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32 SteuerrechtNorm
BAO §9Leitsatz
BAO; keine Bedenken gegen §§9 und 80; keine denkunmögliche und keinegleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit dem Bescheid des Finanzamtes St. Pölten vom 18. Jänner 1978, StNr. 010/8695, wurde J.L. als Haftungspflichtiger gemäß §9 BAO in Verbindung mit §80 BAO für die im Ausmaß von S 93.380,- aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der T. Gesellschaft m.b.H. in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Bescheidzustellung zu entrichten (§224 BAO).
1.2. Die dagegen von J.L. ergriffene Berufung wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 31. März 1978, Z GA 7-1031/1/78, abgewiesen.
Zur Begründung wurde ua. wörtlich ausgeführt:
"Gemäß §80 Abs1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß §9 Abs1 BAO haften sie neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß §1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten ohne sein Verschulden verhindert worden sei, der Beweis.
Der Berufungswerber war Geschäftsführer der 'T.-'Gesellschaft mbH. Er hat daher auch als deren gesetzlicher Vertreter für die Entrichtung der von dieser Gesellschaft zu leistenden Steuern zu sorgen. Der Abgabenrückstand setzt sich aus Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag 1976 zusammen, also aus selbst zu berechnenden Abgaben. Der Hinweis, der Berufungswerber habe sich vorwiegend mit fachlichen Fragen und nicht mit der Unternehmensorganisation sowie mit steuerlichen Belangen befaßt, befreit ihn nicht schlechthin von jeglicher Haftung. Vielmehr wäre im vorliegenden Fall nachzuweisen gewesen, daß die Befriedigung der einzelnen Gläubiger kridamäßig erfolgt ist. Dies ist jedoch nicht geschehen. Jedenfalls wurde von den ausbezahlten Löhnen die darauf entfallende Lohnsteuer nicht abgeführt. Dies stellt aber ein Verschulden des Geschäftsführers dar. Die Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge sind bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden.
Der dem Berufungswerber obliegende Beweis, daß er ohne sein Verschulden verhindert war, die Abgaben der T.-Gesellschaft mbH. aus deren Mitteln zu bezahlen, konnte nicht erbracht werden."
1.3.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des J.L. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
1.3.2. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Der angefochtene Bescheid trägt die Entrichtung von Abgaben auf und greift daher in das Eigentum des Beschwerdeführers ein (s. VfSlg. 5472/1967). Ein solcher Bescheid verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums aber nur dann, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. zB VfSlg. 7773/1976, 8010/1977).
2.1.1. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.
2.1.2. Der Beschwerdeführer könnte demnach im Eigentumsrecht nur verletzt sein, wenn der belangten Behörde eine - der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltende - denkunmögliche Rechtsanwendung zur Last fiele.
2.1.2.1. In diese Richtung deuten die Beschwerdeausführungen, wenn der Beschwerdeführer - sinngemäß zusammengefaßt - einwendet, er habe seine Funktion als Geschäftsführer der T.-Gesellschaft mbH. bereits am 3. März 1976 zurückgelegt und damit sein Beschäftigungsverhältnis beendet, obgleich er im Handelsregister nach wie vor als Geschäftsführer dieses Unternehmens aufscheine. Da ihm seither eine Einsicht in die Bücher der Gesellschaft privatrechtlich verwehrt gewesen sei, komme eine Haftung für (Unternehmens-)Abgaben nicht mehr in Betracht. Aber auch bis zum 3. März 1976 sei er - gesellschaftsintern - vorwiegend mit fachlichen Unternehmensfragen, keinesfalls jedoch mit steuerlichen Belangen der Gesellschaft befaßt gewesen, die ein zweiter Geschäftsführer allein besorgt habe. Der Beschwerdeführer habe die ihm von der Gesellschaft auferlegten Pflichten ausnahmslos fachlicher Art stets voll erfüllt und sich keinerlei Pflichtverletzung zuschulden kommen lassen.
Diese Ausführungen sind jedoch im Verfahren vor dem VfGH nicht zielführend, weil die belangte Behörde sich insbesondere darauf zu berufen vermag, daß das Erlöschen der Vertretungsbefugnis als Geschäftsführer weder zum Handelsregister angemeldet noch dem Finanzamt angezeigt wurde, woraus immerhin denkmöglich zu folgern ist, daß diese in Rede stehende Tatsache im Geschäftsführungsbereich des Unternehmens für das hier zugrundeliegende Administrativverfahren iS der §§17 GesmbHG und 15 HGB wirkungslos blieb, mag auch der Beschwerdeführer - wie er behauptet - nur bis zum 4. März 1976 in Arbeitnehmerlisten aufgeschienen sein. Desgleichen ist es nicht geradezu denkunmöglich, wenn die belangte Behörde sich iS ihrer Ausführungen in der Gegenschrift ersichtlich für die Zeit bis zum 3. März 1976 auf §20 Abs2 GesmbHG stützt, wonach eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers dritten Personen gegenüber keine Wirkung hat.
2.1.2.2. Ob die Rechtsansicht der belangten Behörde richtig ist, hat der VfGH nicht zu entscheiden. In Wahrheit laufen die zum Grundrecht nach Art5 StGG vorgetragenen Einwände des Beschwerdeführers nach Inhalt und Zielsetzung lediglich darauf hinaus, die Berufungsbehörde habe die §§9 und 80 BAO rechtsirrig ausgelegt und insbesondere die im §9 BAO verlangte schuldhafte Pflichtverletzung zu Unrecht bejaht.
Damit wird nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde aufgezeigt, vielmehr einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten: Darüber hat aber nicht der VfGH in einem Verfahren nach Art144 Abs1 B-VG, sondern ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden.
2.1.3. Aus all dem folgt, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.
2.2. Da gegen die angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8238/1978) eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
2.2.1. Daß das vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.1.2.1. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.).
2.2.2. Es finden sich aber auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Das gesamte Verwaltungsgeschehen, insbesondere jedoch die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, daß die Finanzlandesdirektion im Gegenteil vielmehr bemüht war, dem Gesetz die von ihr als richtig erkannte Geltung zu verschaffen; ein solches Bemühen schließt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Willkür aus, und zwar auch dann, wenn es nicht von Erfolg begleitet gewesen sein sollte (vgl. VfSlg. 7860/1976 ua.).
Vor allem kann es - entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung - nicht als willkürliche Gesetzesvollziehung angesehen werden, wenn die belangte Behörde von der Einvernahme beantragter Zeugen (über die vom Beschwerdeführer behauptete Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion bereits im März 1976 und über die Aufgabenverteilung innerhalb des Unternehmens) erkennbar deshalb Abstand nahm, weil sie offensichtlich der - hier auf ihre Richtigkeit nicht nachzuprüfenden - Rechtsansicht anhing, daß den unter Beweis gestellten (Tat-)Umständen nach Lagerung des Falles - angesichts der schon zitierten Bestimmungen des GesmbHG und des HGB - keine rechtliche Bedeutung zukomme (vgl. §183 Abs3 BAO).
2.2.3. Demgemäß wurde der Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
2.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
Im Hinblick auf die schon zu 2.1.1. festgehaltene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Gesellschaftsrecht, Finanzverfahren, Haftung FinanzverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B287.1978Zuletzt aktualisiert am
05.04.2012