TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/19 V30/79

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Veröffentlicht am 19.03.1981
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
StVO 1960 §43
Verordnung der BH Völkermarkt vom 25.05.79 betreffend eine Sperre der Zufahrt zu Grundstücken

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag Antragslegitimation gegeben; Verordnung der BH Völkermarkt vom 25. Mai 1979, Z 1305/3/79, (betr. eine Sperre der Zufahrt zu Grundstücken iS des §43 StVO 1960); keine Gesetzwidrigkeit

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt hat am 25. Mai 1979 folgende Verordnung erlassen:

"Verordnung

der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 25. 5. 1979, Zahl 1305/3/79, mit welcher die Sperre der Zufahrt nördlich der Packer Bundesstraße bei km 122,952 (Zufahrt zu den Grundstücken Nr. 130/7 und 130/8 KG Mühlgraben) verfügt wird. Gemäß §§43, 44 Abs1 in Verbindung mit §94b der StVO 1960, BGBl. Nr. 159/60, in der derzeit geltenden Fassung wird verordnet:

§1

Die Zufahrt, abzweigend bei km 122,952, der Packer Bundesstraße, zu den Grundstücken 130/7 und 130/8 wird für den gesamten Verkehr gesperrt.

Die Sperre dieser Zufahrt hat durch bauliche Maßnahmen (Abtragung des Asphaltierungstrichters und Leitpflöcke oder Leitschienen) zu erfolgen.

§2

Diese Verordnung tritt mit der Durchführung der im §1 genannten Maßnahmen in Kraft."

Diese Verordnung wurde - offenkundig in Anwendung des §44 Abs3 StVO - durch Anschlag an der Amtstafel der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt in der Zeit vom 28. Mai 1979 bis 14. August 1979 kundgemacht.

2. Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft 130/5 KG M.

Mit einem zwar als Beschwerde bezeichneten, inhaltlich aber als Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zu wertenden Schriftsatz begehren sie, der VfGH wolle "erkennen, daß die Beschwerdeführer durch die Verordnung der belangten Behörde vom 25. 5. 1979, GZ 1305/79, in ihren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt seien, die bekämpfte Verordnung als gesetzwidrig aufheben", der Behörde den Kostenersatz auftragen sowie in eventu die Beschwerde an den VwGH abtreten.

Die Antragsteller behaupten, durch die Verordnung unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein; die Verordnung sei ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides gegen sie wirksam geworden. Auf Grund der bekämpften Verordnung bestehe für die Antragsteller nämlich keine Möglichkeit mehr, von ihrem Grundstück zum nächstgelegenen öffentlichen Weg zu gehen oder zu fahren. Die Antragsteller müßten nun, um in ihre Wohnung bzw. auf ihre Liegenschaft zu gelangen, fremden Grund benützen, wobei sie Gefahr liefen, deswegen gerichtlich belangt zu werden.

In dem Antrag wird weiters ausgeführt, daß die Behörde die bekämpfte Verordnung nur auf Initiative einer dritten Person erlassen habe, welche mit den Antragstellern in zivilrechtliche Auseinandersetzungen über das Benützungsrecht des bezughabenden Weges verwickelt sei. Die Verordnung sei deshalb gesetzwidrig, weil §43 Abs1 litb Z1 StVO bestimme, daß dauernde Verkehrsverbote nur dann erlassen werden können, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden Verkehrs erfordere. Im Bereiche der gegenständlichen Zufahrt sei es jedoch seit ihrem Bestand weder zu einem Verkehrsunfall noch zu einer Behinderung des Verkehrs gekommen. Es sei einzig und allein eine Eingabe der mit den Antragstellern in zivilrechtliche Auseinandersetzungen verwickelten Person gewesen, welche die Behörde zur Erlassung der bekämpften Verordnung veranlaßt habe.

Alle jene Gründe, wie sie etwa vom Vertreter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Ktn. bei der Verhandlung am 20. April 1979 vorgetragen worden seien, hätten schon seit Jahrzehnten bestanden. Wäre die Situation tatsächlich so, daß eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gegeben wäre, dann hätte das bereits in den zurückgelegenen Jahrzehnten Anlaß zur Sperre der Zufahrt bieten müssen. Für die jetzt verfügte Maßnahme gebe es keine andere Erklärung, als daß die Behörde damit dem Wunsch einer dritten, mit den Antragstellern in Streitigkeiten befindlichen Person Rechnung getragen habe. Für die Erlassung der angefochtenen Verordnung seien somit "nicht mehr" jene Gründe maßgebend, welche im §43 StVO angeführt seien.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Mit der bekämpften Verordnung wurde an der dort näher bezeichneten Stelle die Zufahrt und Abfahrt auf die bzw. von der Packer Bundesstraße verboten. Dieses Verbot hat die Behörde durch die Berufung auf §43 StVO zum Ausdruck gebracht. Dementsprechend ist der Inhalt der Verordnung als Verkehrsbeschränkung iS des §43 StVO zu deuten.

2. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen ua. auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Bei Prüfung dieser Prozeßvoraussetzungen kommt es primär darauf an, ob die bekämpfte Verordnung die Rechtssphäre der antragstellenden Partei berührt, in deren Rechtssphäre unmittelbar eingreift und diese - im Falle der Gesetzwidrigkeit - verletzt (vgl. die mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 beginnende Judikatur). Eine Bejahung der Antragslegitimation setzt aber auch voraus (wie im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in der späteren Judikatur, zB auch im Erk. VfSlg. 8485/1979 bekräftigt worden ist), daß für den Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen kein anderer zumutbarer Weg als die Anfechtung beim VfGH zur Verfügung steht.

Die Antragsteller haben jene Stelle der Packer Bundesstraße, an welcher die Zufahrt bzw. Abfahrt durch die bekämpfte Verordnung verboten worden ist, als Zufahrt bzw. Abfahrt zu ihrem Grundstück benützt. Durch das mit der bekämpften Verordnung ausgesprochene Verbot wurde den Antragstellern diese Zufahrt bzw. Abfahrt zur Gänze gesperrt. Dadurch ist iS der oben zitierten Rechtsprechung des VfGH ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller erfolgt. Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann der VfGH nicht finden, daß den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stünde, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren.

Der Antrag ist somit zulässig.

3. Gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung dauernde oder vorübergehende Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen unter anderem dann zu erlassen, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden Verkehrs erfordert.

Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt am 20. April 1979 an Ort und Stelle eine Verhandlung durchgeführt hat, bei der Vertreter des Landesgendarmeriekommandos, der Bundes- und Landesstraßenverwaltung, der Stadtgemeinde Völkermarkt, des Gendarmeriepostenkommandos Völkermarkt, die Antragsteller sowie jene Person anwesend waren, über deren Initiative das Verfahren zur Erlassung der Verordnung eingeleitet worden war. Bei der Verhandlung wurde festgestellt, daß durch die abfallende Böschung bzw. durch das starke Abfallen des Zufahrtsweges dieser für Verkehrsteilnehmer auf der Packer Bundesstraße nicht erkennbar sei; außerdem dürften die Sicht und die Zufahrtsmöglichkeit während der Wintermonate infolge der Anhäufung von Räumschnee innerhalb des Zufahrtsbereiches beeinträchtigt sein. Sollte der Weg bei Schneefall oder bei Glatteis befahren werden, so dürften infolge der stark ansteigenden Böschung Behinderungen beim Einfahren in die Bundesstraße auftreten. Außerdem habe die Situation beim Lokalaugenschein ergeben, daß der Zufahrtsweg meistens (nur) im Rückwärtsgang der Fahrzeuge befahren werden könne, zumal die Situation ein Wenden von etwas größeren Fahrzeugen völlig unmöglich mache. Da die Packer Bundesstraße im Bereich des Zufahrtsweges eine maximale Breite von 7,50 m aufweise, müsse auf Grund der Vorrangbestimmungen beim Einbiegen in den Zufahrtsweg aus Richtung Völkermarkt kommend dem Gegenverkehr der Vorrang eingeräumt werden. Dies gefährde die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der Packer Bundesstraße, welche eine sehr starke Verkehrsfrequenz aufweise. Etwa 200 m vom Zufahrtsweg in Richtung Völkermarkt entfernt befinde sich auf der Packer Bundesstraße eine durch Überholverbot abgesicherte Kreuzung, von welcher eine Zufahrtsstraße auch zum Anwesen der Antragsteller führe.

Bei der Verhandlung am 20. April 1979 traten der Vertreter des Landesgendarmeriekommandos, der verkehrstechnische Sachverständige, der Vertreter der Bundesstraßenverwaltung sowie der Vertreter der Stadtgemeinde Völkermarkt für eine Sperre der Zufahrt zur Liegenschaft der Antragsteller ein.

4. In Anbetracht dieser Umstände kann der VfGH nicht finden, daß die von den Antragstellern behaupteten Gesetzwidrigkeiten vorliegen. Die Behörde konnte im Hinblick auf die besondere Gestaltung der Zufahrt mit Recht davon ausgehen, daß das von ihr verhängte Verkehrsverbot für die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden Verkehrs auf der stark frequentierten Packer Bundesstraße erforderlich sei. Hiebei ist es für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung irrelevant, auf wessen Initiative das Verfahren zur Erlassung der Verordnung in Gang gekommen ist und ob der Zustand, der zur Erlassung der Verordnung geführt hat, schon längere Zeit vorher bestanden hat.

Nach §43 StVO ist die Behörde verpflichtet, bei Zutreffen der dort genannten Voraussetzungen die betreffende Verordnung zu erlassen. Sie hat allerdings hiebei die im einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen (vgl. VfSlg. 8086/1977). Der VfGH kann nicht finden, daß die Behörde im vorliegenden Fall eine unrichtige Interessenabwägung vorgenommen hat. Die durch die Benützung der Zufahrt eintretende Behinderung und Gefährdung des Verkehrs auf der Packer Bundesstraße ist derart schwerwiegend, daß dagegen das Interesse der Antragsteller an der Benützung der Zufahrt zu ihrem Grundstück zurückstehen muß.

Dem Antrag auf Aufhebung der Verordnung war somit nicht Folge zu geben.

Der VfGH hat im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art139 B-VG (nur) die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung und auch diese nur insoweit zu prüfen, als Bedenken gegen ihre Gesetzmäßigkeit geltend gemacht wurden. Es ist daher weder auf das Vorbringen der Antragsteller, sie seien in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, noch auch darauf einzugehen, ob die Verordnung aus anderen als den geltend gemachten Gründen gesetzwidrig ist.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V30.1979

Dokumentnummer

JFT_10189681_79V00030_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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