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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG-Nov 1974 ArtVIILeitsatz
Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc räumen der Behörde kein Ermessen ein; keine Bedenken gegen diese Bestimmungen; Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Frage, ob die Grundstücke einem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sindSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Mit Kaufvertrag vom 19. Jänner 1979 erwarb die Erstbeschwerdeführerin vom Drittbeschwerdeführer die Grundstücke 3025, 3026 und 3027 der Liegenschaft EZ 1234 II KG Telfs.
Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Telfs vom 23. März 1979 wurde der beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung versagt.
b) Mit Kaufvertrag vom 22. Jänner 1979 erwarb die Erstbeschwerdeführerin weiters vom Zweitbeschwerdeführer die Grundstücke 3094 und 3095 der EZ 1500 II KG Telfs.
Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Telfs vom 23. März 1979 wurde auch dieser beabsichtigten Eigentumsübertragung die Zustimmung versagt.
2. Den gegen diese Bescheide von den jeweiligen Vertragsparteien erhobenen Berufungen wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 4. Juli 1979, LGv-73/3 + 74/3, keine Folge gegeben und den gegenständlichen Eigentumsübertragungen gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc des Tir. Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971 idF LGBl. 6/1974 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß es sich bei den Kaufgrundstücken um zweischnittige Wiesenflächen handle, die in den letzten Jahren als solche auch genutzt worden seien. Die Erwerberin beabsichtige wohl eine künftige Bewirtschaftung "in Form der Bepflanzung aus Umweltschutzgründen", sie verfüge jedoch bisher weder über einen landwirtschaftlichen Besitz noch über einen solchen Betrieb. Eine ordnungsgemäße Nutzung der Kaufflächen könne aber nur im Rahmen eines bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes erfolgen, da die Größe der Grundstücke von zusammen ca. 3000 Quadratmeter bei der vorliegenden Bonität für die Neuschaffung eines solchen Betriebes keine Grundlage böte. Da die Käuferin über keinen entsprechenden Betrieb verfüge, in dessen Rahmen die Bewirtschaftung der Grundflächen erfolgen könnte, liege der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc GVG vor. Daß auch die Verkäufer über keinen entsprechenden Betrieb verfügen, vermöge hieran nichts zu ändern.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, inhaltlich auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer behaupten zunächst, infolge Verfassungswidrigkeit der §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG in ihren Rechten verletzt worden zu sein.
a) Sie vermeinen, daß durch diese Bestimmungen der Grundverkehrsbehörde ein "unüberprüfbares Ermessen" eingeräumt werde, sodaß es der Willkür dieser Behörde überlassen sei, einem Rechtserwerb zuzustimmen oder die Zustimmung zu versagen.
Gemäß §4 Abs1 GVG darf die erforderliche Zustimmung (§3 Abs1) bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken (§1 Abs1 Z1) nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. §6 Abs1 GVG führt einzelne Tatbestände an, bei deren Vorliegen "einem Rechtserwerb iS des §3 Abs1 insbesondere nicht zuzustimmen ist" und konkretisiert derart den nur allgemein umschriebenen Inhalt des §4 Abs1 GVG. Als spezieller Versagungstatbestand ist im §6 Abs1 unter litc genannt:
"... wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke ... jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird."
Daraus ergibt sich, daß von einem der Behörde eingeräumten Ermessen keine Rede sein kann. Die Behörde hat vielmehr ihre Entscheidung, gebunden an die gesetzlichen Anordnungen, zu treffen. Wenn §4 Abs1 GVG auch unbestimmte Gesetzesbegriffe enthält (zB. öffentliches Interesse), ist die Rechtslage in einem solchen Maße determiniert, daß die Übereinstimmung der verwaltungsbehördlichen Akte mit dem Gesetz überprüft werden kann. Der VfGH hat daher keine Bedenken, daß §4 Abs1 oder §6 Abs1 litc GVG nicht ausreichend determiniert wären (vgl. VfSlg. 7198/1973, 7546/1975).
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG hegen die Beschwerdeführer auch, weil es nicht Aufgabe und Sinn dieser Bestimmungen sein dürfe, den Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken derart einzuschränken, daß ein Grunderwerb auch dann verboten werden könne, wenn weder die Verkäufer noch die Käufer dem Bauernstand angehören. Sinn und Zweck des Grundverkehrsrechtes könne nur sein, daß land- oder forstwirtschaftlich genutzter Boden dieser Nutzung weiterhin erhalten bleibe. Wenn der Auslegung der belangten Behörde zu folgen sein sollte, daß die Zustimmung zu einer beabsichtigten Eigentumsübertragung auch dann zu versagen sei, wenn ein Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht bewirtschaftet wurde und diesbezüglich durch die Eigentumsübertragung keine Änderung eintrete, verstoße die Regelung gegen die Unversehrtheit des Eigentums und, da sie aus sachlichen Gründen nicht gerechtfertigt werden könne, auch gegen das Gleichheitsgebot.
Da eine Anwendung der §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG voraussetzt, daß die betroffenen Grundstücke dem GVG unterliegen, was nur dann der Fall ist, wenn sie dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, können die Bedenken der Beschwerdeführer gegen diese Bestimmungen nur solche Anwendungsfälle betreffen, in denen die bisherigen Eigentümer die Grundstücke nicht selbst bewirtschaftet haben. Der VfGH hatte §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG wiederholt in Beschwerdefällen anzuwenden, in denen die Untersagung eines Rechtsgeschäftes nach diesen Gesetzesstellen stattgefunden hatte, obwohl die bisherigen Eigentümer die kaufgegenständlichen Grundstücke nicht selbst bewirtschaftet hatten; er hat darin weder ein gleichheitswidriges noch ein denkunmögliches Vorgehen der Behörde erblickt (vgl. VfSlg. 7685/1975, 8245/1978) und damit die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Normen auch für solche Fälle anerkannt. Er hat auch unter dem Blickpunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG.
2. a) Da das Vorbringen der Beschwerdeführer, es könne nicht Sinn und Zweck des Grundverkehrsrechtes sein, daß jedes Grundstück, das im Freiland liegt, kraft seiner Lage als land- oder forstwirtschaftlich genutzter Boden angesehen werde, die Behauptung enthält, daß die belangte Behörde die Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung zu Unrecht in Anspruch genommen habe, hat sich der VfGH auch damit befaßt, ob es sich bei den kaufgegenständlichen Grundstücken um land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke handelt, da andernfalls die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden wären.
b) Auf dem Boden der vom VfGH vertretenen grundsätzlichen Auffassung (VfSlg. 7898/1976, 8415/1978, 8718/1979, 9005/1981) ist bei verfassungskonformer Auslegung des §1 Abs1 Z1 GVG davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Grundverkehrs (soweit es sich um den Rechtserwerb durch Inländer handelt) nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, das sind solche, auf denen Land- und Forstwirtschaft betrieben wird (VfSlg. 8257/1978). Dies ist jedenfalls hinsichtlich solcher Grundstücke der Fall, die von einem Land- oder Forstwirt auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art genutzt werden; hiebei ist unerheblich, ob das Grundstück im Eigentum dessen steht, der es nutzt, oder ob er es auf Grund eines Pachtvertrages, einer Bittleihe oder auf Grund irgendeines anderen Rechtstitels nutzt.
Gleiches gilt aber auch für Grundstücke, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch auf eine für Land- oder Forstwirte signifikante Art wirtschaftlich genutzt werden.
Ob die Nutzung auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Weise erfolgt, ist vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welchen primären Verwendungszweck das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- und Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten, finden.
Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft iS der vorstehenden Ausführungen betrieben wird, wobei, um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden dürfen; der Entfall der Widmung darf daher nur so lange zurückliegen, als dies aus diesem Zweck erklärbar ist (VfSlg. 7838/1976).
Aus der Widmung einer Grundfläche unter raumplanerischen und baurechtlichen Gesichtspunkten allein ist nichts zur Beantwortung der Frage zu gewinnen, ob ein Grundstück als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iS des §1 Abs1 GVG zu gelten hat (VfSlg. 7580/1975). Dies gilt auch für den bloßen Umstand der Lage eines Grundstückes im Freiland.
c) Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid lediglich aus, der von einem Amtsorgan durchgeführte Lokalaugenschein habe im wesentlichen ergeben, daß sich die Grundstücke am Westrand einer Siedlung befinden, an das dort ausgewiesene Wohn-Mischgebiet anschließen, die Kaufflächen selbst aber als Freiland (Grünland) ausgewiesen seien. Die Grundparzellen 3094 und 3095 seien in der Natur eine leichthängige, dreiecksförmige Wiesenfläche, auf der ein Bienenhaus errichtet sei, die Grundparzellen 3026 und 3027 bildeten im südöstlichen Teil den Übergang zu einem Steilhang, der teilweise mit einer Stützmauer abgesichert sei. Der obere, auf der Anhöhe gelegene Teil der Grundparzelle 3025, 3026 und 3027 sei zum Teil eben und "falle dann rundartig zu einem Gewerbebetrieb ab". Die Flächen seien zweischnittige Wiesenflächen, die in den letzten Jahren auch als solche genutzt worden seien.
Damit kann als festgestellt angesehen werden, daß es sich bei den Kaufgrundstücken um zweischnittige Wiesenflächen handelt. Entscheidungsrelevant wäre jedoch gewesen, ob das Gras auch regelmäßig geschnitten wurde, ob dies durch einen Landwirt erfolgte und ob es für einen landwirtschaftlichen Betrieb verwendet wurde. Völlig ungeklärt blieb durch die belangte Behörde schließlich, welche Bewandtnis es mit dem Bienenhaus hat. Da die Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren die Nutzung der Grundstücke für den landwirtschaftlichen Betrieb bestritten haben und es sich sowohl beim Verkäufer der Grundstücke 3025, 3026 und 3027 (einem Gastwirt) als auch beim Verkäufer der Grundstücke 3094 und 3095 (einem Maurer) nicht um einen Landwirt handelt, konnte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß eine landwirtschaftliche Nutzung tatsächlich stattgefunden hat.
Ob die Kaufgrundstücke dem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, konnte vielmehr nur danach beurteilt werden, ob deren Nutzung auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Weise erfolgt, wozu es erforderlich gewesen wäre zu ermitteln, von wem die Nutzung erfolgt ist, wer das Gras geschnitten hat, was mit dem Gras geschehen ist und wozu - wirtschaftlich gesehen - das Gras geschnitten wurde; zu ermitteln wäre auch gewesen, ob und welcher Art eine Nutzung des Bienenhauses stattfand.
Da die belangte Behörde hinsichtlich der für die Beurteilung ihrer Zuständigkeit entscheidenden Punkte jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, hat sie die Entscheidung leichtfertig gefällt und damit willkürlich gehandelt. Die Beschwerdeführer sind folglich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden (VfSlg. 8682/1979, 8737/1980).
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Rechtsbegriffe unbestimmte, öffentliches InteresseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B333.1979Dokumentnummer
JFT_10189688_79B00333_00