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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art117 Abs2Leitsatz
Tir. Gemeindewahlordnung 1973; Entgegennahme von Stimmzetteln durch "fliegende" Wahlbehörden entspricht nicht den §§42 und 45 dieses GesetzesSpruch
Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.
Das Verfahren betreffend die am 23. März 1980 durchgeführte Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Assling (pol. Bezirk Lienz) wird vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an aufgehoben.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Kundmachung der Landesregierung vom 27. November 1979, LGBl. 74/1979, wurden für alle Gemeinden Tirols mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck die allgemeinen Wahlen der Gemeinderäte auf den 23. März 1980 ausgeschrieben.
Die Wahlen waren nach den Bestimmungen der Tir. Gemeindewahlordnung 1973 - TGWO 1973 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 24. Juli 1973, LGBl. 63/1973, über die Wiederverlautbarung der Tir. Gemeindewahlordnung 1967) idF der Landesgesetze LGBl. 43/1974, 36/1977 und 4/1980 durchzuführen.
Für die Wahl in der Gemeinde Assling (pol. Bezirk Lienz) haben 10 Wählergruppen rechtzeitig Wahlvorschläge eingebracht, darunter (in der Reihenfolge der Einreichung) die "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" (Nr. 5) und die "Soziale fortschrittliche Dorfgemeinschaft Senioren Wählerinnen und Wähler" (Nr. 10), die miteinander verbunden (gekoppelt) wurden. Auch weitere 4 Wahlvorschläge (Nr. 2, 6, 7 und 8) wurden gekoppelt.
Insgesamt waren 14 Gemeinderatssitze zu vergeben (§18 der Tir. Gemeindeordnung 1966, LGBl. 4/1966).
Für die Wahl war die Gemeinde in 6 Wahlsprengel eingeteilt:
I - Bannberg, II - Klausenberg, III - Talsohle, IV - Mittewald,
V - Assling, VI - Burg Vergein (bzw. St. Justina).
Bei der Wahl sind insgesamt 1.227 Stimmen abgegeben worden, davon 10 ungültige; von den 1.217 gültigen Stimmen entfielen auf die Wählergruppen
Stimmen Mandate Stimmen Mandate
Nr. 1 130 1 Nr. 6 81 1
Nr. 2 434 6 Nr. 7 65 0
Nr. 3 154 2 Nr. 8 71 1
Nr. 4 118 1 Nr. 9 89 1
Nr. 5 36 0 Nr. 10 39 1
Auf die gekoppelten Wählergruppen Nr. 2, 6, 7 und 8 entfielen somit 651 Stimmen und 8 Gemeinderatssitze, auf die gekoppelten Wählergruppen Nr. 5 und 10 entfielen 75 Stimmen und 1 Gemeinderatssitz.
Das Wahlergebnis ist gemäß §58 TGWO 1973 durch Anschlag vom 28. März bis 8. April 1980 kundgemacht worden.
2. Die Wählergruppe "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" ficht die Wahl "wegen Verletzung zwingender Bestimmungen der TGWO 1973" an und stellt den Antrag, der VfGH möge die Wahl "als rechtswidrig erkennen und die Neuaustragung der Wahl aussprechen"; zugleich wird der Ersatz der Prozeßkosten "gemäß §71a in Verbindung mit §88 VerfGG" beantragt.
Die Rechtswidrigkeit sieht die anfechtende Wählergruppe in folgenden Vorgängen gelegen:
Am Wahltag während der Wahlzeit hätten sich zwei Mitglieder der Sprengelwahlbehörde Bannberg in die Wohnungen von vier namentlich genannten Wahlberechtigten begeben und in der Funktion einer "fliegenden" Wahlbehörde den ausgefüllten Stimmzettel eingeholt und dann im Wahllokal in die Wahlurne gegeben.
Während der Wahlzeit habe sich der Bürgermeister als Wahlleiter der Sprengelwahlbehörde Assling mindestens zweimal allein auf die vor dem Wahllokal liegende Straße hinausbegeben und von mindestens zwei gehbehinderten Wahlberechtigten den ausgefüllten Stimmzettel eingeholt und in die Wahlurne im Wahllokal eingeworfen.
Abgesehen von der Sonderregelung der Stimmenabgabe in Heil- und Pflegeanstalten (§42 TGWO 1973) habe die Stimmenabgabe ausschließlich vor der Wahlbehörde im Wahllokal zu erfolgen (§45 TGWO 1973). Dieser Grundsatz sei durch das beschriebene Verhalten von Wahlbehördenmitgliedern gröblichst verletzt worden. Es sei nicht auszuschließen, daß die rechtswidrige Vorgangsweise auf das Wahlergebnis entscheidend von Einfluß sein könnte, zumal der wahlanfechtenden Wählergruppe lediglich drei Stimmen zu einem Gemeinderatsmandat gefehlt hätten. Daneben sei auch zweifellos der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt worden, weil erfahrungsgemäß in solchen Fällen der Wähler nicht unbeobachtet seinen Stimmzettel ausfülle, sondern dieser in Anwesenheit des Wahlbehördenvertreters ausgefüllt und abgegeben werde und somit nicht von einem geheimen, dh. unbeobachteten Wählen gesprochen werden könne.
3. Die Gemeindewahlbehörde hat eine Gegenschrift erstattet. Sie stellt das tatsächliche Geschehen in Übereinstimmung mit der Wahlanfechtung dar. Des näheren führt sie aus:
Von Angehörigen der in der Wahlanfechtung angeführten 4 Wahlberechtigten sei der Sprengelwahlbehörde im Wahlsprengel I mitgeteilt worden, diese Personen möchten unbedingt ihre Stimme abgeben, seien jedoch aus gesundheitlichen Gründen (wegen Gehbehinderung) nicht in der Lage, zur Stimmabgabe ins Wahllokal zu kommen. Die Sprengelwahlbehörde sei daher ersucht worden, von diesen Wählern die Stimme jeweils in der nahe gelegenen Wohnung entgegenzunehmen. Die Wahlbehörde habe im Einvernehmen mit dem von der anfechtenden Wählergruppe entsendeten Wahlzeugen beraten und einstimmig entschieden, dem Wunsch entgegenzukommen und deren Stimmen, obwohl dies in der TGWO nicht vorgesehen sei, in der Wohnung entgegenzunehmen. Dies sei umso mehr gerechtfertigt gewesen, als am Wahltag zeitweilig starker Schneefall geherrscht habe. Daraufhin habe sich ein Mitglied der Sprengelwahlbehörde und der von der anfechtenden Wählergruppe entsendete Wahlzeuge mit einer eigens angefertigten 2. Wahlurne und den erforderlichen leeren Wahlkuverts in die Wohnungen der genannten Personen begeben. Das Mitglied der Sprengelwahlbehörde habe den betroffenen Wahlberechtigten je einen leeren Wahlumschlag überreicht. Von den wahlberechtigten Personen sei sodann in einem Zimmer, in dem sie jeweils nur allein anwesend gewesen seien, bzw. das inzwischen von anderen Personen, auch vom Mitglied der Sprengelwahlbehörde und vom Wahlzeugen verlassen worden sei, der Parteienstimmzettel in das Wahlkuvert gelegt, dieses verschlossen und sodann vom Mitglied der Sprengelwahlbehörde in die mitgebrachte 2. Wahlurne gelegt worden. Hienach sei das Mitglied der Sprengelwahlbehörde und der Wahlzeuge gemeinsam mit der 2. Wahlurne sofort in das Wahllokal zurückgekehrt und hätten diese Urne mitsamt den Stimmen dem Wahlleiter übergeben. Der Sprengelwahlleiter habe diese 2. Wahlurne geöffnet, ihr die vier verschlossenen Wahlumschläge entnommen und sie, nachdem die entsprechenden Eintragungen im Wählerverzeichnis und im Abstimmungsverzeichnis vorgenommen worden seien, in die allgemeine Wahlurne im Sprengelwahllokal gelegt.
Im Wahlsprengel V seien am Wahltag zwei wahlberechtigte Personen, die das Wahlrecht ausüben wollten, von Angehörigen bzw. von der Gemeindekrankenschwester von ihren Wohnungen mit Personenkraftwagen zum Wahllokal gebracht worden. Beide seien wegen ihres hohen Alters (geb. 1887 und 1901) schwer gehbehindert und könnten nur mit Hilfe anderer Personen über eine Stiege steigen. Beim Eingang zum Wahllokal des Wahlsprengels V befinde sich eine Steintreppe mit zehn Stufen. Deshalb habe sich der Bürgermeister als Wahlleiter der Sprengelwahlbehörde, zugleich Gemeindewahlbehörde, vor das Haus begeben, wobei er die anwesenden Wahlzeugen aufgefordert habe, ihn zu begleiten. Die Wähler seien im Auto allein sitzen geblieben, der Wahlleiter habe ihnen jeweils den leeren Wahlumschlag hineingereicht und die beiden Wähler hätten jeweils ihren Stimmzettel, der als Parteienstimmzettel ja nicht mehr auszufüllen gewesen sei, unbeobachtet in das Wahlkuvert legen und dieses verschließen können. Daraufhin sei das verschlossene Wahlkuvert vom Wahlleiter in das Wahllokal mitgenommen und dort nach entsprechender Eintragung im Wählerverzeichnis und im Abstimmungsverzeichnis in die Wahlurne gelegt worden.
Diese Vorgangsweisen der Wahlbehörden in Assling und Bannberg fänden zwar in der TGWO keine unmittelbare gesetzliche Deckung, jedoch seien dabei in jedem Falle die Grundsätze der persönlichen und geheimen Wahl gewissenhaft eingehalten und das Wahlgeheimnis absolut gewahrt worden. Ins Leere gehe die Behauptung, die behauptete Rechtswidrigkeit hätte auf das Wahlergebnis entscheidend von Einfluß sein können, zumal der anfechtenden Wählergruppe nur drei Stimmen für die Erzielung eines Gemeinderatsmandates gefehlt hätten. Hätten die Wahlbehörden die insgesamt sechs Stimmen nicht entgegengenommen, hätte auch die anfechtende Wählergruppe nur weniger, auf keinen Fall aber die erforderlichen 4 Stimmen für die Erreichung eines Mandates bekommen können. Dies wäre auch rechnerisch schon allein dadurch ausgeschlossen, da im Wahlsprengel I für diese Wählergruppe nur 1 Stimme abgegeben worden sei.
In einem ergänzenden Schriftsatz wird von der Gemeindewahlbehörde Assling ihre Rechtsauffassung, daß die in der Wahlanfechtung behaupteten Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis nicht von Einfluß sein konnten, zusätzlich begründet. Wären die behaupteten Rechtswidrigkeiten vermieden worden, dann wären die sechs gehbehinderten Wähler, die ihre Stimme nicht im Wahllokal abgegeben haben, bis in die Wahlzelle geleitet oder getragen worden und hätten ihre Stimme in gleicher Weise abgegeben, wie sie es tatsächlich getan haben. War nämlich auch bei der eingehaltenen Vorgangsweise das Wahlgeheimnis gewährleistet, dann sei die Möglichkeit, daß diese Wähler anders gewählt hätten, als sie es tatsächlich getan haben, so ferne, "daß sie als mit an Sicherheit grenzend unwahrscheinlich außer Betracht bleiben kann" (Hinweis auf VfSlg. 7716/1975, S 417).
Die Bezirkswahlbehörde Lienz hat gleichfalls eine Gegenschrift erstattet. Sie stellt die Vorgangsweise der Sprengelwahlbehörden Bannberg und Assling in gleicher Weise dar wie die Gemeindewahlbehörde. Sie erachtet diese Vorgangsweise nicht als den gesetzlichen Bestimmungen der TGWO widersprechend, sondern erblickt darin vielmehr ein Entgegenkommen der Wahlbehörde, um behinderten Mitbürgern ein elementares Grundrecht in der Demokratie, nämlich das der Teilnahme an einer Wahl zu einem Vertretungskörper zu sichern und darüber hinaus die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, und zwar der Wahlpflicht, zu ermöglichen. Die Durchführung der Stimmenabgabe sei so erfolgt, daß der Wähler unbeobachtet und unbeeinflußt den bereits in seinen Händen befindlichen vorgedruckten Stimmzettel (Parteistimmzettel) in einen Umschlag habe legen können, der dann vom Mitglied der Sprengelwahlbehörde entgegengenommen und in verschlossenem Zustand in die jeweilige Wahlurne der Behörde gegeben worden sei. Damit sei in allen Phasen der Stimmenabgabe das Wahlgeheimnis absolut gewahrt worden. Diese Vorgangsweise habe nicht von entscheidendem Einfluß auf das Wahlergebnis sein können, da die Stimmenabgabe selbst auf das Ergebnis der Wahl - das ist Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wählergruppen und Zuteilung von Gemeinderatssitzen - sicher keinen Einfluß habe. Das wäre nur der Fall, wenn der einzelne Stimmzettel für eine Partei bzw. Wählergruppe als gültig oder ungültig erklärt worden wäre.
Beide Wahlbehörden (die Gemeindewahlbehörde und die Bezirkswahlbehörde) stellen den Antrag, der Wahlanfechtung keine Folge zu geben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Prozeßvoraussetzungen sind gegeben. Die Wahlanfechtung ist zulässig.
2. Die Stimmenabgabe bei Wahlen der Gemeinderäte ist in §45 TGWO 1973 geregelt.
Der Wähler erhält am Wahlort (§38 Abs1) vor der Wahlbehörde vom Wahlleiter einen leeren undurchsichtigen Umschlag und auf Verlangen einen amtlichen Stimmzettel (§45 Abs1 und 3). Der Wähler hat sich hierauf in die Wahlzelle zu begeben und seinen ausgefüllten Stimmzettel in den Umschlag zu legen; dann tritt er aus der Zelle und übergibt den Umschlag geschlossen dem Wahlleiter, der ihn uneröffnet in die Wahlurne legt (§45 Abs4). Stimmberechtigte, die durch ein körperliches Gebrechen behindert sind, ihren Stimmzettel zu behandeln, dürfen sich der Mithilfe einer von ihnen zu bestimmenden Vertrauensperson bedienen; von diesem Fall abgesehen darf die Wahlzelle stets nur von einer Person betreten werden (§45 Abs5). Hier nicht in Betracht zu ziehende Sonderbestimmungen sind für die Ausübung des Wahlrechtes durch die in öffentlichen oder privaten Heil- und Pflegeanstalten untergebrachten Personen getroffen (§42 TGWO 1973).
Die von den Sprengelwahlbehörden für die Wahlsprengel I und V bei der Stimmenabgabe von gehbehinderten Wählern in den genannten (vorstehender Punkt I) sechs Fällen gepflogene Vorgangsweise ist im Gesetz nicht gedeckt.
Die in den §§45 und 42 TGWO 1973 für die Stimmenabgabe getroffenen Regelungen entsprechen den für die Wahlen in den Gemeinderat gemäß Art117 Abs2 B-VG idF BGBl. 205/1962 maßgebenden Grundsätzen des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Staatsbürger. Diese Grundsätze schließen nicht aus, daß für die Stimmenabgabe behinderter Wähler - insbesondere im Hinblick auf die Wahlpflicht (§6 und §72 lite TGWO 1973) - entsprechende Vorsorge getroffen wird. Dies ist aber Sache des Gesetzgebers und berechtigt die Wahlbehörde nicht, von den zwingenden Bestimmungen der wahlgesetzlichen Vorschriften abzuweichen (vgl. zur Anpassung von Wahlvorschriften an allenfalls aus praktischen Erfahrungen abzuleitende Erfordernisse VfSlg. 1904/1950 und 5737/1968).
Die Vorgangsweise der beiden Sprengelwahlbehörden bei Entgegennahme der Stimmzettel in den genannten sechs Fällen war somit rechtswidrig.
3. Gemäß Art141 Abs1 B-VG idF BGBl. 12/1958 und §70 Abs1 VerfGG 1953 hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluß war. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (aus jüngster Zeit VfSlg. 8853/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).
Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, daß eine Rechtswidrigkeit in der Stimmenabgabe derart, wie sie vorliegendenfalls gegeben ist, von Einfluß auf das Wahlergebnis sein kann, weil solcherart abgegebene Stimmen die Gesamtsumme der abgegebenen Stimmen gegenüber der rechtmäßig möglichen Gesamtsumme erhöht.
Auch unter den konkret gegebenen Umständen ist ein solcher Einfluß auf das Wahlergebnis nicht auszuschließen.
Bei Nichtzählung der unrechtmäßig abgegebenen 6 Stimmen hätte sich die Gesamtsumme der abgegebenen Stimmen von 1.227 auf 1.221 vermindert. Wenn und soweit diese Stimmen bei der Stimmenzählung als ungültig gezählt worden sind, haben sie sich auf das Wahlergebnis nicht auswirken können. Wenn aber alle 6 Stimmen als gültig gezählt worden sind, hätte dies auf das Wahlergebnis von Einfluß sein können.
Im Wahlsprengel I sind 92 gültige Stimmen und im Wahlsprengel V sind 393 gültige Stimmen gezählt worden. Diese verteilen sich auf die Wählergruppen wie folgt:
Wählergruppe Nr. Wahlsprengel I Wahlsprengel V
1 - 88
2 11 163
3 - 65
4 - 14
5 1 3
6 - 1
7 - 1
8 - 55
9 79 -
10 1 3
Die im Wahlsprengel I rechtswidrig abgegebenen 4 Stimmen und die im Wahlsprengel V rechtswidrig abgegebenen 2 Stimmen hätten also unter Berücksichtigung der Koppelungen (§56 TGWO 1973) die für die Wählergruppen gezählten Stimmen wie folgt vermindern können:
Wählergruppe Nr. gezählte Stimmen höchstmögliche mögliche
Ververminderung verminderte
Wahlsprengel Stimmen
I V
1 130 -2 128
2, 6, 7, 8 651 -4 -2 645
3 154 -2 152
4 118 -2 116
5, 10 75 -2 -2 71
9 89 -4 85
Die Wahlzahl bei Verteilung der Gemeinderatssitze auf die Wählergruppen (unter Berücksichtigung der Koppelungen; §56 TGWO 1973) betrug 75, sodaß der 14. Gemeinderatssitz den gekoppelten Wählergruppen Nr. 5 und 10, in der Aufteilung zwischen diesen der Wählergruppe Nr. 10 zugefallen ist.
Es ist nicht auszuschließen, daß die anfechtende Wählergruppe Nr. 5 zusammen mit der mit ihr gekoppelten Wählergruppe Nr. 10 bei Nichtzählung der bei der Gemeinderatswahl rechtswidrig abgegebenen 6 Stimmen die dann neu zu errechnende Wahlzahl nicht erreicht hätte und der 14. zu vergebende Gemeinderatssitz nicht diesen gekoppelten Wählergruppen zugefallen wäre.
Es hätte sich aber auch folgende Situation ergeben können:
Angenommen, die Wählergruppe Nr. 10 hätte im Wahlsprengel I um 1 Stimme und im Wahlsprengel V um 2 Stimmen weniger, insgesamt also statt der für sie bei der Wahl abgegebenen 39 Stimmen nur 36 Stimmen, erhalten, dann hätte sie zusammen mit der mit ihr gekoppelten Wählergruppe Nr. 5 (wenn deren 36 Stimmen unverändert geblieben wären) 72 Stimmen erhalten.
Bei der weiteren Annahme, daß in einem solchen Fall die restlichen 3 der rechtswidrig als gültig gezählten 6 Stimmen für die gekoppelten Wählergruppen Nr. 2, 6, 7 und 8 abgegeben worden wären, hätten die auf diese Wählergruppe entfallenden Stimmen statt 651 nur 648 betragen. Das Neuntel dieser Zahl (§55 Abs1 TGWO 1973) beträgt 72.
Diese Zahl hätte in dem angenommenen Fall die Wahlzahl gebildet, sodaß über die Verteilung des 14. Gemeinderatssitzes zwischen den gekoppelten Wählergruppen Nr. 5 und 10 sowie Nr. 2, 6, 7 und 8 das Los hätte entscheiden müssen. Wäre diese Entscheidung zugunsten der gekoppelten Wählergruppen Nr. 5 und 10 ausgefallen, so hätte in dem angenommenen Fall die Aufteilung zwischen diesen Wählergruppen gleichfalls durch Los erfolgen müssen (§56 TGWO 1973), wobei der Gemeinderatssitz der anfechtenden Wählergruppe hätte zufallen können.
4. Um die erwiesene und das Wahlergebnis möglicherweise beeinflussende Rechtswidrigkeit zu beseitigen, muß das Wahlverfahren vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an aufgehoben werden.
Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 (vgl. dazu auch §27 VerfGG 1953) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Stimmenabgabe, WahlbehördenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:WI4.1980Dokumentnummer
JFT_10189691_80WI0004_00