TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/7 B243/78

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Veröffentlicht am 07.03.1981
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
StGG Art6 / Erwerbsausübung
Nö JagdG 1974 §2
Nö JagdG 1974 §7 Abs6, §7 Abs8
Nö JagdG 1974 §12 Abs5
Nö JagdG 1974 §95 Abs1 Z8

Leitsatz

Nö. Jagdgesetz 1974; keine Bedenken gegen §§7 Abs4 und 95 Abs1 Z8; denkunmögliche Anwendung des §95 Abs1 Z8

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 12. Juli 1977 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §7 Abs2 und 4 des Nö. Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-2 (im folgenden JG), unter näheren Vorschreibungen die Bewilligung erteilt, ab der mit 1. Jänner 1978 beginnenden Jagdperiode für die Zucht der Wildarten Damwild und Muffelwild auf näher beschriebenen und der Größe nach bestimmten Grundflächen der KG H. ein Wildgehege in der Form eines Zuchtgeheges herzustellen und zu betreiben.

Gemäß §7 Abs8 JG wurde die Höchstzahl des im Zuchtgehege zu haltenden Wildes mit 24 Stück Damwild oder 20 Stück Damwild und 8 Stück Mufflon bestimmt.

1.2. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 7. September 1977 wurde gemäß §12 Abs4 JG das in der KG H. gelegene Genossenschaftsjagdgebiet in dem Ausmaß festgestellt, in dem es sich durch die Ausscheidung der Grundflächen, auf die sich das mit Bescheid vom 12. Juli 1977 genehmigte Zuchtgehege erstreckte, vermindert hat.

2. Entsprechend der von der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs erteilten Bewilligung setzte der Beschwerdeführer daraufhin 10 Stück Damwild und 8 Mufflon in seinem Zuchtgehege ein; in der Folge stellte der Beschwerdeführer nach Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs den Antrag, gemäß §95 Abs1 Z8 JG die Genehmigung zur Haltung von Muffel- und Damwild in bereits eingesetztem Ausmaße im Jagdgehege zu erteilen.

Nach Einholung eines Gutachtens eines jagd- und forstfachlichen Amtssachverständigen wurde der Antrag mit dem Bescheid der Nö. Landesregierung vom 27. Feber 1978 gemäß §95 Abs1 Z8 JG abgewiesen.

Der Bescheid ist wie folgt begründet:

"Gemäß §95 Abs1 Z8 NÖ JG 1974 bedarf es einer besonderen Bewilligung der Landesregierung, landfremde oder solche Wildarten auszusetzen, die in dem Jagdgebiet nicht oder nicht mehr vorkommen. Die Tatsache, daß Dam- und Muffelwild im Bezirk Scheibbs bzw. im benachbarten Bezirk bereits vorkommt, ändert nichts daran, daß es sich bei den genannten Wildarten um solche handelt, die nicht dem autochthonen Wildbestand zugehören. Das bereits festzustellende Vorkommen gründet sich jeweils auf Ausnahmegenehmigungen, die noch vor Änderung des NÖ Jagdgesetzes erteilt worden sind. Was den Hinweis des Antragstellers anlangt, daß die bereits ausgesetzten Tiere nur wieder in anderen Gehegen ausgesetzt werden sollen, muß auf die Vorschrift des §7 Abs4 leg. cit. verwiesen werden, wonach in bewilligten Zuchtgehegen unter Bedachtnahme auf Auslesegrundsätze die Zucht hochwertigen Wildes überwiegend zum Zweck der Abgabe lebender Zuchtprodukte Gegenstand des Unternehmens sein soll. Diese Vorschrift ist nun dahin aufzufassen, daß hochwertiges gezüchtetes Wild zur Verbesserung des Wildbestandes der freien Wildbahn verwendet wird. Eine Züchtung zur ausschließlichen Abgabe einzelner Wildstücke an andere Zuchtgehege entspricht nicht der Zielsetzung der zitierten jagdrechtlichen Vorschriften. Der Meinung des Sachverständigen, es sei nicht sinnvoll, Zuchtprodukte zwischen einzelnen Zuchtgehegen untereinander auszutauschen, weil dann die Zucht Selbstzweck wäre, muß daher beigepflichtet werden. Sofern aber das gezüchtete Wild von Dritten in der freien Wildbahn ausgesetzt würde, müssen ebenfalls die Bedenken des Sachverständigen unterstrichen werden, denen zufolge das Aussetzen landfremder Wildarten letztlich die heimische Fauna beeinträchtigen müßte. Soweit der Antragsteller vorbringt, er beabsichtige lebende Stücke nur in minimalem Umfang an andere Gehege weiterzugeben, widerspricht auch dies der Zielsetzung des §7 Abs4 leg. cit., wonach die Abgabe lebender Zuchtprodukte überwiegen muß."

3. Gegen den Bescheid der Nö. Landesregierung vom 27. Feber 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf freie Erwerbsausübung (Art6 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt worden zu sein. Er stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §95 Abs1 Z8 JG ist es verboten, ohne besondere Bewilligung der Landesregierung landfremde oder solche Wildarten auszusetzen, die in dem Jagdgebiet nicht oder nicht mehr vorkommen.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser die tragende Grundlage des angefochtenen Bescheides bildende Vorschrift sind vom Beschwerdeführer Bedenken nicht vorgebracht worden.

Der VfGH hat gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken. In ihr sind zwar Kriterien für die Erteilung oder Versagung einer Bewilligung der Aussetzung der darin angeführten Wildarten nicht enthalten. Dennoch ist der VfGH der Meinung, daß das Verhalten der Behörde bei der Anwendung dieser Bestimmung durch den Inhalt des Gesetzes, insbesondere durch die Bestimmung des §2, den Erfordernissen des Art18 Abs1 B-VG entsprechend bestimmt ist.

Soweit der Beschwerdeführer "möglicherweise im Rahmen der gegenständlichen Beschwerde nicht relevante" verfassungsrechtliche Bedenken gegen §7 Abs4 JG geltend macht, ist zu bemerken, daß diese Norm eine gesetzlich zulässige Beschränkung der Jagdausübung und damit zufolge des in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehaltes auch eine zulässige Beschränkung der allenfalls damit verbundenen Erwerbsausübung darstellt. Die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtlich unbedenklich.

2.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8266/1978).

2.2. Es ist daher zu prüfen, ob die Bestimmung des §95 Abs1 Z8 JG, wonach es verboten ist, ohne Bewilligung der Landesregierung landfremde oder solche Wildarten auszusetzen, die in dem Jagdgebiet nicht oder nicht mehr vorkommen, denkmöglich angewendet wurde. Dies kann nur dann zutreffen, wenn ein bewilligtes Zuchtgehege ein Jagdgebiet ist oder zu einem Jagdgebiet gehört.

2.3. Nach §7 JG fallen unter den Begriff des Wildgeheges sowohl Jagdgehege (Abs1) als auch Schau- und Zuchtgehege (Abs2). Im vorliegenden Fall wurde durch die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs die Herstellung und der Betrieb eines Wildgeheges in der Form eines Zuchtgeheges unter den im Bescheid näher bezeichneten Auflagen bewilligt. Nach Abs8 hat hiebei die Bezirksverwaltungsbehörde für die einzelnen Wildgehege jeweils die Höchstanzahl des zu haltenden Wildes zu bestimmen, die nicht überschritten werden darf. Bei Überschreitung der Höchstanzahl hat die Bezirksverwaltungsbehörde die entsprechende Verminderung des Wildstandes zu verfügen. Sowohl die Bestimmung der Höchstanzahl des zu haltenden Wildes als auch bei Überschreitung der Höchstanzahl die Verfügung der entsprechenden Verminderung des Wildstandes setzt denknotwendigerweise nicht nur die Höchstanzahl selbst, sondern auch die Wildart, für die diese Höchstanzahl gelten soll, voraus. Folgerichtig wurde von der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs nicht nur die Höchstanzahl jagdbarer Tiere überhaupt, sondern die Höchstanzahl bestimmter Wildarten festgesetzt. Damit umfaßt die Bestimmung des §7 Abs8 JG auch die Bewilligung, die Höchstanzahl und Art der jagdbaren Tiere festzulegen. Diese Bestimmung der Höchstanzahl bestimmter Wildarten fällt in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde, die dabei ua. auch die Zielsetzung des Gesetzes (§2 JG) und damit die Belange der Land- und Forstwirtschaft in ihre Beurteilung miteinzubeziehen hat.

2.4. Nach §12 Abs5 JG gehören nur solche Schau- und Zuchtgehege, für deren Errichtung keine Bewilligung erteilt wurde, ebenso wie Eigenjagden, die nicht fristgerecht zur Ausscheidung aus dem Genossenschaftsjagdgebiet angemeldet wurden, für die nächste Jagdperiode zum Genossenschaftsjagdgebiet. Nach §7 Abs6 JG bedarf jeder Abschuß in einem Zuchtgehege der Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Bewilligung ist nur zu erteilen, soweit dies zur Beseitigung minderwertiger, kranker oder seuchenverdächtiger Wildstücke erforderlich ist. Diese beiden Gesetzesbestimmungen führen zwingend zu dem Schluß, daß ein (bewilligtes) Zuchtgehege kein Jagdgebiet ist.

Da sohin denkmöglicherweise ein Jagdgebiet iS des §95 Abs1 Z8 JG nicht vorliegt, konnte die Frage unbeantwortet bleiben, ob es möglich ist, in ein bewilligtes Zuchtgehege, also ein umschlossenes Gebiet Wild auszusetzen, ebenso wie nicht weiter zu untersuchen war, ob es sich bei Dam- und Muffelwild um landfremde oder solche Wildarten handelt, die in der näheren oder weiteren Umgebung des Zuchtgeheges nicht oder nicht mehr vorkommen.

Durch die denkunmögliche Anwendung des §95 Abs1 Z8 JG hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Eigentumsrecht verletzt. Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Jagdrecht, Wildhege, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B243.1978

Dokumentnummer

JFT_10189693_78B00243_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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