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95 TechnikNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art139 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der "Richtlinien für die Kanzleirevision" der Ingenieurkammer für Steiermark und Kärnten; keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Der Antragsteller ist Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen in Graz und als Ziviltechniker Mitglied der Ingenieurkammer für Stmk. und Ktn.
2. Mit einer auf Art139 B-VG gestützten Eingabe bringt der Antragsteller vor, am 4. Feber 1980 habe die Vollversammlung der "Sektion Ingenieurkonsulenten der Ingenieurkammer für Steiermark und Kärnten" einen Beschluß gefaßt, wonach auf Grund von "Richtlinien" eine Überprüfung der Ingenieurkonsulenten stattzufinden habe. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, daß es sich bei dem im Rundschreiben vom 7. August 1980 bekanntgegebenen Beschluß der Vollversammlung vom 4. Feber 1980 um eine Rechtsverordnung handle, die im Ingenieurkammergesetz vom 22. Jänner 1969, BGBl. 71, keine Deckung finde, da es sich bei der einzigen gesetzlichen Grundlage hiefür, nämlich dem §2 Abs2 Z2 um eine formalgesetzliche Delegation handle. Diese Bestimmung beschränke sich nämlich darauf, zu bestimmen, daß das standesgemäße Verhalten der Kammermitglieder zu beaufsichtigen sei, ohne dies näher zu konkretisieren.
Gemäß dem Rundschreiben vom 7. August 1980 seien den Prüfungsorganen die Kanzleiräume zugänglich zu machen und alle Unterlagen vorzubereiten, die eine Überprüfung iS der dem Rundschreiben angeschlossenen Richtlinien ermöglichten. Der Sektionsvorstand solle unter anderem berechtigt sein, markante Überprüfungsergebnisse in den Kammernachrichten zu veröffentlichen, allenfalls auch an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten. Eine Kanzleirevision dieses Umfanges sei ein derart schwerwiegender Eingriff in die Privat- bzw. Berufssphäre, daß eine solche Maßnahme nicht unter die überhaupt nicht näher detaillierte Bestimmung des §2 Abs2 Z2 des Ingenieurkammergesetzes subsumierbar erscheine. Das Betreten fremder Lokalitäten durch Amtsorgane finde sich in der österreichischen Rechtsordnung mehrfach - jedoch immer gesetzlich geregelt - vor allem, weil Ausnahmen von den Grund- und Freiheitsrechten durch den Gesetzgeber geregelt sein müßten. Es erscheine daher der Grundsatz der Unverletzlichkeit des Hausrechtes und allenfalls auch des Briefgeheimnisses verletzt.
Da das Ingenieurkammergesetz keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung einer derartigen Verordnung im eigenen Wirkungsbereich biete und der Antragsteller durch sie in den oben bezeichneten Rechten verletzt sei, stellt er den Antrag "der VfGH wolle die ganze Verordnung der Ingenieurkammer für Steiermark und Kärnten, Sektion Ingenieurkonsulenten, gemäß dem Beschluß der Vollversammlung vom 4. Feber 1980, womit für die Berufsgruppe der Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen die Einrichtung einer Kanzleirevision nach festgelegten Richtlinien geschaffen wurde", als gesetzwidrig aufheben.
3. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Rundschreiben vom 7. August 1980 ergibt sich, daß "ca. 3 Wochen vor der Kanzleiüberprüfung eine Verständigung, ab welchem Tag die Überprüfung durchgeführt wird und welche Prüforgane ausgelost wurden" an den zu prüfenden Ingenieurkonsulenten zu ergehen hat.
II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Wie der VfGH in ständiger, mit VfSlg. 8009/1977 begonnener Rechtsprechung zu den auf den jeweils letzten Satz der Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 gegründeten Individualanträgen dargetan hat, ist Voraussetzung der Antragslegitimation einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung selbst tatsächlich erfolgt ist. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht.
2. Der Antragsteller hat wohl dargetan, wogegen er sich wendet, nämlich gegen den von ihm als Rechtsverordnung qualifizierten, mit Runderlaß vom 7. August 1980 bekanntgegebenen Beschluß der Vollversammlung der Sektion Ingenieurkonsulenten vom 4. Feber 1980, und erklärt, daß er diese zur Gänze bekämpfe - und auch ausgeführt, worin er deren Gesetzwidrigkeit erblickt. Da aufgrund des vom Antragsteller selbst vorgelegten Runderlasses eine Kanzleirevision erst nach einer ca. 3 Wochen vorausgehenden Ankündigung stattfinden darf und eine solche Ankündigung an den Antragsteller nach seinen eigenen Ausführungen noch gar nicht ergangen ist, kann der Antragsteller durch den von ihm als rechtswidrig erachteten Eingriff nur potentiell betroffen sein. Damit ist aber erwiesen, daß es schon an der Voraussetzung der aktuellen Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Antragstellers mangelt. Damit konnte dahingestellt bleiben, ob die sonstigen Voraussetzungen einer Individualantragstellung vorliegen und ob es sich bei dem angefochtenen Beschluß vom 4. Feber 1980 überhaupt um eine nach Art139 B-VG anfechtbare Norm handelt.
3. Der Verordnungsprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, IngenieurkammerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:V43.1980Dokumentnummer
JFT_10189682_80V00043_00