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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / InstanzenzugserschöpfungLeitsatz
Grazer Dienst- und Gehaltsordnung 1956; keine Bedenken gegen §94 Abs1; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine GleichheitsverletzungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Erk. der Disziplinarkommission für die Beamten der Landeshauptstadt Graz (Senat A) vom 6. Mai 1980, Z DK 1/3-1980, wurde der TAR Ing. G.L. eines Dienstvergehens nach §78 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. 30/1957 (DO 1956), in geltender Fassung schuldig gesprochen, weil er im Jahr 1978 in der Funktion als örtlicher Bauleiter des Bauvorhabens "Bodensanierung geriatrisches Krankenhaus der Stadt Graz" Baumeisterleistungen für den dritten Bauabschnitt zum Preis von S 600.000,- pflichtwidrig vergeben habe, und dafür gemäß §82 Abs1 lita DO 1956 zur Disziplinarstrafe des Verweises verurteilt.
1.2. Dagegen ergriffen sowohl der Disziplinaranwalt als auch der Disziplinarbeschuldigte das Rechtsmittel der Berufung. Die Disziplinaroberkommission für die Beamten der Landeshauptstadt Graz (Berufungssenat A) gab mit Erk. vom 29. September 1980, Z DK 1/6-1980, der Berufung des Disziplinaranwaltes dahin Folge, daß über den Beschuldigten gemäß §82 Abs1 litb DO 1956 die Disziplinarstrafe der Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge für die Dauer von zwei Jahren, und zwar unter Festsetzung einer zweijährigen Probefrist, verhängt wurde. Zugleich wies sie die Berufung des Beschuldigten als unbegründet ab.
1.3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Ing. G.L. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) ausdrücklich behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise, und zwar mit Bezugnahme auf §87 Abs3 VerfGG 1953, die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
1.3.2. Die Disziplinaroberkommission für die Beamten der Landeshauptstadt Graz als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und begehrte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. §118 Abs5 DO 1956 läßt gegen die Entscheidung der Disziplinaroberkommission ein weiteres - administratives - Rechtsmittel nicht zu; der Instanzenzug ist damit erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde an den VfGH zulässig.
2.2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen verwaltungsbehördlichen Bescheid dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder eine Sachentscheidung in gesetzwidriger Weise verweigert (vgl. VfSlg. 7728/1975, 8053/1977).
Ebenso liegt eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes vor, wenn der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde in unrichtiger personeller Zusammensetzung erlassen wurde (s. VfSlg. 7293/1974, 8268/1978, 8729/1980).
Dabei ist ein Verstoß gegen Art83 Abs2 B-VG auch dann gegeben, wenn die unrichtige Zusammensetzung einer Kollegialbehörde unterer Instanz von der in letzter Instanz zur Entscheidung berufenen Behörde nicht wahrgenommen wird (vgl. VfSlg. 8309/1978, 8729/1980).
2.2.2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zunächst deshalb verletzt, weil von den Mitgliedern der Disziplinarkommission erster Instanz - den Bestimmungen der §§90, 91 DO 1956 zuwider - nur der Vorsitzende, nicht hingegen auch sein Stellvertreter im Senat dem Kreis der Gemeinderäte der Landeshauptstadt Graz zuzuzählen sei.
2.2.2.2. Dem ist zu entgegnen, daß die Disziplinarkommission nach §90 Abs1 DO 1956 (in der Fassung der Nov. LGBl. 26/1961) "aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertretern und der zur Besetzung der Senate (§91) erforderlichen Anzahl von weiteren Mitgliedern (Stellvertretern)" besteht, wobei "der Vorsitzende und dessen Stellvertreter ... aus dem Kreis der Gemeinderäte zu berufen" sind. Gemäß §91 Abs1 DO 1956 in der Fassung der Nov. LGBl. 26/1961 verhandelt und entscheidet die Disziplinarkommission in Senaten, "die aus dem Vorsitzenden (Stellvertreter) und vier Beisitzern (Stellvertretern) bestehen". Schon der Wortlaut des §91 Abs1 des zitierten Gesetzes läßt keinen Zweifel daran, daß der laut §92 Abs1 DO 1956 "nur bei Anwesenheit aller Mitglieder des Senates beschlußfähig(e)" Disziplinarsenat aus insgesamt fünf Personen, und zwar aus dem Vorsitzenden bzw. einem seiner Stellvertreter und aus vier Beisitzern bzw. deren Stellvertretern besteht, dh. daß also diesem Senat entweder der (gemäß §90 leg. cit. aus dem Kreis der Gemeinderäte berufene) Vorsitzende selbst oder einer seiner (gleichfalls aus dem Kreis der Gemeinderäte berufenen) Stellvertreter, keinesfalls aber der Vorsitzende und ein (oder mehrere) Vorsitzenden-Stellvertreter, anzugehören haben, wie der Beschwerdeführer in wenig deutlichen Ausführungen darzutun sucht. Vielmehr trifft die in der Gegenschrift der belangten Behörde geäußerte Meinung zu, daß dem entscheidenden Senat einer der Vorsitzenden-Stellvertreter - nach Wortlaut, Sinn und Zweck der in Rede stehenden Regelung - nur in vertretungsweise ausgeübter Vorsitzendenfunktion angehört.
2.2.3.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers soll eine Verletzung des Grundrechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch darin gelegen sein, daß Vorsitzender der Disziplinaroberkommission der dem Disziplinaranwalt gegenüber weisungsberechtigte Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz gewesen sei, der tatsächlich die Weisung zur Erhebung einer Berufung gegen das Disziplinarerkenntnis erster Instanz erteilt habe.
2.2.3.2. Auch diese Rüge versagt. Keinesfalls kann eine Verletzung des Grundrechts nach Art83 Abs2 B-VG in dem Umstand erblickt werden, daß der Bürgermeister von Graz - nach dem Beschwerdevorbringen - im gegenständlichen Dienststrafverfahren dem Disziplinaranwalt eine Weisung zur Ergreifung einer Berufung gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis erteilte, in der Folge aber als Vorsitzender der Disziplinaroberkommission an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitwirkte; denn eine Befangenheit dieses Organwalters, so sie überhaupt vorgelegen sein sollte, vermag das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht zu berühren (vgl. VfSlg. 8092/1977).
2.2.4.1. Ohne sich auf eine konkrete Verfassungsbestimmung zu beziehen, bezeichnet der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Art83 Abs2 B-VG gewidmeten Vorbringen die Vorschrift des §94 Abs1 DO 1956 als verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie den Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz ungeachtet seiner Weisungsbefugnis gegenüber dem Disziplinaranwalt an die Spitze der Disziplinaroberkommission berufe.
2.2.4.2. Der vom Beschwerdeführer verfochtenen Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Es gibt keine Verfassungsnorm, die es verbietet, den Vorsitz der Disziplinaroberkommission für die Beamten der Landeshauptstadt Graz dem Bürgermeister dieser Stadt selbst zu übertragen, der gemäß §56 Abs3 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 Vorstand des Magistrates und Vorgesetzter der Stadtbediensteten ist.
Der VfGH findet weder im Hinblick auf die Beschwerdeausführungen noch aufgrund anderer Erwägungen Anlaß, aus dem Blickwinkel dieser Beschwerdesache an der Verfassungsmäßigkeit des §94 Abs1 DO 1956 zu zweifeln und darob von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
2.2.5. Abschließend ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wurde.
2.3.1. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG), wie sie der Beschwerdeführer ebenfalls behauptet, kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.
2.3.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, sucht der Beschwerdeführer lediglich damit darzutun, daß in §135 Abs3 DO 1956 und in §94 Abs1 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979), BGBl. 333, für Dienstvergehen bzw. Dienstpflichtverletzungen ohne sachliche Rechtfertigung voneinander abweichende Verjährungsfristen festgelegt seien und seine Tat nach der günstigeren Regelung des BDG 1979 bereits verjährt gewesen wäre.
Dazu genügt es, dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß - wie der VfGH schon wiederholt aussprach (vgl. VfSlg. 7038/1973, 8247/1978) - das bundesstaatliche Prinzip die Anwendung des Gleichheitssatzes auf das Verhältnis der Regelungen verschiedener Gesetzgeber, so hier des Bundesgesetzgebers und eines Landesgesetzgebers, zueinander ausschließt.
2.3.2.2. Sonstige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides unter dem Aspekt des Art7 Abs1 B-VG wurden nicht geäußert; auch der VfGH hegt aus der Sicht dieses Beschwerdefalls keine solchen Bedenken.
2.3.3. Da es auch an jeglichen Hinweisen dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das Gleichheitsrecht lediglich dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
Derartiges behauptet der Beschwerdeführer nicht. Tatsächlich finden sich keine wie immer gearteten Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Berufungswerbers gelegenen oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.
2.3.4. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurde.
2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.5. Ebensowenig entstanden - aus der Blickrichtung dieses Beschwerdefalls - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (s. auch 2.2.4.1. und 2.2.4.2., ferner 2.3.2.1. und 2.3.2.2.). Der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.6. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Disziplinarrecht Beamte, Dienstrecht, BundesstaatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B670.1981Dokumentnummer
JFT_10189388_81B00670_00