TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/15 B593/78

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Veröffentlicht am 15.06.1981
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
Nö GVG 1973 §8
Nö GVG 1973 §13
Nö GVG 1973 §16 lita

Leitsatz

Nö. Grundverkehrsgesetz 1973; keine Bedenken gegen §8 Abs1 und Abs2 litb und d und §13 Abs1 und Abs3; keine denkunmögliche Anwendung des §8 Abs2 litd; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Das Bezirksgericht Hainfeld hat im Zuge eines Versteigerungsverfahrens die der verpflichteten Partei (dem Beschwerdeführer) gehörende Liegenschaft EZ 32 KG G.E., dem in Wiener Neustadt wohnhaften J.Sch. um das Meistbot von S 1,800.000,-

zugeschlagen.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1978 hat die Grundverkehrs-Bezirkskommission Hainfeld-Lilienfeld am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld der Übertragung des Eigentums die Zustimmung versagt.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1978 hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung die vom Verpflichteten erhobene Berufung gemäß §§8 Abs1 und Abs2 litb und d, 13 Abs1 und Abs3 des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2 (GVG), abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. §8 GVG - soweit er im vorliegenden Fall angewendet wurde - lautet:

"§8 (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

...

b) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes kein Landwirt ist und ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsübliche Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

...

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, soferne ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen."

Nach §13 Abs1 GVG hat das Exekutionsgericht vor der Ausfertigung und der Verlautbarung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlages bei einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft die Entscheidung der Grundverkehrs-Bezirkskommission einzuholen, ob die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden diesem Gesetz widerspricht.

Entscheidet die Grundverkehrskommission, die Ausländergrundverkehrskommission oder die Landesregierung, daß die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden diesem Gesetz widerspricht, so hat das Exekutionsgericht den Zuschlag aufzuheben (§13 Abs3 GVG).

2. Dem Beschwerdeführer kommt als Verpflichtetem im Exekutionsverfahren gegen den gemäß §13 Abs3 GVG erlassenen Bescheid der Grundverkehrskommission das Berufungsrecht zu (§16 lita GVG, vgl. auch VfSlg. 7186/1973). Er ist daher zur Einbringung der vorliegenden Beschwerde legitimiert.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind weder vorgebracht worden noch beim VfGH entstanden (siehe auch VfSlg. 7819/1976, 8808/1980 und 9004/1981).

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8266/1978).

Im Gleichheitsrecht könnte der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8428/1978) nur verletzt worden sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

a) Die belangte Behörde ist bei der Versagung der Zustimmung zum Eigentumserwerb von Stellungnahmen der Bezirks-Bauernkammern Hainfeld-Lilienfeld und Wiener Neustadt ausgegangen, wonach der Meistbietende "bestenfalls" als Nebenerwerbslandwirt einzustufen sei, weil er seinen Lebensunterhalt nahezu ausschließlich aus den Erträgnissen seines Gewerbes (Eisen-, Metall- und Autoverschrottung) bestreite. Der Meistbietende besitze wohl eine Landwirtschaft mit einer Fläche von 57 ha; da darauf aber lediglich zwei Pferde und ca. 40 Schafe gehalten würden, müsse angenommen werden, daß die Bewirtschaftung sehr extensiv durchgeführt wird. Auf der anderen Seite sei der Betrieb des Interessenten F.K. in R., welcher 22 ha umfasse und wo alle erforderlichen Betriebsmittel vorhanden seien, als ein bäuerlicher Betrieb anzusehen. Die Grundverkehrs-Landeskommission sei daher zur Auffassung gelangt, daß der Interessent K. als Landwirt anzusehen sei, was von der Bezirks-Bauernkammer Hainfeld-Lilienfeld auch hinsichtlich der Ausbildung bestätigt worden sei.

b) In der Beschwerde wird vorgebracht, der Meistbieter Sch. habe sich dem Verpflichteten gegenüber zusätzlich bereit erklärt, die Forderung eines anderen Gläubigers von rund S 400.000,- zu übernehmen. Der Beschwerdeführer erleide daher bei Nichtgenehmigung des Zuschlages einen nicht abzusehenden Vermögensschaden. Sinn des §8 Abs2 GVG sei es, nicht nur den Erwerber, sondern auch den Landwirt zu schützen, dessen Eigentum versteigert werde. Das GVG stelle auf die Erhaltung und Stärkung des gesamten Bauernstandes ab, sodaß es nicht möglich erscheine, daß jemand auf Kosten des Beschwerdeführers dessen Liegenschaft unter dem ortsüblichen Verkehrswert möglicherweise erwerben könne. Die Feststellung der belangten Behörde, daß der Meistbietende deshalb kein Landwirt sei, weil er nur zwei Pferde und ca. 46 Schafe halte, sei aktenwidrig, denkunlogisch und somit willkürlich. Ebenso unrichtig sei die Feststellung der belangten Behörde, daß es sich bei dem Interessenten K. um einen Landwirt handle, weil dieser zwei Gewerbebetriebe führe und seinen Lebensunterhalt zum Großteil aus diesen Gewerbebetrieben erwirtschafte.

c) In den Verwaltungsakten befindet sich eine Stellungnahme der Bezirks-Bauernkammer Wiener Neustadt vom 8. Mai 1978, wonach Erhebungen ergeben haben, daß J.Sch. zwar ca. 50 ha land- und forstwirtschaftliche Grundstücke bewirtschafte und auf seinem Anwesen ca. 40 Schafe und zwei Pferde halte, sein überwiegendes Einkommen jedoch aus seinem Gewerbebetrieb beziehe, in welchem er mit Eisen- und Metallwaren sowie mit Autos handle. Nach Meinung der Bezirks-Bauernkammer Wiener Neustadt sei J.Sch. keinesfalls ein Vollerwerbslandwirt, sondern höchstens ein "Nebenerwerbslandwirt iS des GVG".

In den Verwaltungsakten befindet sich auch eine Stellungnahme der Bezirks-Bauernkammer Hainfeld-Lilienfeld vom 6. September 1978, nach welcher der Betrieb des F.K. 22 ha umfaßt, davon 14 ha Acker, 5,50 ha als mehrmähdige Wiesen, 2 ha Wald und 0,50 ha als sonstige Flächen. Zum Betrieb gehörten auch 26 Rinder, 11 Schweine, 25 Stück Geflügel, 1 Traktor, Motormäher, Mähdrescher, Heugreifer, Kunstdüngerstreuer, Melkmaschine etc. Daß darüber hinaus die Ehegatten K. noch eine ererbte "kleine Gaststätte samt Fäkalabfuhr als Zuerwerb" betreiben, ändere nichts an der Tatsache, daß K. "im Gegensatz zu Sch." als hauptberuflicher Landwirt anzusprechen sei und auf Grund seiner Ausbildung auch sämtliche Voraussetzungen zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes habe.

F.K. erklärte, er sei bereit und auch in der Lage, den ortsüblichen Preis für die Liegenschaft zu bezahlen. Zum Nachweis dessen hat er ein Schreiben der Sparkasse der Stadt Hainfeld vom 29. August 1978 vorgelegt, in welchem sich diese grundsätzlich bereit erklärt, F.K. einen Kredit in der Höhe von S 1,800.000,- einzuräumen.

d) Die Behörde ist - gestützt auf die Stellungnahmen der Bezirks-Bauernkammern - davon ausgegangen, daß es sich beim Interessenten K. um einen Vollerwerbsbauern handelt, während der Meistbietende nicht als Landwirt anzusehen sei. Die Behörde hat daraus die Schlußfolgerung gezogen, daß das Interesse an der Stärkung des bäuerlichen Betriebes des F.K. das Interesse an der Verwendung der Liegenschaft durch den Meistbietenden überwiegt. Diese Annahmen der Behörden und die von ihr vorgenommene Interessenabwägung sind keineswegs denkunmöglich.

Hinzuzufügen ist, daß der VfGH im Erk. VfSlg. 9004/1981 den Standpunkt vertreten hat, daß die in §8 Abs2 litd GVG vorgesehene Interessenabwägung dann nicht stattzufinden hat, wenn der Erwerber Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs, 7 GVG (aus dessen Ertrag der Lebensunterhalt vorwiegend bestritten wird) ist. Der VfGH hat aber gleichzeitig ausgesprochen, daß diese Interessenabwägung dann Platz zu greifen hat, wenn der Erwerber Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs8 GVG (dessen Ertrag zum Lebensunterhalt beiträgt) ist; das ist hier der Fall.

Der Behörde kann also weder der Vorwurf gemacht werden, den Versagungsgrund des §8 Abs2 litd GVG denkunmöglich angewendet noch dieser Bestimmung fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt zu haben. Ob die Entscheidung richtig ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer ist daher weder im Gleichheitsrecht (vgl. zB VfSlg. 8823/1980) noch im Eigentumsrecht (vgl. zB VfSlg. 8266/1978) verletzt worden.

e) Da die belangte Behörde ihre Entscheidung denkmöglich auf die Bestimmung des §8 Abs2 litd GVG gestützt hat, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch die Heranziehung eines anderen Versagungsgrundes (vgl. VfSlg. 8317/1978), nämlich des Versagungsgrundes nach §8 Abs2 litb GVG, in denkmöglicher Weise erfolgt ist.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B593.1978

Dokumentnummer

JFT_10189385_78B00593_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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