TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/19 B430/79, B433/79

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Veröffentlicht am 19.03.1981
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art10 Abs1 Z6
StGG Art5
Sbg GVG 1974 §12 Abs1 litd
Sbg GVG 1974 §12 Abs2
Sbg GVG 1974 §13 Abs1, §13 Abs2, §13 Abs4

Leitsatz

B-VG; Begriff "Grundstücksverkehr" in Art10 Abs1 Z6; Sbg. Grundverkehrsgesetz 1974; keine Bedenken gegen §12 Abs1 litd in kompetenzrechtlicher Hinsicht; keine Bedenken gegen §13 Abs2 und Abs4; keine denkunmögliche Anwendung dieser Bestimmungen

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Mietvertrag vom 19. Oktober 1978 vermieteten F. und E.F. der H. KG, deren Firmenvermögen sich überwiegend in ausländischem Besitz befindet (§11 litc GVG), Teile der Grundstücke 15/1, 916/110 und 916/44 der Liegenschaft EZ 24, KG M., zwecks Errichtung einer Filiale durch die Mieterin.

Die Grundverkehrs-Landeskommission Sbg. hat den Antrag auf Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft mit Bescheid vom 2. August 1979 gemäß §13 Abs2 des Sbg. Grundverkehrsgesetzes 1974, LGBl. 8 (in Hinkunft: GVG), mit der Begründung abgewiesen, es liege ein Versagungsgrund iS der Abs2 und 4 des §13 vor, weil dem von zwei österreichischen Interessenten an den gemieteten Liegenschaften geäußerten Verwendungszweck vom Standpunkt der öffentlichen Interessen zumindest eine gleiche Bedeutung zukomme.

2. Gegen diesen Bescheid richten sich die zu B430/79 (Beschwerdeführerin H. KG) und zu B433/79 (Beschwerdeführer F. und E.F.) protokollierten Beschwerden, in welchen die Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend machen und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §18 Abs1 litc GVG ist für Rechtsgeschäfte, bei denen als Rechtserwerber Ausländer in Betracht kommen, die Grundverkehrs-Landeskommission Grundverkehrsbehörde iS des GVG. Da nach §18 Abs3 GVG gegen Entscheidungen der Grundverkehrs-Landeskommission kein Rechtsmittel zulässig ist und da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Beschwerden zulässig.

2. In §12 Abs1 litd GVG ist vorgesehen, daß Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die die Bestandgabe eines Grundstückes zum Gegenstand haben - unbeschadet des Erfordernisses einer Zustimmung gemäß §2 Abs1 -, einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfen, sofern der Rechtserwerber Ausländer ist und staatsvertragliche Verpflichtungen nichts anderes bestimmen.

In den Beschwerden wird zunächst vorgebracht, der Begriff Grundstücksverkehr iS des Art10 Abs1 Z6 B-VG umfasse nicht Mietverträge, da man hiebei nicht von einem Grundstücksverkehr sprechen könne; mit der Bestandgabe eines Grundstückes trete keine Veränderung in der rechtlichen oder in der wirtschaftlichen Zugehörigkeit ein, Bestandrechte berechtigten nach §1090 ABGB lediglich zum Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache, aber nicht zu irgendwelchen Verfügungen über die Sache selbst; wenn der Gegenstand eines Vertrages lediglich die Bestandgabe des Grundstückes zur Errichtung von Geschäftsräumlichkeiten sei, könne von einem Grundverkehr nicht gesprochen werden.

Hiezu ist zu bemerken, daß durch das BVG, BGBl. 27/1969, Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, vom Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen (Art10 Abs1 Z6 B-VG) ausgenommen und damit der Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Länder (Art15 Abs1 B-VG) überlassen worden sind. Darin liegt auch die Feststellung des Verfassungsgesetzgebers, daß es erlaubt ist, unter Beachtung der übrigen Verfassungsrechtsordnung solche den Ausländer-Grundstücksverkehr beschränkende gesetzliche Regelungen zu schaffen (siehe hiezu die mit VfSlg. 6259/1970 beginnende Judikatur des VfGH).

Es ist den Beschwerdeführern einzuräumen, daß das Wort Grundstücksverkehr in Art10 Abs1 Z6 B-VG als solches verschieden ausgelegt werden kann. Vom Begriff Grundstücksverkehr wurde jedoch schon vor Erlassung der B-VG-Novelle 1969 mehr erfaßt als der Übergang des Eigentums an Grundstücken, so zB die Einräumung des Fruchtnießungsrechts und die Verpachtung von Grundstücken (siehe §1 des Grundverkehrsgesetzes BGBl. 251/1937 in der Fassung der Novelle BGBl. 123/1946, vgl. auch das Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 2658/1954). Jener Begriff des Grundstücksverkehrs für Ausländer, der Eingang in die B-VG-Novelle 1969 gefunden hat, war daher keineswegs so eng, wie die Beschwerdeführer vermeinen. Im übrigen bedurfte laut §1 Abs1 litd des im Zeitpunkt des Inkrafttretens der B-VG-Novelle 1969 geltenden Sbg. Ausländer-Grunderwerbsgesetzes 1964, LGBl. 96, die Bestandgabe eines Grundstückes in Form eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde.

Damit in Einklang stehen die Erläuterungen zur genannten B-VG-Novelle (884 BlgNR XI. GP), in welchen der ausdrückliche Hinweis darauf enthalten ist, daß bei Zweifeln über den Umfang der gegenständlichen Kompetenzregelung iS der für die Auslegung der Kompetenzartikel des B-VG vom VfGH entwickelten Versteinerungstheorie als Auslegungsbehelf auf die "derzeit geltenden Landesgesetze" zurückzugreifen sein werde. In den Erläuterungen wird des weiteren darauf hingewiesen, daß in den "geltenden Landesgesetzen" unter anderem die Einräumung von Bestandrechten als zivilrechtliche Form des Grundstücksverkehrs einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung unterworfen sei.

Der VfGH ist auf Grund dessen der Auffassung, daß die Bestandgabe eines Grundstückes grundsätzlich unter den Begriff Grundstücksverkehr iS des Art10 Abs1 Z6 B-VG zu subsumieren ist. Sicherlich kann nicht jedwede Bestandgabe eines Grundstückes darunter verstanden werden; darauf weist auch die Bestimmung des §12 Abs2 GVG hin, wo jene Rechtsgeschäfte aufgezählt sind, die einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nicht bedürfen. Bedenken gegen die Ausnahmebestimmung des genannten Abs2 sind aber weder vorgebracht worden noch unter dem Blickwinkel des vorliegenden Falles beim VfGH entstanden.

Die von der Behörde angewendete Bestimmung des §12 Abs1 litd GVG ist daher kompetenzrechtlich unbedenklich.

Die gleiche Auffassung liegt im übrigen dem Erk. VfSlg. 7820/1976 zugrunde, in welchem der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des §1 Abs4 des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 geäußert hat, von der Rechtserwerbe erfaßt werden, die die Übertragung des Eigentums, die Einräumung des Fruchtgenußrechtes oder die Verpachtung von Liegenschaften sowie deren Überlassung zur Nutzung zum Gegenstand haben.

Soweit der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 16. März 1978, 7 Ob 538/78, von einer anderen Beurteilung der Kompetenzlage ausgegangen ist, kann ihm der VfGH nicht folgen.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde zu B430/79 in bezug auf die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit ist darauf zu verweisen, daß die vom Grundverkehrsrecht bewirkte Einschränkung der Vertragsfreiheit unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Interesses (wie es in §13 Abs1 GVG statuiert ist) gerechtfertigt ist (s. VfSlg. 6285/1970).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von der Behörde ebenfalls angewendeten Bestimmungen des §13 Abs2 und Abs4 GVG wurden von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht und sind auch beim VfGH nicht entstanden (s. hiezu auch VfSlg. 7374/1974).

3. Der angefochtene Bescheid ist auf §13 Abs2 und Abs4 GVG gestützt. Nach der zuletzt genannten Bestimmung vermag eine Erklärung eines inländischen Interessenten gemäß Abs2, falls ein Rechtserwerb eines Ausländers wegen der beabsichtigten Zweckwidmung als iS der im Abs1 angeführten öffentlichen Interessen erstrebenswert erscheint, nur dann einen Versagungsgrund darzustellen, wenn dem von ihm beabsichtigten Verwendungszweck vom Standpunkt dieser öffentlichen Interessen zumindest eine gleiche Bedeutung zukommt.

Im vorliegenden Fall haben zwei inländische Interessenten Erklärungen gemäß Abs2, das Grundstück zu den gleichen Bedingungen zu pachten, abgegeben.

Die belangte Behörde hat eine Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Sbg. eingeholt, aus der hervorgeht, daß die beschwerdeführende H. KG auf Grund ihres Geschäftsprinzipes, mit niedrigen Preisen bei einer geringen Anzahl von Produkten hohe Umsätze zu erzielen, nicht zu den "Vollversorgern" im Lebensmittelbereich zu zählen sei und daher nicht zur Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung mit sämtlichen Gütern des täglichen Bedarfes beitrage. Einer der beiden inländischen Interessenten, welche eine Erklärung gemäß §13 Abs2 GVG abgegeben haben, betreibe in Sbg. zwei Feinkostmärkte und wolle auf dem gegenständlichen Grundstück einen weiteren derartigen Betrieb errichten. Schon die beiden bisherigen Betriebe dieses Interessenten stellten vollwertige Nahversorgungsbetriebe mit sämtlichen Artikeln des täglichen Bedarfs im Lebensmittelbereich dar. Die Etablierung eines weiteren derartigen Betriebes auf dem bezughabenden Grundstück würde einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Nahversorgung der in diesem Bereich wohnhaften Bevölkerung darstellen. Der andere der beiden inländischen Interessenten beabsichtige an diesem Standort die Führung eines Groß- und Einzelhandels mit Küchen- und Wohnmöbeln des gehobenen Bedarfes. Dieser Interessent bemühe sich um den Standort, weil er sowohl für die Ausübung des Detailhandels als auch für die Abwicklung der Großhandelstätigkeit sehr geeignet erscheine, das Zufahren mit Lastkraftwagen gestatte und die dafür erforderlichen Lade- und Abstellmöglichkeiten biete.

Die belangte Behörde hat - gestützt auf die oben angeführte Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Sbg. die Versagung der Zustimmung damit begründet, daß dem von den österreichischen Interessenten geäußerten Verwendungszweck vom Standpunkt der öffentlichen Interessen zumindest eine gleiche Bedeutung zukomme. In den Beschwerden wird nicht dargetan, daß die Behörde damit das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Weder der Hinweis, daß die H. KG auch die Nahversorgung der Bevölkerung "im Rahmen ihres Sortiments" befriedige, noch die angedeutete Möglichkeit der Gefährdung von Arbeitsplätzen, noch die Tatsache, daß die H. KG (nur) einen bereits bestehenden Filialbetrieb auf das gemietete Grundstück verlegen will, sind geeignet, der Behörde eine denkunmögliche Gesetzesanwendung nachzuweisen. Der Umstand, daß die Behörde die H. KG zur Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Sbg. nicht gehört hat, vermag ebenfalls keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler zu begründen. Ob die Entscheidung richtig ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den angefochtenen Bescheid haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.

Die Beschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb, Ausländergrunderwerb Kompetenz, Kompetenz Bund - Länder Grundverkehrsrecht, Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B430.1979

Dokumentnummer

JFT_10189681_79B00430_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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