TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/12 B200/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.1981
beobachten
merken

Index

82 Gesundheitsrecht
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §56
AVG §56
LMG 1975 §7
LMG 1975 §18 Abs1, §18 Abs2

Leitsatz

Lebensmittelgesetz 1975; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die hier strittige Frage; §18 Abs2 eröffnet einen zumutbaren Rechtsweg zur Entscheidung dieser Frage durch Anmeldung des Verzehrproduktes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die B. Gesellschaft mbH - die seit Jahren das Verzehrprodukt "Flügge"-Kieselerde importiert - kam beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz mit Schreiben vom 28. März 1977 um bescheidmäßige Feststellung ein, ob Kieselerde gesundheitsschädlich und aus dem Verkehr zu ziehen sei.

1.2. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz wies diesen Antrag der B. Gesellschaft mbH mit Bescheid vom 27. Jänner 1978, Z IV-455.033/1-5/78, gemäß §§7, 56 und 57 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975), BGBl. 86, als unzulässig zurück.

1.3.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der B. Gesellschaft mbH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.3.2. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen.

2.1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7078/1973, 7508/1975, 8047/1977) ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine Sachentscheidung gesetzwidrigerweise verweigert.

Der angefochtene Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen wurde, enthält eine Verweigerung der Sachentscheidung.

Der VfGH hatte daher zu prüfen, ob die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht zurückwies.

2.1.2. §18 Abs2 LMG 1975, in Kraft getreten am 1. Juli 1975 (§81 Abs1 LMG 1975), lautet wie folgt:

"Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht."

§18 Abs1 LMG 1975, in Kraft getreten erst am 1. Juli 1978 (§81 Abs5 LMG 1975), hat folgenden Wortlaut:

"Es ist verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz in Verkehr zu bringen."

2.1.3. Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsauffassung, daß Parteien nicht nur dann berechtigt sind, die bescheidmäßige Feststellung strittiger Rechtsverhältnisse zu begehren, wenn das Gesetz derartige Feststellungsbescheide ausdrücklich vorsieht, sondern auch immer dann, wenn der Bescheid im Einzelfall notwendiges Mittel der Rechtsverfolgung ist (vgl. zB VfSlg. 7455/1974 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 8047/1977). Es stellt sich daher die Frage, ob der besagte Antrag vom 28. März 1977 für die B. Gesellschaft mbH ein notwendiges Mittel der Rechtsverfolgung war.

Die Beschwerdeführerin geht in ihrer Beschwerdeschrift - wie der Sache nach schon im Antrag vom 28. März 1977 - davon aus, daß es sich bei Kieselerde um ein Verzehrprodukt iS des §3 LMG 1975 handle. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt, stand der Antragstellerin am 28. März 1977 zur Klärung der strittig erachteten Frage, ob Kieselerde - in der Eigenschaft als Verzehrprodukt - gesundheitsschädlich und aus dem Verkehr zu ziehen sei, aber bereits die Möglichkeit einer Antragstellung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz nach §18 Abs2 LMG 1975 offen. Denn nach dieser am 1. Juli 1975 in Kraft getretenen Norm hatte dieses Bundesministerium das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften des LMG 1975 oder seiner Verordnungen nicht entspricht, so hier dem §7 LMG 1975, der das Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel verbietet. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, eine Anmeldung nach §18 Abs1 LMG 1975 sei vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des §18 Abs1 LMG 1975, d.i. der 1. Juli 1978, unstatthaft gewesen, trifft offenkundig nicht zu (s. VwGH 13. 3. 1979 Z 2327/1977): Das Anmelderecht nach §18 Abs2 LMG 1975 setzt nach dem Gesetzeswortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Einrichtung - die ua. Interessenten eine Klärung, ob Verzehrprodukte dem Gesetz entsprechen, noch vor der Inverkehrbringung ermöglichen soll - keinesfalls ein Verbot der Inverkehrbringung der Ware vor ihrer Anmeldung voraus, wie es mit §18 Abs1 LMG 1975 (erst) am 1. Juli 1978 in Kraft trat (vgl. dazu Brustbauer - Jesionek - Petuely - Wrabetz, Das LMG 1975, Seite 99 ff.).

Die Rechtsordnung (§18 Abs2 LMG 1975) sah daher schon ab 1. Juli 1975 ein Verfahren vor, in dem über die hier strittige Frage - nämlich darüber, ob Kieselerde dem LMG 1975 entspricht oder nicht - zu entscheiden ist, und eröffnete damit einen Rechtsweg, dessen Beschreitung der Beschwerdeführerin nach Auffaassung des VfGH durchaus zugemutet werden konnte.

Allein aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin gesetzmäßig zurückwies.

Die Beschwerdeführerin wurde daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

2.2. Daß die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Auch der VfGH hegt aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken. Demnach wurde die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.3. Wies aber die belangte Behörde den in Rede stehenden Antrag auf Grund verfassungsrechtlich unbedenklicher Rechtsvorschriften (s. 2.2.) zu Recht zurück, wie der VfGH in Behandlung des dem Grundrecht nach Art83 Abs2 B-VG gewidmeten Beschwerdeabschnittes ausführte (s. insbesondere 2.1.3.), so ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde (VfSlg. 7515/1975, 7873/1976, 8144/1977, 8406/1978). Auf das entsprechende Beschwerdevorbringen war unter diesen Umständen nicht mehr einzugehen.

2.4. Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Lebensmittelrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B200.1978

Dokumentnummer

JFT_10189388_78B00200_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten