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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Art138 Abs1 B-VG; kein bejahender Kompetenzkonflikt; keine Identität der SacheSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma W.-Gesellschaft mbH brachte gegen die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens beim Landesgericht Innsbruck zur Z 11 Cg 244/79 eine Klage mit dem Begehren auf Feststellung ein, der am 19. Juni 1972 zwischen der W.-Gesellschaft mbH und den Antragstellern abgeschlossene Mietvertrag sei nichtig, und die Beklagten seien schuldig, der Löschung von Bestand- und Pfandrechten im Grundbuch zuzustimmen. Die Klage wurde damit begründet, der Mietvertrag sei im Hinblick auf die deutsche Staatsbürgerschaft der beiden Antragsteller zur Umgehung des Grundverkehrsgesetzes abgeschlossen worden und stelle sich in Wirklichkeit als verdeckter Kaufvertrag dar; es liege somit ein Umgehungsgeschäft vor, welches die Nichtigkeit des Vertrages nach den §§916 und 897 ABGB zur Folge habe, da der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Mit Urteil vom 2. November 1979 hat das LG Innsbruck diesem Klagebegehren stattgegeben.
Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Urteil vom 18. Feber 1980, 2 R 13/80, der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Innsbruck Folge und wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht teilte zwar die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Vertrag vom 19. Juni 1972 geeignet sei, die Genehmigungspflicht für den Liegenschaftserwerb zu umgehen, meinte aber, dieses Umgehungsgeschäft sei nicht von vornherein nichtig, sondern wegen seiner Genehmigungsbedürftigkeit iS des §1 Abs1 Z2 lita des Tir. Grundverkehrsgesetzes 1970 in seiner rechtlichen Wirksamkeit in Schwebe; der Vertrag sei der Grundverkehrsbehörde bisher zur Genehmigung noch nicht vorgelegt worden.
Eine gegen dieses Urteil erhobene Revision ist beim Obersten Gerichtshof anhängig.
2. Während des gerichtlichen Berufungsverfahrens legten die Antragsteller den in Rede stehenden Mietvertrag der Grundverkehrsbehörde Innsbruck-Stadt vor, welche mit Bescheid vom 9. Juni 1980 feststellte, daß der Vertrag gemäß §1 Abs2 im Zusammenhalt mit §1 Abs1 Z2, §3 Abs1 litf und h des Grundverkehrsgesetzes 1970 in der Fassung der Novelle LGBl. 6/1974 nicht der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedürfe.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller Berufung und beantragten, wegen Vorliegens eines bejahenden Kompetenzkonfliktes "das Verfahren zu unterbrechen bzw. in eventu diese Berufung der Landesgrundverkehrsbehörde vorzulegen, sodaß diese das Verfahren unterbricht".
Sodann begehrten die Antragsteller von der Landes-Grundverkehrsbehörde als der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde (vgl. hiezu VfSlg. 3858/1960), diese möge gemäß §42 VerfGG einen Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde beim VfGH stellen.
3. Da die Landes-Grundverkehrsbehörde diesem Antrag innerhalb der im §48 VerfGG vorgesehenen Frist nicht entsprochen hat, begehren die Antragsteller gemäß Art138 Abs1 lita B-VG und §48 VerfGG, der VfGH wolle den Kompetenzkonflikt entscheiden und gemäß §52 VerfGG jener Gebietskörperschaft, deren Behörde die Kompetenz zu Unrecht in Anspruch genommen hat, den Ersatz der den Antragstellern erwachsenen Prozeßkosten sowie der Kosten dieses Antrages aufzuerlegen.
II.1. Die Antragsteller vertreten die Auffassung, daß das Grundverkehrsgesetz 1970 die Entscheidung darüber, ob ein Rechtsgeschäft genehmigungspflichtig sei, ausschließlich in die Hände der Grundverkehrsbehörde lege und es auch ausschließe, daß das Gericht diese Frage als Vorfrage entscheiden könne. Die Grundverkehrsbehörde Innsbruck-Stadt habe in dieser Frage ihre Kompetenz in Anspruch genommen und entschieden, daß der Mietvertrag nicht genehmigungspflichtig sei. Das Landesgericht Innsbruck habe - unzuständigerweise - entschieden, daß der Vertrag der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedurft hätte und daher als Umgehung nichtig sei. Es liege "zweifellos ein Kompetenzkonflikt" vor.
2. Der VfGH ist in den grundlegenden Erk. VfSlg. 1341/1930 und 1351/1930 davon ausgegangen, daß ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde stets nur dadurch entsteht, daß beide Behörden die Entscheidung derselben Sache für sich in Anspruch genommen oder in der Sache selbst entschieden haben. Es dürfe daher auch die Überschreitung der Zuständigkeit durch eine der beiden Behörden stets nur aus der Tatsache abgeleitet werden, daß diese Behörde ihre Zuständigkeit überhaupt in Anspruch genommen oder daß sie aufgrund dieser zu Unrecht erfolgten Inanspruchnahme der Zuständigkeit eine Entscheidung überhaupt getroffen hat. Die Frage, wie diese Entscheidung inhaltlich lautet, könne nicht zu einem Verfahren nach §42 Abs1 VerfGG führen.
Der VfGH ging im Erk. VfSlg. 1341/1930 davon aus, daß der Begriff der "Sache" ein prozessualer Begriff sei, der in Übereinstimmung mit den das Verwaltungs- und das gerichtliche Verfahren regelnden prozessualen Vorschriften auszulegen sei. Eine Frage, die für die Entscheidung einer bestimmten Behörde in einer bestimmten Sache lediglich eine Vorfrage bilde, die aber ihrerseits nach der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nicht von dieser gleichen, sondern nur von einer anderen Behörde selbständig entschieden werden könne, eine solche Vorfrage bilde für die erkennende Behörde nicht eine "Sache" iS der ZPO und des AVG, weil "Sache" iS dieser Verfahrensvorschriften stets nur die Angelegenheit bilden könne, die einer Entscheidung im prozeßrechtlichen Sinn durch den Spruch des Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde zugeführt werden solle oder zugeführt worden sei.
Der VfGH sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung, welche er mit den Erk. VfSlg. 1720/1948 und 2899/1955 fortgesetzt hat, abzugehen.
3. Im vorliegenden Fall hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob ein Vertrag nach den Normen des Zivilrechtes nichtig ist. Die Verwaltungsbehörde andererseits hat darüber zu entscheiden, ob dieser Vertrag nach den Normen des Grundverkehrsrechtes genehmigungspflichtig ist. Die Frage der Genehmigungspflicht ist daher nur für die Verwaltungsbehörde eine Hauptfrage, für das Gericht hingegen lediglich eine Vorfrage.
Da somit die Verwaltungsbehörde und das Gericht nicht die Entscheidung in derselben Sache für sich in Anspruch genommen haben, liegt kein Kompetenzkonflikt iS des Art138 Abs1 lita B-VG vor.
4. Der Antrag ist daher wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Grundverkehrsrecht, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:KI3.1980Dokumentnummer
JFT_10189689_80KI0003_00