TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/10 B399/80

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Veröffentlicht am 10.03.1981
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art12 / Vereinsrecht
VereinsG 1951 §6 Abs1
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §33 Abs1 litd

Leitsatz

Vereinsgesetz 1951; rechtswidrige Untersagung der beabsichtigten Bildung des Vereines "Zentrum für Unternehmensförderung mit Datenerfassung und Auswertung - UDAZENT"

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft - eine Kommanditgesellschaft - hat am 17. Jänner 1980 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Ktn. die beabsichtigte Bildung eines Vereines mit dem Namen "Zentrum für Unternehmensförderung mit Datenerfassung und Auswertung - UDAZENT" mit dem Sitz in Klagenfurt angezeigt.

In §2 der vorgelegten Statuten sind der Zweck des Vereines und die ideellen Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes wie folgt umschrieben:

"1.) Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, verfolgt den Zweck, die Interessen der Mitglieder, ihrer Unternehmungen und Betriebe in gemeinnütziger und ideeller Weise zu fördern und zu unterstützen.

2.) Zur Erreichung dieses Zweckes übernimmt der Verein insbesondere folgende Aufgaben:

Betriebsberatung, Organisation, Vermögensberatung, Einkaufsberatung, Verkaufsberatung, Einrichtungsberatung samt architektonischer Beratung, Schulung, Materialbeschaffung, Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsverrechnung, Waren- und Lagerabrechnung, Materialabrechnung, Anlagenverrechnung, Betriebsabrechnung, Beratung in Rechts-, Steuer- und Finanzwesen, Serviceleistungen, Erfassung und Auswertung von Daten - auch automationsunterstützt (EDV) -, Marketing, Werbung, Management und Unternehmensführung, Durchführung und Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten, Vergabe von Stipendien, Förderungs- und Wettbewerbspreisen.

Zur Verwirklichung des Vereinszweckes wird der Verein geeignete Räume, Maschinen und Geräte erwerben oder anmieten und Fachleute als Fachreferenten zur Mitarbeit heranziehen.

Im Rahmen der Erfüllung der Vereinsaufgaben kann der Verein auch Gewerbeberechtigungen erwerben und gewerbliche Tätigkeiten ausüben.

Zur Unterstützung und Erfüllung des Vereinszweckes wird der Verein auch Informationsblätter herausgeben, Veranstaltungen abhalten und Reisen organisieren."

Der mit "materielle Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes" überschriebene §3 der Statuten lautet:

"Die erforderlichen materiellen Mittel werden aufgebracht durch

a) Beitrittsgebühren und Mitgliedsbeiträge

b) freiwillige Spenden, Sammlungen, Vermächtnisse und sonstige Zuwendungen c) Ersatz der Auslagen und Aufwendungen für Inanspruchnahme von Leistungen und Einrichtungen

d) Einnahmen aus Veranstaltungen

e) Erträgnisse aus gewerblichen Tätigkeiten."

b) Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Ktn. hat mit Bescheid vom 25. Feber 1980 (zugestellt am 26. Feber 1980) die beabsichtigte Bildung dieses Vereines gemäß §6 Abs1 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. 233 (im folgenden kurz: VG), wegen Rechtswidrigkeit untersagt.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die berufliche Ausübung der in §2 Z2 der Vereinsstatuten aufgezählten Tätigkeiten "Betriebsberatung, Lohn- und Gehaltsverrechnung, Durchführung der Buchhaltung etc." gemäß §33 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955 (im folgenden kurz: WT-BO), den Wirtschaftstreuhändern vorbehalten sei. Wer solche Tätigkeiten ausübe, ohne hiezu befugt zu sein, begehe gemäß §56 leg. cit. eine Verwaltungsübertretung. Die Vereinsstatuten verstießen demnach gegen gesetzliche Bestimmungen, aus welchem Grund die Bildung des Vereines wegen Rechtswidrigkeit zu untersagen gewesen sei.

c) Der Bundesminister für Inneres hat mit Bescheid vom 16. Juni 1980 der gegen den Untersagungsbescheid der Sicherheitsdirektion von der beschwerdeführenden Gesellschaft erhobenen Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

In der Begründung dieses Berufungsbescheides wird ausgeführt:

Gemäß §33 Abs1 litd WT-BO sei den Helfern in Buchführungs- und Steuersachen sowie den Buchführungsgesellschaften unter anderen die Anlage, die Führung und der Abschluß kaufmännischer Bücher, soweit diese Tätigkeit berufsmäßig ausgeübt werde, vorbehalten. Zu dieser Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftstreuhänder zähle auch die Lohn- und Gehaltsverrechnung. Demnach könne eine solche Tätigkeit nicht von physischen oder juristischen Personen ausgeübt werden, die keine einschlägige wirtschaftstreuhänderische Berufsbefugnis besitzen. Die diesbezügliche Strafnorm finde sich im §56 leg. cit. Zum Hinweis des Proponenten (das ist die beschwerdeführende Gesellschaft dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens), daß die im §2 der Statuten erwähnten Tätigkeiten (Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsverrechnung) entgeltlos und kostenlos ausgeübt werden sollen, sei entgegenzuhalten, daß §56 WT-BO nicht von einer berufsmäßigen, sondern bereits von einer "geschäftsmäßigen" Ausübung einer den Wirtschaftstreuhändern vorbehaltenen Tätigkeit spreche. Bezüglich des Begriffes "geschäftsmäßig" werde auf die Judikatur des VwGH verwiesen (VwSlg. 6286 A/1964; VwGH 11. 12. 1968 Z 1636/67). Nach dieser Rechtsprechung sei "geschäftsmäßig" auch eine unentgeltliche Tätigkeit, wenn sie selbständig und nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Häufigkeit vorgenommen werde; die Erzielung eines wirtschaftlichen Ertrages sei keine Voraussetzung der Geschäftsmäßigkeit. Im Lichte dieser Judikatur des VwGH würde auch eine allfällige unentgeltliche Tätigkeit des Vereines "UDAZENT" auf dem Gebiet der Buchhaltung usw. einen eindeutigen Verstoß gegen §56 WT-BO im Zusammenhalt mit §33 leg. cit. darstellen. Der Hinweis auf bestehende Rechtsberatungsvereine könne die Berufungsentscheidung nicht beeinflussen, da diese Tätigkeiten, wenn auch kostenlos, durch befugte Organe ausgeübt werden müßten.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Vereinsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft trat im Administrativverfahren als Proponent des Vereines auf, dessen beabsichtigte Bildung untersagt wurde. Sie ist beschwerdelegitimiert (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).

Die Beschwerde ist zulässig.

2. a) Aus §6 Abs1 VG ergibt sich, daß die beabsichtigte Bildung eines Vereines von der Behörde unter anderem dann zu untersagen ist, "wenn der Verein nach seinem Zweck oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist".

Jeder Bescheid, der entgegen den Bestimmungen des VG, also ohne daß eine der in §6 Abs1 VG umschriebenen Voraussetzungen vorliegt, die beabsichtigte Bildung eines Vereines untersagt, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).

b) Der von der belangten Behörde herangezogene §33 Abs1 litd WT-BO lautet:

"Den Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften sind ... folgende berufsmäßig ausgeübte Tätigkeiten vorbehalten:

...

d) Die Anlage, die Führung und der Abschluß kaufmännischer Bücher für ihre Auftraggeber;

..."

Abschnitt XI WT-BO enthält Strafbestimmungen. Der mit "Pfuschertätigkeit" überschriebene §56 bestimmt:

"Wer ohne hiezu befugt zu sein, eine durch dieses Bundesgesetz den Wirtschaftstreuhändern vorbehaltene Tätigkeit geschäftsmäßig ausübt oder eine unbefugte Berufsausübung deckt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird, unbeschadet einer allfälligen strafgerichtlichen oder sonstigen Ahndung, mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S, in schweren Fällen daneben auch mit einer Arreststrafe bis zum einem Monat, bestraft."

c) Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

Die Möglichkeit allein, daß ein in Bildung befindlicher Verein eine gesetzwidrige Tätigkeit entfalten werde, rechtfertige die Untersagung der Vereinsbildung nicht. Die Erstellung einer Buchhaltung an sich stelle keine gesetzwidrige Handlung dar. Jede natürliche und juristische Person sei berechtigt, für sich selbst die Buchhaltung zu führen. Alle Tätigkeiten, die Wirtschaftstreuhändern vorbehalten sind, dürften Personen für sich selbst ausführen. Wenn der Verein für seine Mitglieder selbst Tätigkeiten ausübt, so sei er hiezu befugt. Der Verein, welcher sich aus der Summe seiner Mitglieder zusammensetze, könne daher für seine Mitglieder erlaubte Tätigkeiten ausüben. Es könne auch ein Verein seine Mitglieder ärztlich betreuen, sie rechtlich beraten usw., wenn er sich hiezu einer geeigneten bzw. befugten Person bedient. Es werde somit im bekämpften Bescheid verkannt, daß die in den Statuten vorgesehene Tätigkeit nicht gesetzwidrig sei. Wenn das einzelne Vereinsmitglied seine Buchhaltungsunterlagen, die im eigenen Betrieb vom Vereinsmitglied selbst angefertigt wurden, dem Verein zur Eingabe in ein Rechenzentrum übergibt, damit kostengünstig ein Computerausdruck angefertigt werden kann, so greife der Verein dadurch nicht in eine Vorbehaltstätigkeit der Wirtschaftstreuhänder ein. Unterstelle man aber, daß Vorbehaltstätigkeiten vorgenommen werden müssen, so bestehe die Möglichkeit der Beiziehung eines Wirtschaftstreuhänders oder eines Steuerberaters.

Die beschwerdeführende Gesellschaft verweist auf bestehende Rechtsberatungsvereine und auf Automobil-Clubs, in deren - nicht untersagten - Satzungen eine Rechtsvertretung der Mitglieder vorgesehen sei.

Schließlich wird in der Beschwerde ausgeführt: Eine entgeltlose kostenlose Tätigkeit, welche im Rahmen gemeinnütziger und ideeller Zielsetzungen erfolgt, könne nicht als "geschäftsmäßig" iS des §56 WT-BO bezeichnet werden; zur Geschäftsmäßigkeit gehöre die Absicht, einen Gewinn und einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Der untersagte Verein ziele aber seinen Statuten zufolge auf keinen Gewinn und auf keinen wirtschaftlichen Erfolg ab.

d) Es trifft die Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft zu, daß die bloße Vermutung, ein Verein werde sich gesetz- oder rechtswidrig betätigen, für die Untersagung der Vereinsbildung nicht ausreicht (vgl. zB VfSlg. 2334/1952, 4936/1965). Eine solche Untersagung ist nur dann zulässig, wenn die Statuten in Widerspruch zu einer Rechtsvorschrift stehen (vgl. zB VfSlg. 3751/1960, 4044/1961, 4319/1962, 6800/1972).

Die belangte Behörde hat die Untersagung der Vereinsbildung ausschließlich darauf gestützt, daß dem §2 der Statuten zufolge der Verein ua. beabsichtige, die Lohn- und Gehaltsverrechnung für seine Mitglieder zu übernehmen; eine solche Tätigkeit falle unter den Begriff "Anlage, Führung und Abschluß kaufmännischer Bücher" iS des §33 Abs1 litd WT-BO und sei daher den Wirtschaftstreuhändern vorbehalten.

Vereinsstatuten sind im Zweifel gesetzeskonform und iS der Vereinsfreiheit auszulegen (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).

Bei Beachtung dieses Grundsatzes kommt der zitierten Statutenbestimmung nicht der ihr von der belangten Behörde unterstellte Inhalt zu, daß nämlich der Verein beabsichtige, eine den Wirtschaftstreuhändern vorbehaltene Tätigkeit zu entfalten; vielmehr lassen der Wortlaut und der (objektive) Sinn dieser Statutenbestimmung die Interpretation zu, es sei vorgesehen, daß Wirtschaftstreuhänder auf eine der WT-BO entsprechenden Weise dann herangezogen werden, wenn zur Erreichung des oben erwähnten Vereinszweckes eine den Wirtschaftstreuhändern vorbehaltene Tätigkeit erforderlich werden sollte. Aus der WT-BO ergibt sich auch, welche mit der Lohn- und Gehaltsverrechnung der Vereinsmitglieder verbundene Tätigkeit durch den Verein selbst (also durch Personen, die auftrags des Vereines handeln) ausgeübt werden darf und welche von Wirtschaftstreuhändern - ohne in einem Auftragsverhältnis zum Verein zu stehen - ausgeübt werden muß.

Die zuletzt erwähnte Auslegung der von der belangten Behörde herangezogenen Statutenbestimmung schließt die Annahme aus, daß sich der Verein auf eine der WT-BO widersprechenden Weise betätigt; sie führt daher - im Gegensatz zu der von der belangten Behörde gewählten - zu keinem Widerspruch der in Rede stehenden Statutenbestimmung zum Gesetz; ihr ist also der Vorzug zu geben.

Die im angefochtenen Bescheid angeführten Gründe haben sohin die Untersagung der beabsichtigten Bildung des Vereines iS des §6 Abs1 VG nicht gerechtfertigt. Ob andere Gründe vorliegen, die die Untersagung der Vereinsbildung decken würden, hatte der VfGH nicht zu untersuchen (vgl. VfSlg. 8844/1980). Die belangte Behörde hat nämlich - wie oben dargetan - die Statuten des Vereines nur unter dem Gesichtspunkt des §33 Abs1 litd WT-BO untersucht; sie fand, daß die oben bezeichnete Statutenbestimmung mit dieser Gesetzesvorschrift in Widerspruch steht. Deshalb hat sie die Frage, ob die Statuten allenfalls auch anderen Bestimmungen der WT-BO widerstreiten, nicht mehr erörtert.

Die beschwerdeführende Gesellschaft als Proponent ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit verletzt worden.

Der bekämpfte Bescheid war demnach als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Vereinsrecht, Wirtschaftstreuhänder, Auslegung verfassungskonforme VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B399.1980

Dokumentnummer

JFT_10189690_80B00399_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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