TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/15 B383/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.1981
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs2
StGG Art5
Nö GVG 1973 §7, §7 Abs8
Nö GVG 1973 §8 Abs1, §8 Abs2 lita, §8 Abs2 litd

Leitsatz

Nö. Grundverkehrsgesetz 1973; keine Bedenken gegen §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs1 und 2 lita und litd; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung des §8 Abs2 litd

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführer haben mit Kaufvertrag vom 3. Oktober 1978 die Grundstücke 246/1, 246/2, 245 und 268, KG K. im Gesamtausmaß von 9,8286 ha um S 600.000,- von der Landwirtin P.F. erworben.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirks-Landwirtschaftskammer Wiener Neustadt am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt hat diesem Rechtsgeschäft mit Bescheid vom 18. Dezember 1978 mit der Begründung nicht zugestimmt, daß ein hauptberuflicher Landwirt und ein Nebenerwerbslandwirt als Interessenten aufträten, welche bereit und in der Lage wären, die Grundstücke um den Kaufpreis von S 600.000,- zu erwerben.

Die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung vom 24. Juli 1979 gemäß §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs1 und 2 lita und litd des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 (GVG), LGBl. 6800-2, abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die beiden Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs geltend machen und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die von der belangten Behörde herangezogenen Versagungsgründe des GVG haben folgenden Wortlaut:

"§8 (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

a) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

...

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen."

Gegen diese Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtliche Bedenken weder geäußert worden noch beim VfGH entstanden (vgl. auch VfSlg. 7819/1976 und 8808/1980).

2. Der Erstbeschwerdeführer ist als Bundesbeamter im Bundesrechenzentrum tätig. Die Zweitbeschwerdeführerin ist nicht berufstätig. Die beiden Beschwerdeführer sind Eigentümer von 2,71 ha landwirtschaftlichen Flächen und 1,15 ha Wald in K.; weitere 6 ha Weide haben sie gepachtet.

Die Beschwerdeführer betreiben in K. die Zucht von Islandpferden.

Nach dem im Akt befindlichen Gutachten des Amtssachverständigen vom 10. Mai 1979 betrug der Pferdebestand der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt 26 Pferde. In dem genannten Gutachten wird der Erstbeschwerdeführer als Nebenerwerbslandwirt gemäß §8 Abs6 GVG bezeichnet, da durch die persönliche Bewirtschaftung des Pferdezuchtbetriebes bestenfalls zum Lebensunterhalt beigetragen werden könne.

In dem Gutachten wird zu den beiden Interessenten folgendes ausgeführt:

Der Interessent M.H. habe im Feber 1979 den bäuerlichen Betrieb seiner Eltern übernommen; der Betrieb umfasse 22,2190 ha landwirtschaftliche Nutzflächen und 13,3274 ha Wald, weise 10 Kühe, 20 Jung- und Mastrinder, 3 Zuchtschweine und 30 Mastschweine auf und sei als aufstockungsbedürftiger bäuerlicher Betrieb gemäß §8 Abs7 GVG anzusehen; M.H. sei hauptberuflicher Landwirt.

Der andere Interessent G.G. habe den Betrieb seiner Eltern gepachtet und sei als Fernlastkraftfahrer tätig. Der Betrieb umfasse 10,3 ha landwirtschaftliche Nutzflächen und 9 ha Wald, er weise 4 Kühe, 2 Jungrinder und 3 Mastschweine auf. G.G. sei als Nebenerwerbslandwirt iS des §8 Abs6 GVG anzusehen.

Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung auf dieses Gutachten gestützt und zum Versagungsgrund des §8 Abs2 lita GVG ausgeführt, die Behörde erster Instanz habe zu Recht angenommen, daß die Beschwerdeführer keine Landwirte seien und daß der hauptberufliche Landwirt M. und der Nebenerwerbslandwirt G.G. als Interessenten auftreten. Da der Erstbeschwerdeführer als Beamter erwerbstätig sei und die Zweitbeschwerdeführerin als Beruf "Haushalt" angegeben habe, sei der Versagungsgrund des §8 Abs2 lita GVG gegeben. Wenn eine Mehrheit von Personen als Käufer auftrete, müsse die Qualifikation aller Personen gegeben sein. Nach der Aktenlage werde die Pferdezucht nebenberuflich nur vom Erstbeschwerdeführer betrieben. Daß auch die Zweitbeschwerdeführerin als Pferdezüchterin tätig sei, werde nicht einmal behauptet.

Das Vorliegen des Versagungsgrundes nach §8 Abs2 litd GVG begründet die Behörde damit, es sei das vornehmste Ziel des GVG, bäuerliche Familienbetriebe mit ausreichend eigenem Grund ausstatten zu können, um das allgemeine öffentliche Interesse, nämlich einen leistungsfähigen Bauernstand zu erreichen, verwirklichen zu können. Im vorliegenden Fall könne eine solche Stärkung gerade im richtigen Moment erfolgen, weil der Interessent H. eine Familie gründen wolle. Die Stärkung des bäuerlichen Betriebes des M.H. mit den bezughabenden Grundstücken liege viel eher im öffentlichen Interesse, als das Hinzukommen der Grundstücke zur Pferdezucht des Berufungswerbers.

3. In der Beschwerde wird ausgeführt, die Beschwerdeführer seien nach dem Gutachten des Amtssachverständigen als Nebenerwerbslandwirte einzustufen. Damit seien sie Landwirte iS des GVG, weil der Begriff Landwirt sowohl den Vollerwerbslandwirt als auch den Nebenerwerbslandwirt umfasse. Die Argumentation der belangten Behörde, der rund 35 ha umfassende Betrieb des Interessenten M.H. sei aufstockungsbedürftig, der wesentlich kleinere der Beschwerdeführer hingegen nicht, sei denkunmöglich. Es gehe nicht an, den Beschwerdeführern auf diese Weise zu versagen, ihren seit vielen Jahren mit Erfolg geführten Pferdezuchtbetrieb auszuweiten. Darüber hinaus sei die 22jährige Tochter der Beschwerdeführer, welche selbst Eigentümerin einiger Pferde sei, bereits jetzt im Betrieb der Beschwerdeführer tätig und beabsichtige, diese Tätigkeit noch auszuweiten. Ihr derzeitiges Medizinstudium sei kein Grund, ihr in Zukunft eine bäuerliche Tätigkeit zu versagen. Wenn die Behörde vermeine, es sei der Betrieb des Interessenten H. deshalb stärkungsbedürftig, weil dieser demnächst eine Familie gründen werde, so gelte dieselbe Argumentation auch für die Tochter der Beschwerdeführer, was jedoch von der Behörde nicht berücksichtigt werde. Dadurch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, ebenso das Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes. Außerdem habe es die Behörde unterlassen festzustellen, wie hoch im gegenständlichen Falle der ortsübliche Verkehrswert der Grundstücke ist.

4. a) Die belangte Behörde ist - gestützt auf das Gutachten des Amtssachverständigen - zu dem Ergebnis gelangt, daß das Interesse an der Stärkung des bäuerlichen Betriebes des M.H. das Interesse an der Verwendung auf Grund des Kaufvertrages vom 3. Oktober 1978 überwiegt und daß der Interessent H. bereit ist, für die bezughabenden Grundstücke jenen Kaufpreis zu bezahlen, der in dem genannten Kaufvertrag vorgesehen war.

Die Beschwerdeführer bringen überhaupt nichts vor, was dagegen spricht, daß der ortsübliche Verkehrswert der Kaufgrundstücke S 600.000,- beträgt. Auch wenn der ortsübliche Verkehrswert nicht S 600.000,- betrüge, läge diesbezüglich kein in die Verfassungssphäre reichender Verstoß der Behörde vor.

Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 9004/1981 den Standpunkt vertreten, daß die in §8 Abs2 litd GVG vorgesehene Interessenabwägung dann nicht stattzufinden hat, wenn der Erwerber Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs7 GVG (aus dessen Ertrag der Lebensunterhalt vorwiegend bestritten wird) ist. Der VfGH hat aber gleichzeitig ausgesprochen, daß diese Interessenabwägung dann Platz zu greifen hat, wenn der Erwerber Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs8 GVG (dessen Ertrag zum Lebensunterhalt beiträgt) ist. Dies trifft jedenfalls auf den Erstbeschwerdeführer zu, bei dem es sich nach dem - diesbezüglich in der Beschwerde auch gar nicht angezweifelten - Gutachten des Amtssachverständigen um einen Nebenerwerbslandwirt iS des §8 Abs6 GVG (der durch die Bewirtschaftung der Liegenschaft zum Lebensunterhalt beiträgt) handelt. Ob die Zweitbeschwerdeführerin Nebenerwerbslandwirtin gemäß §8 Abs6 GVG ist oder - wie die belangte Behörde behauptet - nicht als solche eingestuft werden kann, ist für die Frage der Denkmöglichkeit der Vornahme einer Interessenabwägung nach §8 Abs1 litd GVG im vorliegenden Fall unerheblich.

Auf Grund dessen kann der Behörde weder der Vorwurf gemacht werden, den Versagungsgrund des §8 Abs2 litd GVG denkunmöglich angewendet noch dieser Bestimmung fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt zu haben.

Die Beschwerdeführer sind daher weder im Gleichheitsrecht (vgl. zB VfSlg. 8823/1980) noch im Eigentumsrecht (vgl. zB VfSlg. 8266/1978) verletzt worden.

Zur gleichzeitig behaupteten Verletzung des Art6 StGG ist darauf hinzuweisen, daß durch Art6 StGG allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen der Länder enthalten sind, nicht ausgeschlossen werden (vgl. VfSlg. 8766/1980).

b) Da die belangte Behörde ihre Entscheidung denkmöglich auf die Bestimmung des §8 Abs2 litd GVG gestützt hat, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch die Heranziehung eines anderen Versagungsgrundes (vgl. VfSlg. 8317/1978), nämlich des Versagungsgrundes nach §8 Abs2 lita GVG, in denkmöglicher Weise erfolgt ist.

c) Zu dem übrigen Vorbringen der Beschwerdeführer, daß sie in ihrem Recht auf Parteiengehör "und der Verfahrensmitwirkung beschränkt" worden sind sowie daß zwei Ortsvertreter der Grundverkehrskommission bereits ihre schriftliche Zustimmung zum gegenständlichen Rechtsgeschäft erteilt hätten, sodaß nach dem GVG die erstinstanzliche Behörde "bereits ohne mündliche Verhandlung ihre Zustimmung hätte erteilen müssen", ist zu bemerken, daß auch dann, wenn dieses Vorbringen zuträfe, darin noch kein in die Verfassungssphäre reichender Verstoß der Behörde läge.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

6. Die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung ist, wie sich aus §7 GVG ergibt, dem Art133 Z4 B-VG entsprechend organisiert; §7 Abs8 GVG bestimmt überdies ausdrücklich, daß gegen ihre Entscheidungen eine Beschwerde an den VwGH nicht zulässig ist. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH ist daher abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Abtretung, Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B383.1979

Dokumentnummer

JFT_10189385_79B00383_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten