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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Ktn. Straßengesetz 1971; Öffentlicherklärung eines Weges - Rechtsakt mit generellem Adressatenkreis; rechtmäßige Zurückweisung einer Vorstellung als unzulässigSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg, pol. Bezirk St. Veit a.d. Glan, faßte in seiner Sitzung vom 27. Oktober 1975 den Beschluß, den "St. Martiner Almweg" zum "öffentlichen Verbindungsweg" zu erklären. Dieser Beschluß wurde am 4. November 1975 unter dem Titel "Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg vom 1975 10 27, mit der der St. Martiner Almweg, führend vom 'Stettner' bis zur St. Martiner Almhütte, für öffentlich erklärt wird" durch Anschlag an der Gemeindetafel kundgemacht. Er hat folgenden Wortlaut:
"Gemäß §§2 Abs1a, 3 und 22 des Ktn. Straßengesetzes, LGBl. Nr. 48/1971, hat der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg folgende Verordnung beschlossen:
§1
Der bisherige Interessentenweg "PRESSNERALM" - "St. MARTINER ALMWEG", führend vom Gehöft vlg. "Stettner" in St. JOHANN/PRESSEN bis St. Martiner Almhütte, wird zum
ÖFFENTLICHEN VERBINDUNGSWEG
erklärt.
§2
Dieser öffentliche Verbindungsweg erhält die Bezeichnung "St. MARTINER ALMWEG".
§3
Der öffentliche Verbindungsweg beginnt ... (es folgt eine Beschreibung des Wegverlaufs unter Angabe der Grundstücksnummern) ... bis zur St. Martiner Almhütte.
§4
Dieser Weg dient dem allgemeinen Verkehr, und zwar durch den Verlauf des Weges vorausbestimmt für die Benützung und Bearbeitung der angrenzenden Grundstücke, sowie zur Erschließung des Almgebietes St. Johann am Pressen und St. Martin am Silberberg.
§5
Dieser öffentliche Verbindungsweg gilt als Ersatz für die durch den Ausbau der Interessentenwege unfahrbar gemachten öffentlichen Verbindungswege.
Die durch diesen neuen öffentlichen Verbindungsweg entbehrlich gewordenen Teile des alten öffentlichen Weges werden durch einen Gemeinderatsbeschluß gesondert aufgelassen.
§6
Die Verordnung tritt mit dem darauffolgenden Tage der Kundmachung in Kraft."
2. Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Gemeinderatsbeschluß mit einem beim Gemeindeamt eingebrachten Schriftsatz vom 14. November 1975 Vorstellung an die Ktn. Landesregierung, in der sie beantragten, "die angefochtene Verordnung ... wegen Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit durch Verordnung der Landesregierung bzw. soweit in der Öffentlicherklärung ein Bescheid enthalten ist, durch Bescheid aufzuheben".
Weiters erhoben die Beschwerdeführer gegen den Gemeinderatsbeschluß (sowie gegen ein im gegebenen Zusammenhang nicht interessierendes Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde Hüttenberg) eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH in der sie den Standpunkt vertraten, daß sich der Gemeinderat hinsichtlich der Öffentlicherklärung mißbräuchlich der Verordnungsform bedient habe, um die tatsächlich vorliegende Erlassung eines Bescheides zu verschleiern.
Der VfGH wies diese Beschwerde mit dem Beschluß vom 12. Juni 1976, B450/75, zurück, aus dessen Begründung (auf die im einzelnen verwiesen wird) folgendes hervorzuheben ist: Es bestehe kein Anlaß, die Frage nach der Rechtsnatur des Gemeinderatsbeschlusses zu beantworten. Beurteilte man den Beschluß dem gesamten Inhalt nach als Verordnung, so fehlte den Beschwerdeführern nach der damals geltenden Verfassungsrechtslage (Art139 B-VG idF vor dem Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. 302/1975) die Legitimation zur Anfechtung. Folgte man hingegen der Meinung der Beschwerdeführer, es liege hinsichtlich der Öffentlicherklärung ihnen gegenüber ein Bescheid vor, so sei der Instanzenzug nicht erschöpft.
3. Mit dem Bescheid vom 25. August 1976 wies die Ktn. Landesregierung die erwähnte Vorstellung als unzulässig zurück und begründete dies folgendermaßen: Während das Rechtsmittel der Vorstellung iS des §84 der Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. 1/1966 (im folgenden: AGO), der rechtlichen Kontrolle der von der Gemeindeverwaltung im Bereich der Selbstverwaltung gesetzten individuellen Verwaltungsakte auf Initiative der Betroffenen diene, gebe Art119a Abs6 B-VG der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit einer rechtlichen Kontrolle der generellen Verwaltungsakte der Gemeinde des eigenen Wirkungsbereiches von Amts wegen. Die Bestimmungen des Art119a Abs6 B-VG würden durch §87 AGO ausgeführt, der die Aufhebung von Verordnungen zum Inhalt habe. Da eine Verordnung der Gemeinde nur durch eine Verordnung der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden könne, nicht jedoch in Form eines Bescheides, erweise sich die Vorstellung als unzulässig.
4. Der Vorstellungsbescheid bildet den Gegenstand der vorliegenden Beschwerde an den VfGH, in welcher die Beschwerdeführer begehren, "den angefochtenen Bescheid sowie die dem Bescheid zugrundeliegende Verordnung der Marktgemeinde Hüttenberg vom 4. 11. 1975 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben" und hilfsweise - unter Berufung auf Art144 Abs2 B-VG - die Beschwerdeabtretung an den VwGH beantragen.
Die Beschwerdeführer, welche eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behaupten, legen im wesentlichen dar, daß der für öffentlich erklärte Weg bis zur Öffentlicherklärung ein (zum überwiegenden Teil in ihrem Eigentum stehender) privater Güterweg gewesen sei. Die Öffentlicherklärung eines Privatweges sei ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid; es sei gesetz- und verfassungswidrig, diesen individuellen Verwaltungsakt in die Form einer Verordnung zu kleiden. Die Ktn. Landesregierung hätte erkennen müssen, daß die Öffentlicherklärung eines Weges ein individueller Verwaltungsakt sei, der in die Form eines Bescheides zu kleiden und in erster Instanz vom Bürgermeister zu erlassen sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführer wäre die Verordnung daher meritorisch als Bescheid einer nicht zuständigen Behörde zu beurteilen und als solcher zur Gänze aufzuheben gewesen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die von den Beschwerdeführern behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hätte nach der Lage dieses Falles gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur stattgefunden, wenn die belangte Landesregierung den Beschwerdeführern die von ihnen verlangte Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hätte. Davon kann aber nicht die Rede sein.
Die Beschwerdeführer verkennen, daß für die Beurteilung der Rechtsnatur des von ihnen mit Vorstellung bekämpften Gemeinderatsbeschlusses ausschließlich der Umstand maßgebend ist, ob die Adressaten dieser Rechtsvorschrift nach individuellen oder nach generellen Merkmalen bestimmt sind; entgegen ihrer Meinung kommt es nicht darauf an, ob von Rechts wegen ein individueller Verwaltungsakt an sie zu erlassen gewesen wäre. Gleichviel nämlich, ob dem Gemeinderatsbeschluß bloß die Wirkung einer Einreihung einer Verkehrsfläche in eine der Straßengruppen des §3 des Ktn. Straßengesetzes 1971, LGBl. 48/1971 (in der damals geltenden Fassung der Novelle LGBl. 15/1973 - im folgenden: StraßenG 1971 -) zukommt oder ob er - im Hinblick auf die Öffentlicherklärung eines in der Natur bereits bestehenden Weges - den Gemeingebrauch an einem bisherigen Privatweg begründet (siehe §2 des StraßenG 1971; vgl. zu der insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Oö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975, LGBl. 22/1975, das Erk. VfSlg. 8156/1977 sowie zu der nach dem Stmk.
Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl. 154/1964, das Erk. VfSlg. 8282/1978), handelt es sich jedenfalls um Rechtsakte mit generellem Adressatenkreis. Die Ktn. Landesregierung hat daher die Vorstellung, weil sie sich nicht gegen einen gemeindebehördlichen Bescheid richtete, zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die festgestellte Gesetzmäßigkeit der angefochtenen aufsichtsbehördlichen Entscheidung schließt die Annahme aus, daß die Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären. Auch eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hat nicht stattgefunden, da sich Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht ergeben haben.
3. Die Beschwerde war sohin abzuweisen und antragsgemäß nach Art144 B-VG an den VwGH abzutreten.
4. In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH haben die Beschwerdeführer auch die Frage angeschnitten, ob ihnen nunmehr die Legitimation in bezug auf einen Verordnungsprüfungsantrag zukommt. Im Hinblick auf dieses Vorbringen hält der VfGH fest, daß eine Wertung der Beschwerde als ein gegen die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg gerichteter Individualantrag iS des Art139 Abs1 B-VG schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil das - auch auf Aufhebung der Verordnung gerichtete - Begehren der Beschwerdeführer ausschließlich aus der Rechtswidrigkeit des von ihnen angefochtenen Bescheides abgeleitet wird.
Schlagworte
Gemeinderecht, Vorstellung, Straßenverwaltung, Interessentenweg, Bescheidbegriff, VfGH / Individualantrag, Auslegung eines AntragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B386.1976Dokumentnummer
JFT_10189682_76B00386_00