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10 VerfassungsrechtLeitsatz
Art139 B-VG; Individualantrag auf Prüfung des Art4 Abs1 litc der Anlage zur Verordnung des BM für Finanzen vom 14. Dezember 1967 über die Festsetzung von Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, BGBl. 401/1967 idF BGBl. 605/1980; keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. a) Die Antragstellerin begehrt gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, den Artikel 4 Abs1 litc der Anlage zur Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 14. Dezember 1967, BGBl. 401, über die Festsetzung von Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 1967), idF der Verordnung BGBl. 605/1980, als gesetzwidrig aufzuheben.
b) Die angefochtene Verordnungsstelle lautet idF der AKHB-Nov. 1980:
"Artikel 4
Ausschlüsse
(1) Ausgeschlossen von der Versicherung sind Ersatzansprüche
...
c) die aus der Verletzung oder der Tötung von Angehörigen des ersatzpflichtigen Versicherungsnehmers oder der ersatzpflichtigen mitversicherten Personen entstehen, denen sie zur Zeit des Schadensereignisses kraft Gesetzes unterhaltspflichtig sind und Unterhalt gewähren; diese Regelung gilt auch für Sachschäden, die diese Angehörigen treffen;
..."
In der Stammfassung, nämlich vor dem Inkrafttreten der AKHB-Nov. 1980, lautete diese Bestimmung inhaltlich gleich. Die erwähnte Nov. hat nämlich nichts am Wortlaut der angefochtenen Gesetzesstelle geändert, sondern lediglich die Absatzbezeichnung "(1)" eingefügt.
c) Zum Nachweis ihrer Antragslegitimation führt die Antragstellerin folgendes aus:
Am 19. Dezember 1976 habe ihr damaliger Gatte als Lenker seines PKWs einen Verkehrsunfall verschuldet, bei dem sie schwer verletzt worden sei. Sie habe beim Landesgericht für ZRS Wien gegen den Haftpflichtversicherer dieses PKWs Klage auf Bezahlung von Schadenersatz eingebracht, die unter Hinweis auf Artikel 4 litc AKHB 1967 abgewiesen wurde.
Das OLG Wien hat mit Urteil vom 21. Jänner 1981, 17 R 220/80, der dagegen von der Antragstellerin eingebrachten Berufung keine Folge gegeben. Das Berufungsgericht teilt in den Entscheidungsgründen die von der Antragstellerin in der Berufung vorgetragenen Bedenken gegen
Artikel 4 litc AKHB 1967 nicht. Es hat daher auch eine Antragstellung nach Art139 Abs1 erster Satz B-VG an den VfGH auf Aufhebung dieser Verordnungsstelle unterlassen.
Gegen das Urteil des OLG Wien habe die Antragstellerin - wie sie weiter ausführt - rechtzeitig Revision beim OGH eingebracht. Das Verfahren sei derzeit noch anhängig.
Die Antragstellerin meint, daß durch die Anwendung des Artikels 4 litc (nun Artikel 4 Abs1 litc) AKHB 1967 in ihre Rechtssphäre eingegriffen worden sei, ohne daß ihr ein zumutbarer anderer Weg zur Verfügung stünde, die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung allenfalls bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren. Sie sei unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit dieser Verordnungsstelle in ihren Rechten verletzt worden; die Verordnung sei unmittelbar für sie wirksam geworden.
2. Seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 hat der VfGH sowohl in Gesetzes- als auch in Verordnungsprüfungssachen, denen ein Individualantrag zugrunde lag, den (in erster Linie auf der Entstehungsgeschichte der B-VG-Nov. BGBl. 302/1975 beruhenden) Standpunkt eingenommen, daß dieser Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 8890/1980). Andernfalls fehlt die Antragsberechtigung.
Im gerichtlichen Verfahren ist im Falle entstandener Bedenken (schon) das Gericht erster Instanz zur Stellung eines Verordnungsprüfungsantrages gemäß Art89 Abs2 erster Satz B-VG verpflichtet. Ist ein gerichtliches Verfahren, das dem von der generellen Norm Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den VfGH bietet, bereits anhängig, so müssen - in der vorliegenden Sache jedoch nicht gegebene - besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeit das Recht auf Einbringung eines Verordnungsprüfungsantrages einzuräumen. Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8594/1979). Diese Doppelgleisigkeit wird nicht durch die Tatsache beseitigt, daß die ordentlichen Gerichte erster und zweiter Instanz aus Anlaß des bei ihnen anhängigen Verfahrens keinen Verordnungsprüfungsantrag beim VfGH gestellt haben.
Demnach fehlt der Antragstellerin die für den Individualantrag geforderte Voraussetzung, daß die Verordnung (insbesondere) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung wirksam geworden ist.
Der Verordnungsprüfungsantrag ist somit mangels Legitimation zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Haftpflichtversicherung (Kfz)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:V16.1981Dokumentnummer
JFT_10189380_81V00016_00