TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/11 B181/79

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Veröffentlicht am 11.03.1981
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

StGG Art5
BAO §28
EStG §23
GewerbesteuerG 1953 §1
StGB §130
UStG 1972 §1 Abs1 Z1
UStG 1972 §2 Abs1

Leitsatz

EStG 1972; GewStG 1953; UStG 1972; Verkauf von Diebsgut - denkmögliche Qualifizierung als Gewerbebetrieb iS des §28 BAO

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer war seit 1958 als Dienstnehmer eines Schiherstellers beschäftigt. Ab dem Geschäftsjahr 1970/71 entwendete er widerrechtlich Schier aus den Beständen seines Dienstgebers und verkaufte diese auf eigene Rechnung an verschiedene Personen, die ihre Kaufwünsche zum Teil in Form von Sammelbestellungen an den Beschwerdeführer richteten. Bis zum Ende des Jahres 1974 ergab sich dabei ein Schadensbetrag von ca. S 495.000,-.

Hiefür wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Sbg. (als Schöffengericht) vom 17. Juli 1978, 15 Vr 1.286/75, 15 Hv 54/77, des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§127 Abs1 und 2 Z3 und 128 Abs2 StGB schuldig erkannt und über ihn unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 25. Juni 1976, U 69/76, und auf das Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 22. März 1977, U 371/76, eine Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Jahren verhängt. Weiters wurde er gemäß §369 StPO zum Ersatz des Betrages von S 495.000,- samt 10,5% Zinsen ab 1. Jänner 1975 an die Privatbeteiligte und gemäß §389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß §43 Abs2 StGB wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

2. Das Finanzamt Zell am See wertete die dargestellte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gewerbebetrieb iS des §28 BAO und zog diesen zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer heran, wobei die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1971 bis 1974 im Schätzungswege ermittelt wurden. Während für das Jahr 1971 keine Steuervorschreibung erfolgte, wurden für die Jahre 1972 bis 1974 Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Verspätungszuschläge in Höhe von insgesamt

S 325.070,- vorgeschrieben.

Die gegen die Vorschreibung der Abgaben erhobene Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion für Sbg. als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, daß die Veräußerung von Diebsgut als Gewerbebetrieb iS des §28 BAO anzusehen sei, da diese Tätigkeit selbständig, nachhaltig und mit Gewinnabsicht unternommen worden sei und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle.

3. Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechts behauptet wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde - und daher auch durch die Vorschreibung einer Abgabe - nur dann verletzt, wenn dieser sich entweder auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt, wenn er gesetzlos ergangen ist oder die Rechtsvorschrift denkunmöglich angewendet wurde.

b) Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuergesetzes sowie der Bundesabgabenordnung. Gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind weder Bedenken vorgebracht worden, noch sind solche aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden (vgl. auch VfSlg. 7163/1973, 7751/1976).

c) Die belangte Behörde hat die gesetzlichen Bestimmungen aber auch nicht denkunmöglich angewendet:

aa) Der angefochtene Bescheid geht von dem unbestrittenen Sachverhalt aus, daß der Beschwerdeführer über mehrere Jahre hindurch widerrechtlich Schier aus den Beständen seines Dienstgebers entwendet und auf eigene Rechnung an verschiedene Abnehmer verkauft hat. In dieser Tätigkeit seien die Merkmale Selbständigkeit, Nachhaltigkeit und Gewinnabsicht sowie Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt, weshalb ein Gewerbebetrieb iS des §28 BAO vorliege, der nach §23 EStG 1972 zur Einkommensteuer und nach §1 GewStG 1953 zur Gewerbesteuer heranzuziehen sei. Mit dieser Ansicht folgt die belangte Behörde im Grundsatz der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. So hat der VfGH bereits im Erk. VfSlg. 6971/1973 ausgesprochen, daß die Verwertung von Diebsgut denkmöglich als Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Auch der VwGH hat im Erk. vom 16. Oktober 1974, Z 509/73, die Verwertung von Diebsgut als Gewerbebetrieb qualifiziert.

bb) Der VfGH kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde auf Grundlage dieser Rechtsansicht das Gesetz im konkreten Fall denkunmöglich angewendet hätte.

Nach §28 BAO ist eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt als Gewerbebetrieb iS der Abgabenvorschriften zu qualifizieren, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft, noch als Ausübung eines freien Berufes, noch als eine andere selbständige Arbeit iS des Einkommensteuerrechtes anzusehen ist.

Von den angeführten Begriffsmerkmalen bestreitet der Beschwerdeführer lediglich das Kriterium "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" als für den Beschwerdefall zutreffend. Er ist der Auffassung, daß eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr deshalb nicht vorliege, weil er die entwendeten Schier nur an einen bestimmten, eng begrenzten Personenkreis, nämlich Verwandte und Bekannte, absetzen konnte, da er andernfalls damit rechnen mußte, daß die Allgemeinheit und damit auch sein Dienstgeber von seinem deliktischen Verhalten Kenntnis erlangen würde.

Der Beschwerdeführer kann aber mit diesem Einwand für seinen Standpunkt nichts gewinnen: Die belangte Behörde ist bei der Subsumption unter das Tatbestandsmerkmal "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" von der ständigen Judikatur des VwGH (zB VwGH 4. 11. 1972 Z 2281/1971, VwSlg. 4369 F/1972; 4511 F/1973) ausgegangen. Danach müsse zwar der Wille vorliegen oder den Umständen zu entnehmen sein, daß der Steuerpflichtige eine im wirtschaftlichen Leben begehrte und als solche geltende Leistung der Allgemeinheit anbietet. Dessenungeachtet liege unter Umständen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auch vor, wenn der Steuerpflichtige nur gegenüber wenigen oder gar nur einem einzigen Auftraggeber tätig wird. Es sei auf die konkrete Art der Tätigkeit abzustellen. Maßgebend für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sei, ob die von den zeitlich und umstandsmäßig bedingten Verhältnissen unabhängige grundsätzliche Bereitschaft besteht, mit verschiedenen Personen in Geschäftsbeziehung zu treten.

Der VfGH hat schon in seinem Erk. VfSlg. 7751/1976 ausgesprochen, daß es denkmöglich ist, die Frage der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr an diesen Kriterien zu messen. Es kann der Behörde auch keine denkunmögliche Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers bei der Veräußerung des Diebsgutes eine grundsätzliche Bereitschaft zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit verschiedenen Personen angenommen hat; einer solchen Qualifikation steht auch das Bestreben des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung seines deliktischen Verhaltens (aus diesem Bestreben erklärt sich, daß der Beschwerdeführer nur mit einem kleinen Personenkreise in Geschäftsverbindung stand und diese Personen zum Teil auf Grund von Sammelbestellungen belieferte) keinesfalls entgegen. (Vgl. auch Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Tz 1 - 63 zu §1.)

cc) Der Beschwerdeführer vermeint weiters, die Tatsache, daß er nicht wegen gewerbsmäßigen Diebstahls verurteilt worden sei, verbiete es der Abgabenbehörde, die an das Straferkenntnis auch diesbezüglich gebunden sei, seine deliktische Tätigkeit als Gewerbebetrieb anzusehen. Dabei übersieht er jedoch, daß die Abgabenbehörde nicht die Frage der (strafrechtlichen) Gewerbsmäßigkeit der deliktischen Tätigkeit, sondern die (abgabenrechtliche) Frage der Gewerbsmäßigkeit der Veräußerung des Diebsgutes zu entscheiden hatte, so daß die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Bindung im konkreten Fall gar nicht auftritt.

dd) Es ist daher jedenfalls nicht denkunmöglich, die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gewerbebetrieb iS des §28 BAO zu qualifizieren, und sie gemäß §15 Abs1 Z1 EStG 1967 bzw. §23 Z1 EStG 1972 zur Einkommensteuer und gemäß §1 Abs1 GewStG 1953 zur Gewerbesteuer heranzuziehen. Dann ist es aber, wie der VfGH schon in VfSlg. 6971/1973 (zu der in dieser Hinsicht gleichen Rechtslage nach dem UStG 1959) ausgeführt hat, auch nicht denkunmöglich, den Beschwerdeführer als Unternehmer iS des §2 Abs1 UStG 1972 zu werten und im Verkauf der gestohlenen Gegenstände Umsätze iS des §1 Abs1 Z1 UStG 1972 zu sehen.

ee) Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich dagegen wendet, daß die belangte Behörde bei der Schätzung des Gewinnes die Einnahmen-Ausgabenrechnung (Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben) angewendet hat, kann ebenfalls auf das Erk. VfSlg. 6971/1973 verwiesen werden, in dem der VfGH diese Vorgangsweise als denkmöglich erachtet hat.

d) Der Beschwerdeführer ist somit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden.

2. Daß die Behörde willkürlich gehandelt und dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt hätte oder daß andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt worden wären, ist weder behauptet worden noch im verfassungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommen. Die festgestellte verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides schließt es auch aus, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Ob die Entscheidung der belangten Behörde richtig ist, hat nicht der VfGH zu prüfen.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Einkommensteuer, Einkunftsarten Gewerbebetrieb (Einkommensteuer), Umsatzsteuer, Gewerbesteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B181.1979

Dokumentnummer

JFT_10189689_79B00181_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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