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19 Völkerrechtliche VerträgeNorm
MRK Vorbehalt zu Art5Leitsatz
MRK; keine Bedenken, daß die das Verwaltungsstrafverfahren den Verwaltungsbehörden zuweisenden gesetzlichen Bestimmungen gegen Art6 verstoßenSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Straferkenntnis vom 9. Dezember 1976 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretungen nach 1) §5 Abs2 iVm §99 Abs1 litb StVO und
2) §97 Abs4 iVm §99 Abs4 liti StVO Geldstrafen von insgesamt
S 11.000,-, (Ersatzarreststrafen im Ausmaß von insgesamt 22 Tagen) und verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt S 1.100,- und zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges.
Mit Berufungsbescheid der Wr. Landesregierung vom 16. Mai 1977, Z MA 70-IX/01/77/Str., wurde dieses Straferkenntnis bestätigt und ein weiterer Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges auferlegt.
2. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Art6 MRK durch das Verfahren in erster und zweiter Instanz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer erachtet sich ausschließlich dadurch in seinen Rechten verletzt, daß durch das Verfahren sowohl 1. als auch
2. Instanz der Verfassungsrang genießende Art6 MRK verletzt worden sei. Aus Art6 MRK gehe einwandfrei hervor, daß bereits in 1. Instanz das Gericht ein Verfahren iS des Art6 MRK durchzuführen habe, zumal die Beschwerdemöglichkeit an VfGH und VwGH inhaltlich erheblich beschränkt sei. Der Vorbehalt zu Art6 MRK betreffe nur einen geringen Teil, nämlich die Einschränkung der Öffentlichkeit, keineswegs aber den sonstigen Inhalt des Art6.
Damit macht der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bestimmungen geltend, die das mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene Strafverfahren nicht den Gerichten zuweisen, sondern - als die Bestrafung von Verwaltungsübertretungen betreffend - den Verwaltungsbehörden übertragen, d.s. die §§26 und 51 VStG 1950 iVm §99 Abs1 und 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159/1960.
2. Entsprechend Art64 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, hat die Republik Österreich nicht nur den vom Beschwerdeführer angeführten Vorbehalt zu Art6 MRK, sondern auch folgenden Vorbehalt zu Art5 MRK gemacht: "daß die Bestimmungen des Artikels 5 der Konvention mit der Maßgabe angewendet werden, daß die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl. Nr. 172/1950, vorgesehenen Maßnahmen des Freiheitsentzuges unter der in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen nachprüfenden Kontrolle durch den VwGH oder den VfGH unberührt bleiben".
Kraft ArtII des BVG BGBl. 59/1964 hat die Konvention Verfassungsrang, und zwar schon seit ihrer Zugehörigkeit zur österreichischen Rechtsordnung mit 3. September 1958 (VfSlg. 5100/1965, 5102/1965). Der Vorbehalt ist im innerstaatlichen Bereich gleichrangig den übrigen Bestimmungen der Konvention (VfSlg. 3806/1960), für seine Auslegung kann nur der deutsche Originaltext maßgeblich sein (VfSlg. 5021/1965).
Zu dem Vorbehalt zu Art5 MRK hat der VfGH (VfSlg. 5021/1965, 6275/1970, 6552/1971, 6577/1971, 7210/1973, 7814/1976, 8234/1978) in Übereinstimmung mit der Europäischen Kommission für Menschenrechte (E. v. 18. 12. 1963, Appl. Nr. 1452/62, Yearbook 1963, S 268 ff.) ausgeführt, daß, da die Verhängung einer Freiheitsstrafe durch eine Verwaltungsbehörde auf Grund des Vorbehaltes zu Art5 MRK möglich ist, auch das Verfahren, das zu einer solchen Verurteilung führt, durch den Vorbehalt gedeckt sein muß; der zu Art5 MRK ausgesprochene Vorbehalt schließt es daher aus, daß Verwaltungsverfahren, die nach dem VStG 1950 durchgeführt werden, dem Art6 MRK widersprechen. Dies gilt (wie in dem zuletzt angeführten Erk. VfSlg. 8234/1978 dargetan ist) schon infolge des gebotenen Größenschlusses nicht nur für die Verhängung primärer Freiheitsstrafen, sondern auch für die Verhängung von Geldstrafen (mit Ersatzfreiheitsstrafen).
Der VfGH hegt somit keine Bedenken, daß die das Verwaltungsstrafverfahren den Verwaltungsbehörden zuweisenden gesetzlichen Bestimmungen gegen Art6 MRK verstoßen, sodaß die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht stattgefunden hat.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
3. Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafrecht, StrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B237.1977Dokumentnummer
JFT_10189376_77B00237_00