TE Vfgh Erkenntnis 1981/6/17 B664/78

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Veröffentlicht am 17.06.1981
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
BAO §207
BAO §238
WAO §154
WAO §157
WAO §184

Leitsatz

Wr. Abgabenordnung iVm Wr. Getränkesteuergesetz; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch eine unrichtige Beurteilung der Verjährungsfrage im Abgabenrecht; keine denkunmögliche Anwendung des §184 Wr. Abgabenordnung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Beschwerdeführerin betreibt in NÖ ein Weingut und versendet von hier aus auch Wein an verschiedene Abnehmer im Bereich des Landes Wien. Mit dem - nach mehreren Rechtsgängen - im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 28. November 1978 wurde der Beschwerdeführerin gestützt auf Bestimmungen des Getränkesteuergesetzes für Wien und der Wiener Abgabenordnung (WAO) für die Zeit vom 1. Jänner 1969 bis 30. September 1974 neben den für diesen Zeitraum bereits im Wege der Selbstbemessung einbekannten Steuerbeträgen Getränkesteuer in Höhe von S 55.241,- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentumes gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird. Mit dem angefochtenen Bescheid seien auch bereits verjährte, die Jahre 1969 und 1970 betreffende Abgabenbeträge vorgeschrieben worden.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ausschließlich deshalb verletzt, weil ihr auch bereits verjährte Abgabenbeträge für die Jahre 1969 und 1970 vorgeschrieben worden seien. Die erste zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare und somit die Verjährung unterbrechende Amtshandlung der Abgabenbehörde sei ein Schreiben des Magistrates vom 11. März 1974 gewesen. Die dreijährige Frist für die Festsetzungsverjährung (§154 Abs1 und 2 WAO) sei hinsichtlich der Getränkesteuer für die Jahre 1969 und 1970 zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen.

Nach §157 Abs1 WAO würden Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig. Wann die Getränkesteuer fällig werde, richte sich somit zunächst nach der hier in Betracht kommenden Abgabenvorschrift, also nach dem Getränkesteuergesetz, subsidiär nach §157 Abs1 WAO. Die Fälligkeitsvorschrift des §7 Abs1 des Getränkesteuergesetzes verpflichte den Steuerpflichtigen, bis zum 10. Tag eines jeden Monats die Getränke, für die im Vormonat eine Steuerschuld entstanden sei, beim Magistrat anzumelden und die Steuer dafür zu entrichten, enthalte aber keine Aussage über die Fälligkeit der Steuer für Getränkeabgaben, die nicht angemeldet worden seien. Die Getränkesteuer für nicht angemeldete Getränkeabgaben würde daher mangels einer diesbezüglichen Fälligkeitsregelung im Getränkesteuergesetz nach der subsidiären Vorschrift des §157 Abs1 WAO erst mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig. Da die Einhebungsverjährung nach §184 Abs1 WAO eine fällige Abgabe voraussetze, könne hinsichtlich nicht angemeldeter Getränkeabgaben vor der Zustellung des Abgabenbescheides eine Einhebungsverjährung nicht zu laufen beginnen. Im vorliegenden Fall sei daher mangels Fälligkeit der nicht angemeldeten Getränkeabgaben nicht eine fünfjährige Einhebungs-, sondern nur die dreijährige Bemessungsverjährung gelaufen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch dann verletzt, wenn die Behörde eine Strafbefugnis in Anspruch nimmt, die ihr wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr zukommt. Wie der Gerichtshof jedoch im Erk. VfSlg. 8804/1980 erkannt hat, kann diese Rechtsprechung nicht auf die Verjährung von Abgabenschuldigkeiten übertragen werden. Eine unrichtige Beurteilung der Verjährungsfrage im Abgabenrecht stellt keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dar.

Der VfGH sieht sich aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsauffassung abzugehen.

Die Beschwerdeführerin kann somit, selbst wenn ihre Rechtsansicht zutreffen sollte, durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sein.

3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde - und daher auch durch die Vorschreibung einer Abgabe - nur dann verletzt, wenn dieser sich entweder auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt oder wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8266/1978).

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf Bestimmungen des Getränkesteuergesetzes für Wien und der WAO (in der Fassung LGBl. 28/1978). Gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen wurden Bedenken weder vorgetragen noch sind solche beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden.

Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8804/1980 auch die Auffassung vertreten, daß die Ansicht, im Falle einer Selbstbemessungsabgabe sei nur die fünfjährige Einhebungsverjährung nach §184 WAO maßgeblich, wenn sie überhaupt unrichtig sein sollte, keiner Gesetzlosigkeit gleichzuhalten sei. Der VfGH hält auch im vorliegenden Beschwerdefall an dieser Rechtsauffassung fest.

Die Beschwerdeführerin ist somit auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B664.1978

Dokumentnummer

JFT_10189383_78B00664_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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