TE Vfgh Beschluss 1981/6/26 G68/80

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Veröffentlicht am 26.06.1981
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-KUVG §56 Abs2 Z1 idF BGBl 35/1973

Leitsatz

Art140 B-VG; Antrag des OLG Wien auf Aufhebung eines Wortes in §56 Abs2 Z1 B-KUVG; rückwirkende Gesetzesänderung während des Verfahrens; keine Antragsberechtigung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Das Oberlandesgericht Wien beantragt, der VfGH wolle aussprechen, daß im §56 Abs2 Z1 B-KUVG das Wort "erwerbsunfähige" verfassungswidrig ist. Dieser Antrag bezieht sich auf die zitierte Bestimmung in der Fassung der 4. Nov., BGBl. 35/1973.

2. Das antragstellende Gericht hat über eine Berufung gegen ein Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien zu entscheiden, mit dem über den Antrag einer Versicherten abgesprochen wurde, die für einen Angehörigen, nämlich für ihren - nicht erwerbsunfähigen - Ehegatten die Refundierung von S 250,- für Arztkosten begehrt hatte.

Das Oberlandesgericht Wien vermeint, bei seiner Entscheidung §56 B-KUVG anzuwenden zu haben, und führt zur Begründung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Gesetzesstelle an, daß gemäß §56 leg. cit. Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen nach dem B-KUVG haben; nach Abs2 Z1 der genannten Gesetzesstelle gelten als Angehörige die Ehegattin sowie der erwerbsunfähige Ehegatte. Daraus ergebe sich, daß die Anspruchsberechtigung der Angehörigen auf Leistungen bei der Ehegattin und beim Ehegatten nicht an die gleichen Voraussetzungen geknüpft ist, was dem Gleichheitsgrundsatz zu widersprechen scheine.

Entsprechend dem früheren Verständnis der Aufteilung von Rechten und Pflichten der Ehegattin sei auch die wechselseitige Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes und der Ehefrau unterschiedlich geregelt gewesen. Durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412/1975, sei eine grundsätzliche Änderung eingetreten. Die durch dieses Gesetz bewirkte Gleichstellung der Ehegatten hinsichtlich ihrer gegenseitigen Unterhaltsansprüche beseitige die frühere sachliche Grundlage einer verschiedenen Regelung der Anspruchsvoraussetzungen der Ehegattin und des Ehegatten als Angehörige des (der) Versicherten, ohne daß aber daraus Konsequenzen gezogen worden wären. Aus diesen Gründen bestünden daher gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung Bedenken.

II.1. Nach §56 Abs1 B-KUVG, der unter der Rubrik "Anspruchsberechtigung der Angehörigen" steht, haben Angehörige Anspruch auf die Leistungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und weder nach den Vorschriften des B-KUVG noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und für sie auch seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist.

§56 Abs2 Z1 leg. cit. bestimmte in jener Fassung, auf die sich die Anfechtung bezieht, daß als Angehörige "die Ehegattin (der erwerbsunfähige Ehegatte)" gelten.

Während des Gesetzesprüfungsverfahrens wurde durch die 10. Nov. zum B-KUVG, BGBl. 285/1981, die Bestimmung des §56 Abs2 Z1 B-KUVG mit Wirkung vom 1. Juni 1981 aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt, nach der nunmehr "der Ehegatte" als Angehöriger gilt. Gemäß ArtII Abs2 dieses Bundesgesetzes ist die aufgehobene Bestimmung auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Juni 1981 eingetreten sind, nicht mehr anzuwenden.

2. Diese rückwirkende Änderung bewirkt, daß das antragstellende Gericht jene Fassung des §56 Abs2 Z1 B-KUVG, die das angefochtene Wort "erwerbsunfähige" enthält, bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreites nicht mehr anzuwenden hat.

Es ist - was der VfGH in ständiger Rechtsprechung als Voraussetzung für die Zurückweisung eines gerichtlichen Antrages auf Gesetzesprüfung ansieht (vgl. zB VfSlg. 8524/1979) - ganz offenbar ausgeschlossen, daß die angefochtene Bestimmung als eine Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden Gerichts in Betracht kommen kann. Der Antrag war daher wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen.

Bei dieser Lage erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob - im Hinblick auf den Beschluß des VfGH VfSlg. 8684/1979, demzufolge §56 Abs1 B-KUVG den Angehörigen eine unmittelbare Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Krankenversicherung einräumt, wogegen nach anderen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (etwa §§122, 123 ASVG oder §§77, 78 BSVG) ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung nur dem Versicherten für sich und seine Angehörigen eingeräumt ist - ansonsten die Zulässigkeit des Antrages des Oberlandesgerichtes Wien gegeben wäre.

Schlagworte

Beamten-Kranken- und Unfallversicherung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:G68.1980

Dokumentnummer

JFT_10189374_80G00068_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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