Der Antragstellerin wird durch die bekämpfte Verordnung nicht verboten, ihr Haus überhaupt oder an eine bestimmte Person zu vermieten. Ebensowenig wird durch die Verordnung ein bestehender Vertrag (etwa der bestehende Mietvertrag) geändert. Hiedurch unterscheidet sich dieser Fall von ähnlichen Fällen, in denen Verordnungsprüfungsanträge vom VfGH für zulässig erklärt wurden (vgl. etwa VfSlg. 8212/1977, mit welchem Erk. ein auf Aufhebung von Bestimmungen der Verordnungen betreffend die Festsetzung von Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung und betreffend die Festsetzung eines Tarifes für die Kfz-Haftpflichtversicherung gerichteter Individualantrag zugelassen wurde, da unmittelbar durch diese Verordnung ein bestehender Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag geändert wurde; vgl. weiters VfSlg. 8396/1978, mit welchem Erk. die Anfechtung einer Naturschutzverordnung für zulässig erklärt wurde, weil durch die Verordnung der Inhalt des Rechtes, das die anfechtende Jagdgenossenschaft an den Jagdpächter weitergegeben hatte, verändert worden war). Wenn die derzeitige Mieterin des Hauses wegen des mit der angefochtenen Verordnung verfügten Verbotes, dort die Prostitution auszuüben, den Mietvertrag löst oder nicht verlängert, handelt es sich um wirtschaftliche Auswirkungen der Norm (nicht aber um einen Eingriff in das Recht der Antragstellerin, ihr Haus nach ihrem Belieben vermieten zu können). Solche Reflexwirkungen allein stellen aber keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen dar (vgl. zB VfSlg. 8009/1977, 8060/1977, 8670/1979). Der Antragstellerin fehlt sohin die Legitimation zur Anfechtung der Verordnung. Ihr Antrag war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Prostitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V44.1980

Dokumentnummer

JFT_10189696_80V00044_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten