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L2 DienstrechtNorm
B-VG-Nov 1974 ArtVIIILeitsatz
Nö. Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972; keine Bedenken gegen §40 Abs1; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist Oberforstrat der Nö. Landesregierung im Ruhestand.
Mit fünf Bescheiden der Nö. Landesregierung vom 19. Februar 1979 wurde Berufungen des Beschwerdeführers gegen insgesamt fünf Straferkenntnisse der Bundespolizeidirektion St. Pölten (und zwar vom 29. August 1978, vom 30. August 1978 sowie drei Straferkenntnisse vom 21. September 1978) keine Folge gegeben. Mit den genannten Straferkenntnissen waren über den Beschwerdeführer jeweils Geldstrafen (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzarreststrafen) wegen Übertretung des §40 Abs2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl. 2200-1, mit der Begründung verhängt worden, der Beschwerdeführer habe sich in Schreiben an die Nö. Agrarbezirksbehörde mit dem Amtstitel "Oberforstrat" bezeichnet, obwohl er mit Bescheid der Nö. Landesregierung vom 30. Juni 1975 in den dauernden Ruhestand versetzt worden sei und er daher nur zur Führung des Amtstitels "Oberforstrat i.R." berechtigt sei.
2. Gegen die fünf Bescheide der Nö. Landesregierung vom 19. Februar 1979 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachtet und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt. Der Beschwerdeführer stellt auch zur Erwägung, hinsichtlich der Bestimmung des §40 Abs1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Behörde hat ihre Entscheidungen auf §40 Abs2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 gestützt, in Wahrheit aber auch den Abs, 1 der genannten Gesetzesbestimmung angewendet.
Die beiden Absätze haben folgenden Wortlaut:
"(1) Die unbefugte Führung eines Amtstitels oder einer Funktionsbezeichnung ist von der Bezirksverwaltungsbehörde (Bundespolizeidirektion) mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,- oder einer Arreststrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Diese Strafen können bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände nebeneinander verhängt werden.
(2) Der Beamte des Ruhestandes führt den Amtstitel (die Funktionsbezeichnung) mit dem Zusatz: i.R. (im Ruhestand) bzw. i.z.R. (im zeitlichen Ruhestand)."
2. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß §40 Abs1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 verfassungskonform nur dahin interpretiert werden kann, daß in dieser Bestimmung ausschließlich die Bestrafung von Personen geregelt ist, die, ohne überhaupt Landesbeamte zu sein, sich einen Amtstitel anmaßen. Davon ausgehend habe sowohl die Behörde erster Instanz, als auch die belangte Behörde "ohne gesetzliche Kompetenz" entschieden. Die "dienstrechtliche Vollzugsangelegenheit" des Vorgehens gegen Beamte, die einen Diensttitel nicht richtig führen, könne keineswegs einer Bundesbehörde (Bundespolizeibehörde) übertragen werden. Eine dahin gehende Verpflichtung könne mit besonderer Eindeutigkeit nur aus dem Dienstrecht resultieren, daher sei auch die Zuordnung der Bestrafung wegen der Verletzung der Verpflichtung zu einem anderen Bereich völlig ausgeschlossen. Die in Art97 Abs2 B-VG enthaltene Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen beziehe sich nur auf den Zuständigkeitsbereich der Länder nach Art15 Abs1 B-VG. Soweit der Amtstitelschutz daher dem "außerdienstrechtlichen Bereich" zugehöre, könne im Zusammenhang mit Art15 Abs1 und Art97 Abs2 B-VG die landesgesetzliche Vollzugsübertragung an Bundesorgane (Bundespolizeibehörden) als zulässig angesehen werden. Für das Landesbeamten-Dienstrecht hingegen enthalte Art21 Abs1 B-VG eine ausdrückliche Kompetenzanordnung, nach der Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern obliegt. Es wäre auch "grundsätzlich verfassungssystemwidrig", daß gerade das Dienstrecht der Beamten eines Landes, sei es auch nur zum Teil, durch Bundesbehörden vollzogen werden dürfe.
Dazu ist folgendes zu bemerken:
a) Nach ArtVIII der B-VG-Nov. 1974, BGBl. 444, sind Maßnahmen zum Schutz gegen die unbefugte Führung der von Ländern und Gemeinden geschaffenen öffentlichen Wappen, Siegel, Titel und Ehrenzeichen sowie zur Verfolgung von Ehrenkränkungen in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Daß unter solchen Schutzmaßnahmen auch Verwaltungsstrafbestimmungen zu verstehen sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Der Landesgesetzgeber war daher zur Erlassung einer Strafbestimmung befugt, die sowohl auf Beamte als auch auf Personen anzuwenden ist, die nicht Beamte sind, und zwar einerseits auf Grund des Art21 Abs1 B-VG und andererseits auf Grund des ArtVIII der B-VG-Nov. 1974. Der Landesgesetzgeber war aber auch befugt, die Mitwirkung einer Bundesbehörde bei der Vollziehung dieser Strafbestimmung in Anwendung des Art97 Abs2 B-VG vorzusehen.
Die vom Beschwerdeführer nicht weiter belegte Auffassung, die in Art97 Abs2 B-VG vorgesehene Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen erstrecke sich nur auf den Zuständigkeitsbereich der Länder nach Art15 Abs1 B-VG, wird vom VfGH nicht geteilt. Die Auffassung des Beschwerdeführers läßt sich weder aus dem Wortlaut des Art97 Abs2 B-VG noch aus einer anderen Verfassungsbestimmung begründen.
Aus der Sicht dieses Beschwerdefalles sind daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §40 Abs1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 entstanden.
Daraus ergibt sich, daß die Zuständigkeit der Strafbehörde erster Instanz gegeben war, sodaß kein Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorliegt.
b) §40 Abs1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 enthält eine umfassende Strafbestimmung gegen die unbefugte Führung eines Amtstitels oder einer Funktionsbezeichnung. Abs2 dieses Paragraphen regelt die Amtstitel der Beamten des Ruhestandes, und in Abs3 wird die Landesregierung ermächtigt, besonders verdienten Beamten anläßlich der Versetzung in den dauernden Ruhestand den Amtstitel der nächsthöheren Dienstklasse oder den nächsthöheren Amtstitel ihres Dienstzweiges zuzuerkennen.
Die Aufnahme der Strafbestimmung wegen unbefugter Führung eines Amtstitels in die Dienstpragmatik, die allgemein gehaltene Formulierung dieser Strafbestimmung und ihre Einbettung in Vorschriften, die ausschließlich für Beamte gelten, erweisen die Unhaltbarkeit der Auffassung des Beschwerdeführers, §40 Abs1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 sei auf Beamte nicht anwendbar.
Daß die Anwendung dieses Verwaltungsstraftatbestandes auch auf Beamte kompetenzrechtlich unbedenklich ist, wurde bereits oben ausgeführt.
Da die Behörde somit die genannte Strafbestimmung auf den Beschwerdeführer zu Recht angewendet hat, wurde der Beschwerdeführer auch diesbezüglich nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
3. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7996/1977) nur verletzt sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes kann Willkür indizieren.
Der Umstand, daß die Strafbehörde erster Instanz in ihren Entscheidungen nur die Bestimmung des §40 Abs2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, nicht aber des Abs1 dieses Paragraphen zitiert hat, bedeutet keineswegs, daß die Behörde willkürlich vorgegangen ist. Aus dem Gesamtinhalt der Entscheidung ist klar zu erkennen, daß die Behörde den Tatbestand des §40 Abs1 des genannten Gesetzes als erfüllt angenommen hat, weil der Beschwerdeführer den Amtstitel im Hinblick auf die Bestimmung des §40 Abs2 unbefugt geführt hat. Ob es sich, wie der Beschwerdeführer behauptet, bei dem durch §40 Abs2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 festgelegten Zusatz "i.R." um einen solchen Zusatz handelt, dessen Nichtanführung keine unbefugte Führung des Amtstitels iS des Abs1 dieser Gesetzesbestimmung bedeutet, ist eine Frage der Richtigkeit der angefochtenen Bescheide, deren Beurteilung nicht in die Zuständigkeit des VfGH fällt.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Ehrenzeichen, Dienstrecht, AmtstitelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B156.1979Dokumentnummer
JFT_10189371_79B00156_00