TE Vfgh Beschluss 1981/6/24 V21/78

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Veröffentlicht am 24.06.1981
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ASVG §455 Abs2 idF BGBl 530/1979
Mustersatzung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 22.03.74

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung von Bestimmungen der Mustersatzung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 22. März 1974; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben eine gemäß §4 ASVG vollversicherte Dienstnehmerin. Sie beantragt, gestützt auf Art139 Abs1 B-VG, folgende als Verordnung gewerteten Bestimmungen der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Beschluß der Hauptversammlung vom 22. März 1974 für den Bereich der Krankenversicherung aufgestellten Mustersatzung in der am 24. Juli 1978 geltenden Fassung als gesetzwidrig aufzuheben:

im §27 Abs2 die Worte

"Die Kosten der wahlärztlichen Hilfe sind vom Versicherten (Angehörigen) zu zahlen. Hat der Versicherte (Angehörige) die Kosten gezahlt, so gebührt nach Maßgabe der Abs3 und 4 ein Kostenersatz, wenn a) er die saldierte Honorarrechnung bei der Kasse eingereicht hat b) die saldierte Honorarrechnung",

jedenfalls im §27 Abs2 die Worte

"Die Kosten der wahlärztlichen Hilfe sind vom Versicherten (Angehörigen) zu zahlen. Hat der Versicherte (Angehörige) die Kosten gezahlt" und die Worte "saldierte" in lita und litb

sowie den §27 Abs6.

Die Antragslegitimation begründet die Antragstellerin damit, daß diese Verordnung ihre Rechtssphäre berühre, in sie eingreife und sie unmittelbar verletze, weil die Antragstellerin Adressat dieser Norm sei, welche durch die Verordnung geschaffen wurde, wozu noch komme, daß der durch die Verordnung bewirkte Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin deren Interessen aktuell beeinträchtige. Dies insbesondere dadurch, daß der Antragstellerin bereits bei der ersten Wahlarzthilfe, welche sie nach dem 30. September 1978 in Anspruch nehmen werde, die Möglichkeit genommen werde, ihre Honorarverbindlichkeit gegenüber dem Wahlarzt in der Art und Weise, wie dies bisher seit Jahren geschehen sei und auch möglich war, zu berichtigen.

2. Der Bundesminister für soziale Verwaltung und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erstatteten je eine Äußerung. Von beiden wird die Legitimation der Antragstellerin nach Art139 Abs1 B-VG in Abrede gestellt und die Zurückweisung des Antrages begehrt. Lediglich für den Eventualfall wird die Abweisung des Antrages als unbegründet begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG sind die Gebietskrankenkassen, die Betriebskrankenkassen, die Versicherungsanstalten der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues (§23 Abs1). Die Tätigkeit der Versicherungsträger ist in der Satzung zu regeln (§453 Abs1), soweit dies nicht der Krankenordnung überlassen ist (§456). Die Satzung ist von der Hauptversammlung der Versicherungsträger (§419 Abs1) zu beschließen (§435 Abs1 Z4).

Seit der 9. Nov. zum ASVG BGBl. 13/1962 (Neufassung des §455 durch ArtV Z40) ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (§31) verpflichtet, für den Bereich der Krankenversicherung eine Mustersatzung aufzustellen.

In §455 Abs2 ASVG (in der am 1. Jänner 1973 in Kraft getretenen Fassung der 29. Nov. BGBl. 31/1973 ArtV Z50) war sodann bestimmt: Der Hauptverband hat für den Bereich der Krankenversicherung eine Mustersatzung aufzustellen, die der Genehmigung durch den Bundesminister für soziale Verwaltung bedarf (1. Satz). Die Bestimmungen dieser Mustersatzung sind für die in Betracht kommenden Versicherungsträger insoweit verbindlich, als dies in der Mustersatzung bestimmt wird (2. Satz).

Auf Grund dieser Gesetzesbestimmung ist von der Hauptversammlung des Hauptverbandes am 22. März 1974 die für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues geltende Mustersatzung 1974 beschlossen worden, die vom Bundesminister für soziale Verwaltung mit Erlaß vom 10. April 1974, Z 26.501/1-10/1974, genehmigt worden ist. Auf diesem Beschluß beruhen die zur Aufhebung beantragten Bestimmungen des §27 Abs2 der Mustersatzung. Auf Grund dieser Gesetzesbestimmung ist ferner von der Hauptversammlung des Hauptverbandes am 3. April 1978 ua. die zur Aufhebung beantragte Bestimmung des §27 Abs6 der Mustersatzung beschlossen worden, die vom Bundesminister für soziale Verwaltung mit den Erlässen vom 14. Juni 1978, Z 26.501/4-3/1978, und vom 19. Juli 1978, Z 26.501/5-3/1978, genehmigt worden ist.

Mit der 34. Nov. BGBl. 530/1979 wurde (durch den am 1. Jänner 1980 in Kraft getretenen ArtV Z22) §455 Abs2 ASVG neu gefaßt. An die Stelle des (vorstehend wiedergegebenen) 2. Satzes traten folgende Bestimmungen: Der Hauptverband kann Bestimmungen der Mustersatzung für alle Versicherungsträger oder bestimmte Gruppen von Versicherungsträgern für verbindlich erklären, insoweit dies zur Wahrung der Einheitlichkeit der Durchführung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen notwendig erscheint; er hat dabei auf das Interesse der Versicherten und der Dienstgeber nach einer bundeseinheitlichen Vorgangsweise der Versicherungsträger Bedacht zu nehmen; die Wirkung der Verbindlichkeit von Bestimmungen der Mustersatzung bedarf der Genehmigung durch den Bundesminister für soziale Verwaltung. In den Übergangsbestimmungen des ArtVI der Nov. ist in Abs9 bestimmt, daß §455 Abs2 ASVG idF des ArtV Z22 für verbindliche Bestimmungen der Mustersatzung, die vor dem 1. Jänner 1980 in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" verlautbart worden sind, mit der Maßgabe gilt, daß die Wirkung der Verbindlichkeit nicht der Genehmigung des Bundesministers für soziale Verwaltung bedarf.

2. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre unmittelbar durch das Gesetz in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977 und die seitherige ständige Rechtsprechung).

3. Die in der Mustersatzung 1974 für die Versicherungsträger verbindlich erklärten Bestimmungen sind eine an die Krankenversicherungsträger gerichtete Verordnung (vgl. VfSlg. 8698/1979). Diese in §455 Abs2 ASVG enthaltene Bestimmung des Normadressaten wird besonders unterstrichen in der Regelung des §455 Abs3 ASVG (angefügt durch die 34. Nov. BGBl. 530/1979 ArtV Z22 in Zusammenhang mit der dazu gehörigen Übergangsbestimmung des ArtVI Abs10 dieser Nov.), wonach für den Fall, daß eine verbindliche Bestimmung der Mustersatzung von einem Krankenversicherungsträger nicht in der nächsten Hauptversammlung in seine Satzung übernommen wird, die Zuständigkeit zur Änderung der Satzung ersatzweise an den Präsidialausschuß des Hauptverbandes übergeht.

Ist aber Normadressat der Mustersatzung ein Versicherungsträger, dann ist es ausgeschlossen, daß durch Bestimmungen der Mustersatzung - somit auch durch die angefochtenen Bestimmungen der Mustersatzung 1974 - die Rechtssphäre der Antragstellerin als vollversicherter Dienstnehmerin berührt wird (vgl. auch dazu VfSlg. 8698/1979).

4. Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragstellerin als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Sozialversicherung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:V21.1978

Dokumentnummer

JFT_10189376_78V00021_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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