TE Vfgh Beschluss 1981/6/15 V32/78

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Veröffentlicht am 15.06.1981
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Nö BauO §21
Nö BauO §22
Nö LandesstraßenG
Verordnung des Gemeinderates der Stadt Amstetten vom 17.02.78 betreffend die Auflassung der öffentlichen Wegwidmung für die Parzelle 1883/46 KG Mauer bei Amstetten

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Amstetten vom 17. Feber 1978, betreffend die Auflassung der öffentlichen Wegwidmung für eine Parzelle; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Die Antragsteller sind Eigentümer der (unbebauten) Liegenschaft 1883/12 und der mit einem Einfamilienhaus bebauten Liegenschaft 1883/13 KG Mauer bei Amstetten. Die Liegenschaft 1883/12 grenzt westseitig an die 3 m breite und 46 m lange Parzelle 1883/46, die als öffentlicher Verbindungsweg zwischen der Mozartstraße und der Gunnersdorferstraße gewidmet war.

2. Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadt Amstetten vom 17. Februar 1978, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 20. Februar bis 9. März 1978 wurde "die Auflassung der öffentlichen Wegwidmung für die Parzelle 1883/46 KG Mauer" normiert.

3. Mit einem zwar als Beschwerde bezeichneten, inhaltlich aber als Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zu wertenden Schriftsatz begehren die Antragsteller, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, da sie von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei und gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums verstoße.

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Amstetten und die Nö. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Rechtmäßigkeit der Verordnung verteidigen und den Antrag stellen, der VfGH möge die Verordnung nicht als gesetzwidrig aufheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977, 8553/1979 uva.).

2. a) Die Antragsteller gehen zu Recht davon aus, daß durch die den öffentlichen Weg auflassende Verordnung in ihre Rechtssphäre eingegriffen wurde. Zwar bietet der verordnungsgegenständliche Weg nicht den einzigen Zugang zum Bauplatz 1883/12, vielmehr liegt das Grundstück noch an einem anderen öffentlichen Weg, nämlich der Mozartstraße, was dem Grundeigentümer auch nach Auflassung der Widmung des in Rede stehenden Verbindungsweges als öffentlicher Weg das Recht gibt, das Grundstück nach Maßgabe der Bestimmungen der Bauordnung zu verbauen; dennoch wird die Situation der Grundstückseigentümer verändert, wenn an einer Seite des Grundstücks ein bisher bestandener öffentlicher Weg seine Widmung als öffentlich verliert, da damit den Grundstückseigentümern "Frontrechte" iS der Lehre und Rechtsprechung (vgl. insb. Krzizek, System des Österreichischen Baurechts I, 1972, 370 ff. mit Hinweisen auf die Judikatur des VwGH) verlorengehen. Für den vorliegenden Fall braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß die Regelungen der §§21 und 22 Nö. BauO 1976 (LGBl. 8200-0) über die Ausnützung der Bauplätze und die zulässige Höhe der Baulichkeiten bewirken, daß die rechtliche Situation des Eigentümers eines Grundstückes durch die rechtliche Qualität des Nachbargrundstückes als Bauplatz oder öffentlicher Weg mitgestaltet wird. Denn davon ist unter anderem die mögliche Situierung eines Bauwerkes oder die zulässige Bauhöhe abhängig.

b) Die Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Antragsteller durch die angefochtene Verordnung ist aber keine aktuelle.

Auf Grund der Situierung des Grundstückes an einem anderen öffentlichen Weg wird durch die Auflassung des einen öffentlichen Weges weder die Aufschließung des Grundstücks der Anlieger, noch dessen Verbaubarkeit schlechthin unmöglich gemacht.

Durch die in Rede stehende Verordnung wird zwar die Möglichkeit der Bebauung des Grundstückes 1883/12 rechtlich betroffen. Die Aktualisierung der Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Antragsteller hängt aber noch vom konkreten Bebauungsplan, für dessen Gestaltung nach Auflassung des öffentlichen Weges die Nö. Bauordnung den Gemeindeorganen einen Entscheidungsspielraum gibt, ebenso ab, wie davon, welche Verwertung das Grundstück 1883/46 nach Auflassung der Widmung als öffentlicher Weg erfährt, und davon, in welcher Weise die Antragsteller ihr Grundstück zu nutzen beabsichtigen.

3. Die Rechtsstellung der Antragsteller wird daher durch die angefochtene Verordnung unmittelbar nicht beeinträchtigt (vgl. auch VfGH 21. 6. 1979 B340a, b, V16/76 und VfSlg. 8974/1980). Nur ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller begründet jedoch die Legitimation zur Stellung eines Antrages auf Aufhebung einer Verordnung gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG.

Der Antrag war somit mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V32.1978

Dokumentnummer

JFT_10189385_78V00032_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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