TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/12 B125/77

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Veröffentlicht am 12.06.1981
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Landwirtschaftliches Siedlungswesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
AVG §10 Abs4
Oö ZusammenlegungsG §3
Oö ZusammenlegungsG §83
Oö FlVfLG §107 Abs3

Leitsatz

Oö. Zusammenlegungsgesetz, LGuVBl. 16/1911 idF LGBl. 12/1955; keine Bedenken gegen §98 und gegen §107 Abs3 Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz, keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung bei Erlassung des Zusammenlegungsplanes Außerpühret-Roitham

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Gegen den von der Agrarbezirksbehörde Gmunden im Jahre 1969 erlassenen Zusammenlegungsplan "Außerpühret-Roitham" erhoben F.W. und E.W. als betroffene Grundeigentümer das Rechtsmittel der Berufung, das mit Erk. des Landesagrarsenates beim Amt der Oö. Landesregierung vom 8. Feber 1977, Z AgrarS-1819/2-1977, gemäß §1 des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG 1950, BGBl. 173, in der Fassung der Agrarverfahrensnovelle 1967, BGBl. 77, und §66 Abs4 AVG 1950, in Verbindung mit §98 des Gesetzes vom 25. Feber 1911, betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, LGuVBl. f. d. Erzherzogtum Österreich ob der Enns 16 (ZLG), in der Fassung des Gesetzes vom 26. November 1954, LGBl. für OÖ 12/1955, und in Zusammenhalt mit §107 Abs3 des Oö. Flurverfassungs-Landesgesetzes - Oö. FLG, LGBl. 33/1972, abgewiesen wurde.

1.2.1. Gegen dieses Erk. des Landesagrarsenates beim Amt der Oö. Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des F. und der E.W. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

1.2.2. Der Landesagrarsenat beim Amt der Oö. Landesregierung als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und begehrte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Gegen einen Bescheid des Landesagrarsenates, mit dem über eine Berufung gegen einen erstinstanzlichen Bescheid abgesprochen wird, ist eine Berufung an den Obersten Agrarsenat nur unter den in §7 Abs2 AgrarbehördenG 1950, BGBl. 1/1951 in der Fassung BGBl. 476/1974, genannten Voraussetzungen statthaft. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Damit ist der Instanzenzug erschöpft und die Beschwerde, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

2.2.1. In Behauptung einer Verletzung des Grundrechts nach Art83 Abs2 B-VG wird sinngemäß zusammengefaßt eingewendet, der das Zusammenlegungsverfahren einleitende Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 25. April 1960 sei nicht den damaligen Grundeigentümern A. und A.W., sondern ihrem Sohn und Rechtsnachfolger, dem Beschwerdeführer F.W., zugestellt worden. Soweit die Grundstücke der Beschwerdeführer berührt seien, fehle es folglich an einer ordnungsgemäßen Verfahrenseinleitung und damit - iS des Erk. des VfGH VfSlg. 3122/1956 - an der Zuständigkeit der Agrarbehörden für diese agrarische Operation überhaupt.

2.2.2. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer F.W. im Verwaltungsverfahren offenkundig als Vertreter seiner - inzwischen verstorbenen - Eltern A. und A.W. einschritt, so auch bei der Abstimmung für die Zusammenlegung vom 22. Feber 1960 (vgl. P. Nr. 2 des Abstimmungsverzeichnisses: "W.A.", unterfertigt von "W.F."). Da es sich bei F.W. um ein offenbar amtsbekanntes Mitglied der Grundeigentümerfamilie handelte und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis ersichtlich nicht obwalteten, durfte die Agrarbezirksbehörde in Handhabung der Bestimmungen der §§10 Abs4 AVG 1950 und 1 AgrVG 1950 von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen und, die in Rede stehende Bevollmächtigung zugrunde legend, die Zustellung des Einleitungsbeschlusses, der offenbar versehentlich auch an "W.A."

(Nr. 2 der Zustell-Liste) erging - entgegen der Beschwerdeauffassung -, an F.W. in seiner erkennbaren Eigenschaft als Vertreter des A. und der A.W. in diesem Verfahren verfügen (Nr. 55 der Zustell-Liste). Die einleitend wiedergegebenen, der Sache nach dem Grundrecht des Art83 Abs2 B-VG zuzuordnenden Beschwerdeausführungen, die auf der - nach dem Gesagten verfehlten - Prämisse beruhen, der Einleitungsbescheid sei den damaligen Grundeigentümern (bzw. einem Bevollmächtigten der Liegenschaftsbesitzer) nicht zugekommen, zielen darum ins Leere und bedürfen keiner weiteren Erörterung.

Dem gleichfalls unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen Art83 Abs2 B-VG vorgetragenen Einwand, die Berufungsentscheidung entspreche nicht der Vorschrift des §3 ZLG, ist entgegenzuhalten, daß es im gegebenen Zusammenhang keineswegs darauf ankommt, ob die Berufungsbehörde materielle Rechtsvorschriften richtig oder unrichtig anwendete, gewährleistet doch das Grundrecht des Art83 Abs2 B-VG nicht die Gesetzmäßigkeit des Inhaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes; vielmehr wird die Zuständigkeit der Behörde und damit das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch eine unrichtige Entscheidung allein nicht berührt (vgl. ständige Rechtsprechung: zB VfSlg. 5472/1967, 5616/1967).

2.3.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wird durch einen bescheidmäßigen Eigentumseingriff laut der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verletzt, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder gesetzlos ist, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkommt (zB VfSlg. 5206/1966).

2.3.2. Der angefochtene Bescheid wurde nicht ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen. Daß die ihn tragenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel der vorliegenden Beschwerdesache keine derartigen Bedenken.

2.3.3. Demzufolge bleibt zu prüfen, ob der belangten Behörde eine denkunmögliche Gesetzesanwendung zur Last fällt.

Die Beschwerdeführer vertreten diesen Standpunkt, sind jedoch nicht im Recht.

Die einschlägigen Beschwerdeausführungen laufen insgesamt darauf hinaus, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß laut §3 ZLG bestimmte Grundstücke besonderen Wertes nur mit Zustimmung der Eigentümer in die Zusammenlegung einbezogen werden können; eine solche ausdrückliche Zustimmung sei hier nicht erteilt worden. Demgegenüber ging die belangte Behörde - und dies zeigt nicht zuletzt ihr Vorbringen in der Gegenschrift - davon aus, daß das Gesetz eine ausdrückliche Zustimmung gar nicht verlange, sondern auch eine konkludente genügen lasse, wie sie im Unterbleiben von Einwendungen gegen die im Besitzstandsregister und Bonitätsplan enthaltenen Grundstücke von besonderem Wert gemäß §83 ZLG zu erblicken sei. Diese Rechtsauffassung kann nach Lage des Falles keineswegs als schlechterdings denkunmöglich qualifiziert werden.

Im Grunde suchen die Art5 StGG gewidmeten Beschwerdepartien nach Inhalt und Zielsetzung lediglich nachzuweisen, daß die Berufungsbehörde die Bestimmung des §3 ZLG unrichtig ausgelegt und solcherart rechtsirrig entschieden habe. Damit wird jedoch nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde aufgezeigt, vielmehr einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der nach Art129 B-VG zur. Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt wurden.

2.4.1. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.4.2. Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften nicht bestehen (siehe bereits 2.3.2.) und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß diesen Normen fälschlicherweise ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt wurde, läge die von den Beschwerdeführern behauptete Gleichheitsverletzung nur dann vor, wenn die Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 7619/1975, 8275/1978 ua.).

2.4.3. Daß das von den Beschwerdeführern unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.3.3. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.).

Der aus den Akten zu ersehende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, insbesondere die ausführliche und sorgfältige Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt, daß der Landesagrarsenat sich keineswegs von subjektiven, in der Person der Berufungswerber gelegenen oder von anderen unsachlichen Momenten leiten ließ und daß er seine Entscheidung - obschon ohne Vornahme eines Lokalaugenscheines - durchaus nicht leichtfertig fällte, sondern um eine genaue Prüfung und Würdigung des Falles, und zwar unter eingehender Berücksichtigung der Berufungseinreden bemüht war. Schon ein solches Bemühen um die gesetzmäßige Lösung schließt Willkür aus, mag es auch nicht von Erfolg begleitet sein (vgl. VfSlg. 7860/1976).

Ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist, hat der VfGH im Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG nicht zu untersuchen, wie schon zu 2.3.3. dargetan wurde.

Die Beschwerdeführer wurden daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt.

2.5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht hervor. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieser Beschwerdesache gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurden die Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt (s. 2.3.2.).

2.6. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Vertreter (Verwaltungsverfahren), Bodenreform, Flurverfassung, Verwaltungsverfahren, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B125.1977

Dokumentnummer

JFT_10189388_77B00125_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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