TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/18 WI-15/80

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Veröffentlicht am 18.03.1981
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Stmk GdWO 1960 §67 Abs2
Stmk GdWO 1960 §81
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Stmk. Gemeindewahlordnung 1960; gültig ausgefüllter Stimmzettel iSd §67 Abs2 erster Satz; eindeutig erkennbarer Wählerwille

Spruch

Der Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Landl (pol. Bezirk Liezen) vom 23. März 1980 wird nicht stattgegeben.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Verordnung der Stmk. Landesregierung vom 26. November 1979, LGBl. 79/1979, wurden die allgemeinen Wahlen der Mitglieder des Gemeinderates für die Gemeinden des Landes Stmk. mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz mit dem Wahltag 23. März 1980 ausgeschrieben.

Die Wahlen waren nach den Bestimmungen der Gemeindewahlordnung 1960 - GWO 1960 (Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 25. Jänner 1960, LGBl. 6/1960, über die Wiederverlautbarung der Gemeindewahlordnung 1954) in der zuletzt durch das Landesgesetz LGBl. 10/1980 geänderten Fassung durchzuführen.

Für die Wahl in der Gemeinde Landl (pol. Bezirk Liezen) war die Gemeinde in drei Wahlsprengel eingeteilt: I - Erb-Kirchenlandl, II - Mooslandl-Lainbach, III - Großreifling-Krippau.

Es haben drei Wählergruppen (wahlwerbende Parteien) rechtzeitig Wahlvorschläge vorgelegt, und zwar (in der in §48 GWO 1960 geregelten Reihenfolge)

Liste 1 "Österreichische Volkspartei - ÖVP"

Liste 2 "Sozialistische Partei Österreichs - SPÖ"

Liste 3 "Freiheitliche Partei Österreichs - FPÖ".

Insgesamt waren 15 Gemeinderatssitze zu vergeben (§15 der Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115/1967; §1 Abs2 GWO 1960 idF LGBl. 28/1969).

Die Gemeindewahlbehörde hat nachstehendes Wahlergebnis festgestellt und durch Anschlag vom 24. März bis 10. April 1980 kundgemacht:

Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen .. 1.034

Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen .....................    10

Summe der abgegebenen

gültigen Stimmen ............................................. 1.024

Davon entfallen auf die                  Stimmen   Gemeinde-

                                                   ratssitze

Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)    497         8

Österreichische Volkspartei (ÖVP)          434         6

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)      93         1

2. Gestützt auf §81 GWO 1960 erhob der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Österreichischen Volkspartei Einspruch an die Landeswahlbehörde wegen Rechtswidrigkeit bei der Beurteilung von zwei Stimmzetteln durch die Gemeindewahlbehörde Landl. Die beiden Stimmzettel seien falsch bewertet worden: Der eine sei der Liste 2 zugeordnet, der zweite für ungültig befunden worden.

Dem Einspruch wurde von der Landeswahlbehörde in ihrer Sitzung am 20. Mai 1980 stattgegeben. Der Bescheid ist dem Zustellungsbevollmächtigten der Liste 2 am 27. Mai zugestellt worden.

In dem Bescheid vom 20. Mai 1980, GZ 7-5 I La 30/2-1980, ist in Spruch I (Spruch II betrifft die Zurückweisung eines anderen Einspruches, der für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung ist) wie folgt entschieden worden:

"Dem Einspruch des Zustellungsbevollmächtigten der wahlwerbenden Partei "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" wird gemäß §81 Abs3 in Verbindung mit §67 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1960, LGBl. Nr. 6, in der letzten Fassung LGBl. Nr. 10/1980

Folge

gegeben und das Ergebnis der Gemeinderatswahlen vom 23. 3. 1980 in der Gemeinde Landl, politischer Bezirk Liezen, wie folgt festgesetzt:

a) Gesamtsumme der abgegebenen

   gültigen und ungültigen Stimmen    1.034

   ungültige Stimmen                      9

   gültige Stimmen                    1.025 (früher 1024)

   davon gültig für die

   Österreichische Volkspartei          435 (früher 434)

   Sozialistische Partei Österreichs    497

   Freiheitliche Partei Österreichs      93.

b) Aufgrund dieses Stimmergebnisses

   beträgt die Wahlzahl 62,14.

   Es entfallen somit auf die

   Österreichische Volkspartei            7 (früher 6) Mandate,

   Sozialistische Partei Österreichs      7 (früher 8) Mandate,

   Freiheitliche Partei Österreichs       1 (früher 1) Mandat.

Außerdem wird die Wahl des Wahlwerbers Peter Höbenreich der wahlwerbenden Partei "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" in den Gemeinderat für nichtig erklärt und festgestellt, daß anstelle des Vorangeführten der Wahlwerber Leopold Wöhry der wahlwerbenden Partei "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" als Gemeinderat gewählt ist."

In der Begründung ist ausgeführt:

Die Überprüfung der beiden Stimmzettel durch die Landeswahlbehörde habe ergeben, daß der Stimmzettel Nr. 1, der für die SPÖ als gültig gewertet worden sei, im Feld der Parteibezeichnung "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" mit zwei Kreuzen gekennzeichnet sei. Die Schnittpunkte beider Kreuze lägen eindeutig im Feld der SPÖ. Es wäre dieser Stimmzettel daher als gültig für die SPÖ anzusehen.

Der für ungültig erklärte Stimmzettel Nr. 2 erscheine nach Ansicht der Landeswahlbehörde als gültig für die "Österreichische Volkspartei (ÖVP)". Er weise nämlich im Kreis vor der Parteibezeichnung "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" ein deutliches Kreuz auf, während im Kreis vor der Parteibezeichnung "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" nur ein kurzer Strich aufscheine. Die Landeswahlbehörde meine, daß dieser kurze Strich die Gültigkeit des Stimmzettels nicht beeinträchtige.

Das von der Landeswahlbehörde festgesetzte Ergebnis der Gemeinderatswahl 1980 in der Gemeinde Landl ist in Anwendung der Bestimmungen des §80 GWO 1960 durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde in der Zeit von 29. Mai 1980 bis 1. Juli 1980 kundgemacht worden.

3. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Wählergruppe Liste 2 (Sozialistische Partei Österreichs) ficht die Wahl (mit einem am 24. Juni 1980 zur Post gegebenen Schriftsatz) beim VfGH, gestützt auf Art141 Abs1 litb (richtig offenbar: lita) B-VG, an und stellt dabei den Antrag, den Bescheid der Landeswahlbehörde vom 20. Mai 1980 wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wird von der anfechtenden Wählergruppe darin gesehen, daß der Bescheid der Landeswahlbehörde den Stimmzettel Nr. 2 als für die Österreichische Volkspartei gültig wertet.

Unter Hinweis auf die §§67 und 69 GWO 1960 und dem Umstand, daß der Stimmzettel Nr. 2 sowohl im Kreise vor der Parteibezeichnung "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" ein Kreuz, aber auch vor der Parteibezeichnung "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" einen Strich aufweise, wird die Rechtsauffassung vertreten, daß dieser Stimmzettel eindeutig ungültig sei, "da sowohl das Kreuz als auch der Strich gemäß der GWO 1960 ein gleichwertiges Zeichen bedeutet und daher zwei verschiedene Parteilisten angezeichnet wurden, aber auch aus der vom Wähler angebrachten Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte".

Nach Meinung der anfechtenden Wählergruppe beeinflußt die behauptete Rechtswidrigkeit das Wahlergebnis, da die ungültigen Stimmen nicht mit 10, sondern mit 9 Stimmen ermittelt worden seien, weshalb auch das Mandatsverhältnis nicht mit 6 für die Österreichische Volkspartei und 8 zugunsten der Sozialistischen Partei Österreichs, sondern mit 7:7 für beide Parteien ermittelt worden sei und daher die Wahl des Peter Höbenreich der wahlwerbenden Partei "Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)" in den Gemeinderat für nichtig erklärt und festgestellt worden sei, daß an seiner Stelle der Wahlwerber Leopold Wöhry der wahlwerbenden Partei "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" als Gemeinderat gewählt worden sei.

Die Landeswahlbehörde hat die Wahlakten der Gemeinde Landl vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und auf die Begründung des "angefochtenen" Bescheides vom 20. Mai 1980 verwiesen.

4. In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH am 13. März 1981 beantragten sowohl die anfechtende Wählergruppe als auch die Landeswahlbehörde den Zuspruch von Kosten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §68 Abs1 VerfGG 1953 muß eine Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein. Aus dieser Norm ergibt sich, daß eine Wahlanfechtung beim VfGH dann (und solange) unzulässig ist, wenn in dem Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen und nicht erschöpft ist.

Die GWO 1960 sieht in §81 eine Wahlanfechtung im Instanzenzug vor (vgl. VfSlg. 5144/1965), und zwar die Erhebung eines Einspruches an die Landeswahlbehörde sowohl gegen die ziffernmäßige Ermittlung einer Gemeindewahlbehörde als auch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens (wozu auch behauptete Rechtswidrigkeiten in der Wertung von Stimmzetteln als gültig oder ungültig gehören); gegen die Entscheidung der Landeswahlbehörde ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Wahlanfechtung ist innerhalb der in §68 Abs1 VerfGG 1953 für den dort zweitgenannten Fall vorgesehenen Frist eingebracht worden.

Sie ist, da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

2. Die von der anfechtenden Wählergruppe behauptete Rechtswidrigkeit liegt allein in der Wertung eines Stimmzettels als gültig.

a) Die GWO 1960 enthält diesbezüglich folgende Bestimmungen:

Die Stimmenabgabe hat mittels amtlicher Stimmzettel zu erfolgen (§61). Der amtliche Stimmzettel hat den im Gesetz näher umschriebenen Erfordernissen zu entsprechen (§66 und Muster der Anlage 8).

Über die gültige Ausfüllung des Stimmzettels enthält die GWO 1960 Bestimmungen, von denen hier in Betracht zu ziehen sind:

§67 Abs2:

"Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, z.B. durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist."

In dem Muster des amtlichen Stimmzettels in Anlage 8 der GWO 1960 steht als Überschrift über der Rubrik, welche die links von den Parteibezeichnungen vorgedruckten Kreise enthält (vgl. §66 Abs1 und §67 Abs2), die Belehrung: "Für gewählte Partei im Kreis ein X einsetzen!".

Der Stimmzettel ist ua. ungültig, "wenn zwei oder mehrere Parteilisten oder Bewerber verschiedener Parteilisten angezeichnet wurden" (§69 Abs1 Z4) oder "wenn aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte" (§69 Abs1 Z6).

b) Der bei der angefochtenen Wahl verwendete amtliche Stimmzettel entspricht den in §66 in Verbindung mit dem Muster Anlage 8 der GWO 1960 umschriebenen Erfordernissen.

Der strittige Stimmzettel wurde im Wahlsprengel III abgegeben. Er enthält in der Zeile der Parteiliste 1 in dem links von der Parteibezeichnung der ÖVP vorgedruckten Kreis ein diesen ausfüllendes liegendes Kreuz und in der Zeile der Parteiliste 2 in dem links von der Parteibezeichnung der SPÖ vorgedruckten Kreis einen Schrägstrich, der die Richtung des nach rechts aufwärts führenden Schrägstriches des genannten liegenden Kreuzes, eine Länge von etwa zwei Dritteln des Durchmessers des Kreises aufweist und am Rande des Kreises endet. Beide Zeichen sind mit Bleistift angebracht.

Die Gemeindewahlbehörde hat diesen Stimmzettel in ihrer Sitzung am 23. März 1980 (nach der Niederschrift über diese Sitzung vom gleichen Tag) ohne nähere Begründung für ungültig erklärt. Die Landeswahlbehörde dagegen hat in dem Bescheid vom 20. Mai 1980 gemeint, daß der kurze Strich im Kreis in der Zeile der Liste 2 die Gültigkeit des Stimmzettels nicht beeinträchtige.

§67 Abs2 erster Satz GWO 1960 stellt den allgemeinen Grundsatz auf, daß der Stimmzettel gültig ausgefüllt ist, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Im Anschluß daran werden in beispielsmäßiger Aufzählung Umstände genannt, bei deren Zutreffen der Wille des Wählers eindeutig zu erkennen ist (VfSlg. 5144/1965, S 735). Der Gesetzgeber hat dabei dem an erster Stelle angeführten liegenden Kreuz eine besondere Bedeutung als Kennzeichen beigemessen: Die Anbringung dieses Zeichens auf dem Stimmzettel in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise genügt für die Kennzeichnung der gewählten Parteiliste; unmißverständlich ist dies in dem einen Gesetzesbestandteil bildenden Muster Anlage 8 zum Ausdruck gebracht durch die Belehrung, im Kreis ein liegendes Kreuz einzusetzen. Die Anbringung anderer - nicht näher umschriebener - Zeichen dagegen kann nur dann als Kennzeichnung der gewählten Parteiliste gelten, wenn aus dem Zeichen unzweideutig hervorgeht, daß der Wähler die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will.

Wenn nun ein Wähler auf dem amtlichen Stimmzettel, der dem Wähler die dem Muster Anlage 8 entsprechende Belehrung unmittelbar vor Augen führt - wie im vorliegenden Fall -, in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein eindeutig erkennbares liegendes Kreuz anbringt und in einem anderen Kreis einen kurzen schrägen Strich-, so ist aus dem Stimmzettel eindeutig zu erkennen, daß der Wähler die Parteiliste wählen wollte, die in der mit dem liegenden Kreuz gekennzeichneten Zeile angeführt ist.

Anders müßte die Beurteilung freilich lauten, wenn ein Wähler liegende Kreuze in mehreren Kreisen anbrächte; anders könnte die Beurteilung allenfalls auch lauten, wenn andere Zeichen in mehreren Kreisen angebracht wären.

3. Da die Landeswahlbehörde den streitgegenständlichen Stimmzettel mit Recht als gültig und als Stimme für die Parteiliste 1 gewertet hat, ist die behauptete Rechtswidrigkeit nicht gegeben.

Der Wahlanfechtung war nicht stattzugeben.

Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 (vgl. dazu auch §27 VerfGG 1953) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Stimmzettel, Parteibezeichnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:WI15.1980

Dokumentnummer

JFT_10189682_80WI0015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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