TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/12 B410/78

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Veröffentlicht am 12.06.1981
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/08 Ehrenzeichen, Orden, Uniformen, Abzeichen

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art12
ParteienG 1975 ArtI §1 Abs3
AbzeichenG 1960 §1
AbzeichenG 1960 §3
VfGG §19 Abs3 Z1 lite

Leitsatz

Abzeichengesetz 1960; keine Bedenken gegen §§1 und 3; keine denkunmögliche und keine willkürliche Gesetzesanwendung; keine Verletzung der Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf freie Vereinsbildung

Spruch

1. Die Beschwerde der Nationaldemokratischen Partei wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde des Dr. N.B. wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 13. Dezember 1977, Z III-B-444/1977, wurde über Dr. N.B. wegen der Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1 Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, gemäß §3 Abs1 dieses Gesetzes eine Geldstrafe von S 2.000,-, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von sechs Tagen verhängt. Dem Beschuldigten fiel zur Last, am 11. Juli 1977 im Briefkopf eines an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen adressierten Schreibens eine Lebensrune (Gabelkreuz) - und damit ein Symbol einer in Österreich verbotenen nationalsozialistischen Organisation - verwendet zu haben.

1.2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ gab der von Dr. N.B. gegen diesen Bescheid ergriffenen Berufung mit Bescheid vom 19. April 1978, Z St 34/78, gemäß §66 Abs4 AVG 1960 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.

1.3. Gegen diesen Bescheid der Berufungsbehörde richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden

a) der Nationaldemokratischen Partei und b) des Dr. N.B. an den VfGH, in welchen die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise, und zwar mit Berufung auf Art144 Abs2 B-VG, die Abtretung der Beschwerden an den VwGH begehrt wird.

2. Zur Beschwerde der Nationaldemokratischen Partei:

2.1. Wie der VfGH wiederholt aussprach, ist die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, dh. wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (s. zB VfSlg. 3455/1958, 4305/1962, 4434/1963, 5544/1967, 5583/1967, 5712/1968, 6716/1972, 7226/1973). Wie der VfGH ebenfalls schon aussprach (s. VfSlg. 5358/1966), hätte die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge; die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, kann darum nur bei physischen oder juristischen Personen bestehen, denen in der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zukam (vgl. auch VfSlg. 8746/1980).

2.2. Diese Voraussetzung trifft hier auf die Nationaldemokratische Partei nicht zu, denn der angefochtene, eine Berufung des Dr. N.B. gegen das in Rede stehende Straferkenntnis abweisende Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ, der so zu werten ist, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Strafbescheid erlassen hätte (vgl. zB VfSlg. 6486/1971, 8098/1977), richtet sich nur gegen Dr. N.B., nicht gegen die Nationaldemokratische Partei und stellt insbesondere keinen dieser Partei gegenüber wirksamen Haftungsbescheid iS des §9 letzter Satz VStG 1950 dar (s. VwSlg. 8805 A/1975), kann demgemäß also nur subjektive Rechte des Dr. N.B. selbst berühren.

Die Beschwerde war infolgedessen allein schon wegen der fehlenden Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

3. Zur Beschwerde des Dr. N.B.:

3.1. Das Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, bestimmt im §1 Abs1, daß Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation öffentlich weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden dürfen, wobei als Abzeichen auch Embleme, Symbole und Kennzeichen anzusehen sind. Es bestimmt ferner in seinem §1 Abs2, daß sich dieses Verbot auch auf Abzeichen erstreckt, die auf Grund ihrer Ähnlichkeit oder ihrer offenkundigen Zweckbestimmung als Ersatz eine der im Abs1 erwähnten Abzeichen gebraucht werden. Das Gesetz ordnet im §3 ua. an, daß mit Geldstrafen bis zu S 10.000,- oder mit Arrest bis zu einem Monat zu bestrafen ist, wer einem Verbot des §1 zuwiderhandelt.

Das als Verfassungsgesetz erlassene Verbotsgesetz, StGBl. 13/1945, bestimmt in seinem §1, daß die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen überhaupt aufgelöst sind und daß ihre Neubildung verboten ist.

§1 Abzeichengesetz findet somit auf die nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen Anwendung.

Die Lebensrune (das Gabelkreuz), deren Gebrauch dem Beschwerdeführer zur Last liegt, wurde innerhalb der nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen in verschiedener Weise als Emblem, Symbol oder Kennzeichen verwendet, wie dem Organisationsbuch der NSDAP,

7. Auflage, 1943, herausgegeben vom Reichsorganisationsleiter, zu entnehmen ist: So als beherrschendes Symbol im Abzeichen der NS-Frauenschaft, die gemäß der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 29. März 1935, DRGBl. I, S 502, §2, eine Gliederung der NSDAP bildete, und in gleicher Weise auch im Abzeichen des Deutschen Frauenwerks (s. aaO, Tafel 5), sowie im Abzeichen der Frauenschaftsleiterinnen (aaO, Tafel 18). Ferner wurde die Lebensrune als Abzeichen für die im Sanitäts- oder Veterinärdienst der SA tätigen Personen (aaO, Tafel 39) und in gleicher Bedeutung auch in anderen nationalsozialistischen Organisationen verwendet.

3.2. Der angefochtene Bescheid greift im Hinblick auf die Verhängung einer Geldstrafe in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) ein (vgl. VfSlg. 7814/1976).

Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in diesem Grundrecht verletzt wurde.

Eine solche Verletzung wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7811/1976, 8293/1978) dann zu bejahen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn er sich als gesetzlos erwiese, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes einer Gesetzlosigkeit gleichkäme.

3.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften, so insbesondere die §§1 und 3 Abzeichengesetz 1960, verfassungswidrig seien, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

3.2.2. Mit Rücksicht auf die Darlegungen zu 3.1. kann in der Beurteilung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens als Verwaltungsübertretung nach dem §1 Abzeichengesetz 1960 aber auch keine der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltende Denkunmöglichkeit erblickt werden (s. dazu auch: VfSlg. 7962/1976, 7963/1976, 8242/1978).

Der ersichtlich bloß zur Begründung der - zu 2. zurückgewiesenen - Beschwerde der Nationaldemokratischen Partei dienende Hinweis auf die Bestimmung des ArtI §1 Abs3 des Bundesgesetzes vom 2. Juli 1975 über die Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung politischer Parteien (Parteiengesetz), BGBl. 404/1975, ginge - sollte er (auch) auf die Beschwerde des Dr. N.B. bezogen werden - schon vom Ansatz her fehl, weil diese Bestimmung anordnet, daß die Tätigkeit der österreichischen politischen Parteien keiner gesetzlichen Beschränkung unterworfen werden darf, womit die Bestrafung wegen Verwendung eines Abzeichens einer nationalsozialistischen Organisation in keinen wie immer gearteten Zusammenhang zu bringen ist.

In Wahrheit laufen die Einreden des Beschwerdeführers letztlich nur darauf hinaus, die belangte Behörde habe aus verschiedenen - hier nicht zu erörternden - Gründen in verfehlter Anwendung des Abzeichengesetzes 1960, so etwa deshalb, weil die Nationaldemokratische Partei ein Gabelsymbol als sogenanntes Markenzeichen gebrauche, gesetzwidrig entschieden. Damit wird aber einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber nicht der VfGH in einem Verfahren nach Art144 Abs1 B-VG, sondern ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.

3.2.3. Aus all dem folgt, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.

3.3. Die vom Beschwerdeführer überdies behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 5661/1968, 7974/1977, 8360/1978) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

3.3.1. In der von der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ausgehenden Beschwerdeschrift wird sinngemäß ausgeführt, die belangte Behörde sehe die Benützung der Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation nicht unter allen Umständen als verboten an, sondern nur eine Verwendung, die das Gedankengut der verbotenen Organisation wachzurufen geeignet sei. Darin könnte der Vorwurf erblickt werden, die belangte Behörde habe dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:

Selbst wenn hier das Gesetz tatsächlich jenen Inhalt hätte, den die belangte Behörde ihrer Entscheidung - nach den Beschwerdebehauptungen - zugrunde legte, könnte aber nicht von einer - gegen Art7 Abs1 B-VG verstoßenden - unsachlichen Differenzierung gesprochen werden, wie der VfGH bereits im Erk. VfSlg. 8242/1978 zum Ausdruck brachte.

3.3.2. Unter diesen Umständen könnte der Beschwerdeführer im Gleichheitsrecht nur durch willkürliche Gesetzesvollziehung verletzt worden sein.

Das Verfahren ergab indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde sich bei der Bescheiderlassung von unsachlichen Erwägungen leiten ließ. Sie war vielmehr offensichtlich um eine gesetzmäßige Entscheidung bemüht, wie vor allem daraus erhellt, daß sie sich in - keineswegs schlechterdings denkunmöglicher, dh. unter Umständen Willkür indizierender (s. bereits 3.2.2.) - Auslegung des §1 Abs1 Abzeichengesetz 1960 an der Vorjudikatur des VwGH orientierte (VwGH 13. 9. 1977 Z 777/1977). Ein solches Bemühen schließt Willkür aus, selbst wenn die Behörde im konkreten Fall zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt sein sollte (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976). Mit dem aus dem Aspekt willkürlicher Gesetzesanwendung sinngemäß vorgetragenen Beschwerdeeinwand, die Behörde verfolge nicht jeden Gebrauch der sogenannten Lebensrune, ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers ebenfalls nichts zu gewinnen, mag auch in anderen Fällen eine Strafverfolgung gesetzwidrig unterblieben sein: Ein derartiges Vorgehen könnte dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nämlich keinesfalls ein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976).

Der Beschwerdeführer wurde darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt.

3.4. Nach Art12 des - gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz geltenden - StGG haben österreichische Staatsbürger das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt. Als ein solches besonderes Gesetz besteht in bezug auf die Versammlungsfreiheit das Versammlungsgesetz 1953, in bezug auf die Vereinsbildung das Vereinsgesetz 1951.

Die verwaltungsbehördliche Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Verwendung der sogenannten Lebensrune kann aber schon allein deshalb weder in das Versammlungs- noch in das Vereinsrecht eingreifen, weil die freie Ausübung dieser beiden Rechte vom Gebrauch der Symbole der Lebensrune in Schriftstücken in keiner wie immer beschaffenen Weise abhängt.

Ein Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Versammlungsfreiheit und auf freie Vereinsbildung fand darum schon aus diesem Grunde nicht statt.

3.5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

3.6. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (s. 3.2.1.) wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

3.7. Die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Ein Kostenzuspruch kam nicht in Betracht, weil es nach Lage des Falles nicht geboten war, die Finanzprokuratur in dieser verwaltungsstrafrechtlichen Angelegenheit mit der Vertretung der belangten Behörde zu betrauen (s. VfSlg. 7455/1974, VfGH 30. 6. 1978 B451/75).

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Partei politische, Abzeichen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B410.1978

Dokumentnummer

JFT_10189388_78B00410_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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