TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/19 V38/80

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Veröffentlicht am 19.03.1981
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ASVG §44 Abs3
Verordnung des Vorstandes der Stmk Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 23.02.65 betreffend die Festsetzung von Pauschbeträgen gemäß §44 Abs3 ASVG für Trinkgelder im Friseurgewerbe
Satzung der Stmk Gebietskrankenkasse §45 Abs2

Beachte

vgl. Kundmachung BGBl. 201/1981 am 28. April 1981; siehe Anlaßfall VfSlg. 9087/1981

Leitsatz

ASVG; Verordnung des Vorstandes der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 23. Feber 1965 betreffend die Festsetzung von Pauschbeträgen gemäß §44 Abs3 für Trinkgelder im Friseurgewerbe; mangelnde Kundmachung

Spruch

Die Verordnung des Vorstandes der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 23. Februar 1965 betreffend die Festsetzung von Pauschbeträgen gemäß §44 Abs3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. 189/1955, für Trinkgelder im Friseurgewerbe, kundgemacht im Mitteilungsblatt der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte "Die Krankenversicherung" (Nr. 31, 8. Jahrgang, Februar 1965), wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für soziale Verwaltung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim VfGH ist zu B127/78 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Stmk. anhängig, mit dem der Beschwerdeführer zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet worden war. Die Vorschreibung dieser Beiträge erfolgte wegen einer Nichtberücksichtigung von Trinkgeldern bei der Entrichtung der Beiträge für im Friseurbetrieb des Beschwerdeführers beschäftigte Dienstnehmer, zu der der Beschwerdeführer als Arbeitgeber nach §58 Abs2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. 189/1955 (ASVG), verpflichtet war.

Für die Berücksichtigung von Trinkgeldern im Friseurgewerbe enthält das Mitteilungsblatt der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte (im folgenden als Gebietskrankenkasse bezeichnet) "Die Krankenversicherung" (Nr. 31, 8. Jahrgang, Februar 1965) unter der Überschrift "Pauschalierung von Trinkgeldern im Friseurgewerbe" folgende Verlautbarung:

"Über Antrag der Bundesinnung der Friseure und Kosmetiker und der Gewerkschaft persönlicher Dienst, Sektion Friseure, hat die Kasse gemäß §44 Abs3 ASVG beschlossen, ab Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1965 für die

bei Gehilfen mit wöchentlich S 35,- und

bei Lehrlingen mit wöchentlich S 10,-

der Beitragsbemessung, zugrunde zu legen."

Bei der Festsetzung von Pauschbeträgen für die Einbeziehung von Trinkgeldern in die Beitragsgrundlage gemäß §44 Abs3 ASVG handelt es sich um eine Rechtsverordnung, zu deren Erlassung der Vorstand der Gebietskrankenkasse zuständig ist (vgl. VfSlg. 8875/1980).

Aus Anlaß der Beschwerde hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der angeführten, dem Vorstand der Gebietskrankenkasse zuzurechnenden Verordnung zu prüfen (vgl. VfGH 20. 10. 1980 B127/78-15).

2. Die Gebietskrankenkasse hat eine Äußerung erstattet, in der den vom VfGH dargelegten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung nicht entgegengetreten wird. Es wird der Vorgang über das Zustandekommen der Verordnung geschildert und ausgeführt, daß der Beschluß über die Pauschalierung von Trinkgeldern einerseits dem Verwaltungsausschuß zugerechnet und andererseits nicht als Rechtsverordnung qualifiziert worden sei. Aus diesem Grunde sei eine Kundmachung der Verordnung in der "Grazer Zeitung" unterblieben. Ferner werden die Gründe dargelegt, aus denen das vor der Erlassung einer Verordnung nach §44 Abs3 ASVG vorgesehene Anhörungsverfahren der öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen unterblieben sei.

Der Bundesminister für soziale Verwaltung hat dem VfGH mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Äußerung im Hinblick auf das zitierte Erk. VfSlg. 8875/1980 abgesehen wird.

II. Der VfGH hat über die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens erwogen:

Gegen den vom Landeshauptmann für Stmk. erlassenen Bescheid des Anlaßbeschwerdeverfahrens ist, da es sich nicht um einen der in §415 ASVG angeführten Fälle handelt, eine Berufung an den Bundesminister für soziale Verwaltung nicht zulässig. Der Instanzenzug ist erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

Im angefochtenen Bescheid ist die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der Nichtberücksichtigung von Trinkgeldern bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage für Dienstnehmer, die im Friseurgewerbe beschäftigt sind, vorgeschrieben worden. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die in Prüfung gezogene Verordnung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurde. Sie ist auch vom VfGH bei Fällung seiner Entscheidung anzuwenden.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

III. Der VfGH hat in der Sache erwogen:

1. a) Der VfGH hat gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung das Bedenken vorgebracht, daß sie im Hinblick auf den Wortlaut des im Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden §45 Abs2 der Satzung der Gebietskrankenkasse und im Hinblick darauf, daß in ihr jedenfalls Pflichten für die Dienstgeber begründet zu sein scheinen, in der "Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Stmk." zu verlautbaren gewesen wäre.

b) Nach §45 Abs2 der Satzung der Gebietskrankenkasse waren Beschlüsse der Hauptversammlung oder des Vorstandes der Kasse, die den bei ihr versicherten Personen oder deren Dienstgebern Verpflichtungen auferlegen, in der "Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Stmk." zu verlautbaren.

In dem Erk. VfSlg. 8875/1980 hat der VfGH ausgeführt, daß eine Pauschalierungsregelung nach §44 Abs3 ASVG jedenfalls die Dienstgeber direkt bindet. Durch eine auf Grund dieser Bestimmung erlassene Verordnung werden die Dienstgeber verpflichtet, bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage neben den aus dem Dienstverhältnis bestehenden Ansprüchen auf Leistungen auch die Trinkgelder (als Bestandteil des Entgeltes nach §49 Abs1 ASVG) mit der in dieser Verordnung festgesetzten Höhe des Pauschbetrages zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Begründung dieser Verpflichtungen durch die in Prüfung gezogene Verordnung wäre sie nach §45 Abs2 der im Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden Satzung der Gebietskrankenkasse in der "Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Stmk" zu verlautbaren gewesen. Die Verordnung ist in der "Grazer Zeitung" nicht verlautbart worden. Der Mangel einer ordnungsgemäßen Kundmachung belastet die Verordnung mit Gesetzwidrigkeit. Sie war daher schon aus diesem Grund als gesetzwidrig aufzuheben, ohne daß auf die weiteren, im Einleitungsbeschluß geltend gemachten Bedenken einzugehen war.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für soziale Verwaltung zur Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt gründet sich auf Art139 Abs5 B-VG iVm §2 Abs1 lith des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1972, BGBl. 293.

Schlagworte

RechtsV, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnung Kundmachung, Sozialversicherung, Beitragsgrundlagen (Sozialversicherung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V38.1980

Dokumentnummer

JFT_10189681_80V00038_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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