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81 Wasserrecht, WasserbautenNorm
StGG Art5Leitsatz
WRG 1959; keine Bedenken gegen §9 Abs2, §63 litb, §64 Abs1 lita, §99 Abs1 litc und d sowie §111 Abs1 und 2; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Landeshauptmann von Ktn. hat mit Bescheid vom 21. Februar 1980 gemäß §9 Abs2, §99 Abs1 litc und d sowie §111 Abs1 und 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959, idF der Nov. BGBl. 207/1969 (WRG), der Nachbarschaft Obervellach (einer Agrargemeinschaft, die für die Marktgemeinde Obervellach eine Wasserversorgungsanlage betreibt) die Bewilligung erteilt, die sogenannten Ladinigquellen I und II zu fassen und mit ihrer gesamten Quellspende für die Versorgung der Wasserversorgungsanlage Obervellach zu nutzen sowie die im Projekt der Nachbarschaft Obervellach dargestellten Anlagen und Wasserleitungen zu errichten. Gleichzeitig wurde im Zwangsrechtsweg die dem Beschwerdeführer gehörenden sogenannten Ladinigquellen I und II zugunsten der Nachbarschaft Obervellach gemäß §64 Abs1 lita WRG enteignet. Die Nachbarschaft Obervellach wurde verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine bestimmte einmalige Entschädigung für die enteigneten Quellen zu bezahlen. Außerdem wurde zu Lasten des Beschwerdeführers auf einigen ihm gehörenden Grundstücken die Dienstbarkeit der Errichtung und Erhaltung bestimmter Bauwerke, Anlagen und Wasserleitungen gemäß §63 litb WRG zugunsten der Nachbarschaft Obervellach eingeräumt.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit Bescheid vom 16. Juni 1980 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den zitierten erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben; er hat lediglich die für die enteigneten Quellen zu leistende Entschädigung geändert.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
Die beteiligte Agrargemeinschaft Nachbarschaft Obervellach hat gleichfalls eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben und ihr (der Beteiligten) Kosten zuzusprechen.
Die Marktgemeinde Obervellach hat sich wiederholt geäußert und sich für eine Abweisung der Beschwerde ausgesprochen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach §9 Abs2 WRG bedarf die Benutzung der privaten Tagwässer sowie die Errichtung oder Änderung der hiezu dienenden Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde.
Gemäß §64 Abs1 lita kann die Wasserrechtsbehörde unter anderem zwecks Förderung der nutzbringenden Verwendung der Gewässer im erforderlichen Maß die Benutzung eines Privatgewässers, insoweit es für den Nutzungsberechtigten entbehrlich ist, einem anderen einräumen.
2. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:
"Aus den vorliegenden Akten geht eindeutig hervor, daß Obervellach an akutem Wassermangel leidet. Die Ursachen für diesen Wasserversorgungsengpaß liegen in der raschen Entwicklung der Bevölkerung und des Fremdenverkehrs sowie in der regen Bautätigkeit. Derzeit wird Obervellach durch ein Quellvorkommen versorgt (Zechner Quelle), dessen Schüttung keinesfalls in der Lage ist, den maximalen Bedarf zu decken. Zusätzlich verschärfend wirkt der Umstand, daß die Zuleitung von dieser Quelle zum Ortsnetz hydraulisch zu knapp bemessen ist, sodaß nicht einmal die gesamte Schüttung der Zechner Quelle genützt werden kann. Zur weiteren Abdeckung des Bedarfes stehen drei Quellen zur Diskussion: Fleischhackerquelle, Ladinigquellen und Wunzenbachquellen. Die Fleischhackerquelle wird laut Gutachten durch Oberflächenwässer gespeist und scheidet daher für die Trinkwasserversorgung grundsätzlich aus. Die Wunzenbachquellen stellen zwar ein wertvolles und auch ergiebiges Quellvorkommen dar, ihre Erschließung und Ableitung ist aber mit aufwendigen und langdauernden Baumaßnahmen verbunden, was überdies Obervellachs Finanzkraft übersteigen würde (vgl. Ergänzungsstudie des Büros Seba-Plan). Als tatsächlich nutzbares Quellvorkommen bieten sich daher nur die Ladinigquellen an, da sie einwandfreies Wasser liefern und ihre Erschließung mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden kann. Vom amtstechnischen Standpunkt ist daher das Vorhaben Obervellach zu unterstützen, da hiemit einem akuten Wassermangel durch rasche ausführbare und eigenfinanzierte Baumaßnahmen abgeholfen werden soll. Da die vorgesehenen Maßnahmen auch im öffentlichen Interesse liegen und praktisch die wirksamste Möglichkeit darstellen, den Engpaß in der Wasserversorgung rasch zu beseitigen, erscheint auch aus technischer Sicht die Einräumung von Zwangsrechten gerechtfertigt.
Soweit in der Berufung von L. fachliche Argumente vorgebracht werden, richten sie sich gegen die im Projekt enthaltene Wasserbedarfsermittlung für Obervellach, eine mangelhafte Prüfung der Wasserdargebotsseite und eine mögliche nachteilige Veränderung der Grundwasserverhältnisse im Tal des Mallnitzbaches. Zur Wasserbedarfsermittlung ist zu sagen, daß die darin angesetzten spezifischen Verbrauchswerte zum Teil über den vom Bundesministerium für Bauten und Technik empfohlenen Zahlen liegen und größenordnungsmäßig durchaus den Bedarfsziffern ländlicher Gemeinden entsprechen. Die Prüfung der Wasserdargebote der einzelnen Quellen erfolgte ausreichend genau, um einen Überblick über die Versorgungssituation der Gemeinde zu geben und nachzuweisen, daß für die kurzfristige Schließung der Versorgungslücke praktisch nur die Ladinigquellen in Frage kommen. Was schließlich den Vorwurf der nachteiligen Beeinflussung des Grundwassers des Mallnitztales anlangt, so kann zufolge der Schilderung der örtlichen Verhältnisse des Mallnitzbaches bzw. der näheren Situation der Quellen wohl kaum mit nennenswerten Mengen an Grundwasser gerechnet werden, abgesehen davon, daß die laut Bescheid im Wege der Quellfassungen dem Mallnitzbach entzogene Wassermenge von 2 bis 6 l/s kaum einen nennenswerten Beitrag zum Abflußgeschehen des Tales wird leisten können.
Alles in allem erhellt daraus, daß die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes bezüglich der Ladinigquellen aber auch hinsichtlich der für Anlagenteile herangezogenen Grundflächen des Berufungswerbers iS sowohl des §64 als auch des §63 WRG 1959 bejaht werden müssen ..."
3. a) Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, zusammengefaßt damit, daß die vorgenommene Enteignung unnotwendig sei. Es könnte der Wasserbedarf der Marktgemeinde Obervellach auch dadurch gedeckt werden, daß die Förderkapazität der Abflußleitung der "Zechnerquelle" verbessert würde. Diese Quelle liefere mehr Wasser, als derzeit der Wasserversorgung zugeführt werde. Auch die "Fleischhackerquelle" könnte zur Deckung des Wasserbedarfes herangezogen werden. Vor allem aber könnte die "Wunzenbachquelle", die im Eigentum der Nachbarschaft Obervellach stehe, in die Wasserversorgung der Marktgemeinde Obervellach einbezogen werden. Bei dieser Quelle handle es sich um ein überaus ergiebiges Wasservorkommen. Schließlich sei überhaupt nicht untersucht worden, ob die "Schattseitquellen", die auf Liegenschaften der Nachbarschaft Obervellach entspringen, nicht gleichfalls in das Wasserversorgungsprojekt der Marktgemeinde Obervellach einbezogen werden könnten.
Von einer zukunftsorientierten, weiträumigen Wasserversorgungsplanung könne überhaupt keine Rede sein.
b) Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt der Beschwerdeführer darin, daß sich die Behörde "mit einem mangelhaften Projekt begnügt" habe. Die Behörde habe die Möglichkeit, ob der Wasserbedarf etwa durch Ausbau und Verbesserung der bestehenden Wasserversorgungsanlagen (gemeint ist offenbar die Zechnerquelle) hätte gedeckt werden können, überhaupt nicht oder nicht mit der gehörigen Genauigkeit geprüft. Die Behörde habe die Möglichkeit der Einbeziehung anderer Wasservorkommen überhaupt nicht (Schattseitquellen) oder nur unzureichend geprüft (Wunzenbachquelle).
Die Behörde habe sich aber auch in der Frage der Ermittlung des Pro-Kopf-Bedarfs mit unsachgemäßen Schätzungen zufriedengegeben. Es fehle auch eine zukunftsträchtige und vorausschauende Prognose über den zu erwartenden Bedarf der Marktgemeinde Obervellach in den nächsten Jahrzehnten und darüber hinaus, durch welches Wasservorkommen dieser Bedarf auf lange Sicht auf die günstigste Weise gedeckt werden kann. Die Inanspruchnahme der Ladinigquellen des Beschwerdeführers würde nur "eine überaus kurzsichtige Bedarfsdeckung bewirken".
4. Mit dem angefochtenen Bescheid werden ua. zwangsweise auf einigen dem Beschwerdeführer gehörenden Liegenschaften Dienstbarkeiten begründet. Allein schon deshalb greift der Bescheid in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die herangezogenen gesetzlichen Grundlagen (s.o. I.1.) des angefochtenen Bescheides wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Auch der VfGH hat aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.
Eine Verletzung des Eigentumsrechtes könnte sohin nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung erfolgt sein. Der Beschwerdeführer versucht mit seinen Darlegungen, derartige Fehler im Bereiche der Vollziehung nachzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist eine Enteignung nur dann verfassungsrechtlich erlaubt, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um dem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen: Es muß demnach ein konkreter Bedarf vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, es muß weiters das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet sein, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß schließlich unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (vgl. zB VfSlg. 8822/1980).
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, daß das Gesetz nicht in einer diesen Anforderungen des Eigentumsschutzes gerechtwerdenden Weise angewendet wurde.
Der Beschwerdeführer selbst bestreitet nicht, daß der Wasserbedarf der Marktgemeinde Obervellach ansteigt und derzeit nicht mehr gedeckt werden kann. Er räumt weiters ein, daß dieser Wasserbedarf durch die Erschließung der Ladinigquellen gedeckt werden könnte. Er meint jedoch, daß dieser Bedarf auf andere Weise zweckmäßiger zu decken wäre. Der VfGH vermag den Argumenten der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, die - gestützt auf die Gutachten der von den Behörden erster und zweiter Instanz beigezogenen Amtssachverständigen - ausführt, daß eine Auswechslung der Zechnerquellen-Zuleitung zum bestehenden Hochbehälter der Wasserversorgungsanlage Obervellach deshalb nicht zielführend erscheine, da hiemit wegen nicht ausreichender Schüttung dieser Quelle der Abgang in der Deckung des Wasserbedarfes während der Sommersaison nicht beseitigt werden könnte; dieser Abgang betrage derzeit rund 4,3 l/s; er würde sich durch die Beileitung der gesamten Schüttung der Zechnerquelle lediglich auf 3,5 bis 2,5 l/s verringern lassen. Andererseits würden die Kosten der Leitungsauswechslung der Zechnerquelle mindestens das Dreifache der Zuleitung der Ladinigquellen betragen. Da bei wesentlich geringerem Kostenaufwand der angestrebte Zweck der Bedarfsdeckung durch die Zuleitung der Ladinigquellen erreicht werden könne, sei dieser Maßnahme eindeutig der Vorzug zu geben. Die Fleischhackerquellen schieden hingegen aus hygienischen Erwägungen (nicht festlegbares Schutzgebiet) aus; die Wunzenbachquelle sei als Wasserspende zur Deckung des stark im Steigen begriffenen Wasserbedarfes für die Zukunft als interessant zu bezeichnen. Der Bau sei jedoch teuer und zeitaufwendig, sodaß die Realisierung dieses Projektes erst in mehreren Jahren erwartet werden könnte; es komme daher als Alternative für die Beileitung der Ladinigquellen zur Behebung des derzeit bestehenden und die Versorgung der Marktgemeinde Obervellach mit Trink- und Nutzwasser beeinträchtigenden Defizits an Wasserdargebot nicht in Betracht.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer zu einer freiwilligen Abtretung seiner Wasserrechte an den Ladinigquellen an die Nachbarschaft Obervellach nicht bereitgefunden hat, sodaß der Bedarf nicht anders als durch Enteignung zu decken war.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid offenkundig nicht im Eigentumsrecht verletzt worden ist.
5. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8428/1978) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Bedenken, daß die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften gegen das Gleichheitsgebot verstießen, hat der VfGH nicht. Im Gleichheitsrecht könnte der Beschwerdeführer also nur durch eine willkürliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur).
In diese Richtung zielen die Vorwürfe des Beschwerdeführers. Sie sind jedoch nicht berechtigt. Die Behörden haben ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Amtssachverständige beigezogen. Ob sich die belangte Behörde zu Recht auf deren Gutachten stützen konnte, hat der VfGH nicht zu beurteilen, da dies eine Frage der richtigen Anwendung von Verfahrensvorschriften ist, die zu klären nur der VwGH berufen ist.
Der Beschwerdeführer ist also auch offenkundig nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
WasserrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B400.1980Dokumentnummer
JFT_10189383_80B00400_00