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L5 KulturrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Nö. Naturschutzgesetz; keine Bedenken gegen §3 Abs1 Z1; keine denkunmögliche GesetzesanwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 4. September 1979 wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach §3 Abs1 Z1 des Gesetzes über die Erhaltung und die Pflege der Natur (Nö. Naturschutzgesetz), LGBl. 5500-1 (im folgenden NSchG), iVm §24 Abs1 Z1 dieses Gesetzes und §7 VStG 1950 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-
(Ersatzarreststrafe in der Dauer von 6 Tagen) verhängt. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß der Beschwerdeführer seit dem Sommer 1978 einem Schneidereiunternehmen gestattet habe, auf eines seiner in der Marktgemeinde B. gelegenen Grundstücke Schneidereiabfälle zu bringen und diese dort zu verbrennen.
Der Beschwerdeführer habe hiezu die Erlaubnis erteilt, obwohl sein Grundstück als Grünland gewidmet sei. Auf Grund der mit Erlaubnis des Beschwerdeführers vorgenommenen Lagerung der Abfallstoffe sei bereits von der Bezirkshauptmannschaft Melk über den verantwortlichen Betriebsleiter des Schneidereiunternehmens wegen einer Übertretung des NSchG rechtskräftig eine Strafe verhängt worden.
Der Beschwerdeführer habe zugegeben, die Erlaubnis zur Lagerung und zur Verbrennung der Abfallstoffe gegeben zu haben. Dadurch habe er die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, also Beihilfe gemäß §7 VStG 1950 geleistet. Sein Verhalten unterliege "der gleichen Strafe, als ob er die Verwaltungsübertretung begangen hätte". Seiner Rechtfertigung, daß "keine Anrainer bzw. Grünflächen beeinträchtigt" worden seien und daß nur er selbst als Grundeigentümer einen Schaden hätte erleiden können, sei entgegenzuhalten, daß für die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach §3 Abs1 Z1 NSchG "der Eintritt eines Schadens bzw. einer Beeinträchtigung" nicht erforderlich sei.
b) Die gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 4. September 1979 erhobene Berufung hat die Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 5. Oktober 1979 gemäß §66 Abs, 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides sei in Anbetracht der Tatsache, daß die bei der Verbrennung der Schneidereiabfälle verbleibenden Rückstände zweifelsfrei als "sonstige Abfallstoffe" gemäß §3 Abs1 Z1 NSchG zu werten seien, der erstinstanzlichen Annahme einer Tatbestandsmäßigkeit des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens iS der vorstehend erwähnten Gesetzesvorschrift uneingeschränkt beizupflichten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach Art5 StGG und nach Art1 des (ersten) Zusatzprotokolls zur MRK verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) §3 Abs1 NSchG (Überschrift "Verbote") lautet:
"(1) Im Grünland, das sind Flächen, die nach Maßgabe der Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmet sind, sind
1. die Verunreinigung durch Ablagerung von Müll und sonstigen Abfallstoffen außerhalb von Müllablagerungsplätzen, unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften und
2. ... (für das Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung)verboten."
b) Nach §24 Abs1 Z1 NSchG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,- oder mit Arrest bis zu 3 Monaten zu bestrafen, wer einem Verbot des §3 Abs1 zuwiderhandelt.
c) Gemäß §7 VStG 1950 sind Anstiftung und Beihilfe ebenso strafbar wie die Begehung der Verwaltungsübertretung selbst.
2. Auf die angeführten Rechtsvorschriften stützt sich die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verhängung einer Geldstrafe über den Beschwerdeführer, durch die in sein Eigentumsrecht eingegriffen wird. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verfassungswidrig, wenn die angeführten Rechtsvorschriften verfassungswidrig wären oder wenn sie die Behörde bei der Erlassung des Bescheides in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (VfSlg. 8597/1979).
3. a) Der Beschwerdeführer behauptet, daß §3 Abs1 Z1 NSchG verfassungswidrig sei. Er führt hiezu nach dem Hinweis auf die verfassungsrechtlich zwar zulässigen Einschränkungen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes durch das NSchG folgendes aus:
"Im konkreten Fall wurde aber der §3 Absatz 1 Ziffer 1 des NÖ. Naturschutzgesetzes von der belangten Behörde so ausgelegt, daß damit mein grundsätzlich freies Eigentumsrecht in unzulässiger Weise eingeschränkt wurde. Der angefochtene Bescheid ist daher aus diesem Grunde rechtswidrig, wie ich bereits oben ausführte. Wie ich ebenfalls bereits oben ausführte und wie sich aus dem stattgefundenen Beweisverfahren ergibt, lag Asche auf meinem Grundstück im Grünland. Wenn nun der belangten Behörde durch die Formulierung des §3 Absatz 1 Ziffer 1 des NÖ. Naturschutzgesetzes die Möglichkeit eingeräumt wird, die Ablagerung von Asche schlechthin zu verbieten und einen Verstoß gegen dieses Verbot strafrechtlich zu ahnden, dann ist diese Gesetzesstelle verfassungswidrig. Sie muß im Hinblick auf den Grundsatz der Freiheit des Eigentumsrechtes so formuliert werden, daß eine derartige Auslegung durch die Verwaltungsbehörde unmöglich ist. Die derzeitige Fassung dieser Gesetzesstelle ermöglicht der belangten Behörde in unzulässiger Weise einen Eingriff in das Privateigentumsrecht, sodaß der §3 Absatz 1 Ziffer 1 des NÖ. Naturschutzgesetzes insgesamt verfassungswidrig ist".
Dieses Vorbringen im Zusammenhang mit dem in der Beschwerde enthaltenen Antrag auf Aufhebung der in Rede stehenden (wohl fälschlich als "§4" bezeichneten) Bestimmung deutet der VfGH dahin, daß der Beschwerdeführer anregt, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 Z1 NSchG einzuleiten, zumal der Schriftsatz des Beschwerdeführers ausdrücklich als "Beschwerde gemäß Art144" B-VG gegen den Bescheid der Landesregierung bezeichnet wird.
b) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten Bestimmung des NSchG. Es ist offenkundig, daß das in ihr enthaltene generelle Verbot der Verunreinigung von Grundflächen im Grünland durch Ablagerung von Müll und sonstigen Abfallstoffen jedenfalls keine Enteignung im engeren Sinn (vgl. VfSlg. 7292/1974, 8195/1977), sondern für den Grundstückseigentümer eine Beschränkung der Eigentumsausübung darstellt. Zwar erstreckt sich der Schutz des Art5 StGG auch auf derartige Eigentumsbeschränkungen; diese können daher nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt. Daraus resultiert jedoch, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen kann.
Daß gegen die sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Beim VfGH sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nicht hervorgekommen.
4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im Eigentumsrecht nur verletzt worden sein, wenn das Gesetz denkunmöglich angewendet worden wäre. Begründungen für eine Behauptung einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung sind der Beschwerde nicht zu entnehmen; in ihr wird lediglich die Richtigkeit der Annahme der belangten Behörde, daß es sich bei den verbrannten Textilien um sonstige Abfälle iS des §3 Abs1 Z1 NSchG handle, bezweifelt. Ebenso bezweifelt der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Annahme, nach der ihm ein strafbares Verhalten iS des §7 VStG 1950 zur Last gelegt wurde. Er macht damit geltend, daß der angefochtene Bescheid in unrichtiger Anwendung der Gesetzesvorschriften erlassen worden ist.
Der VfGH findet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Geldstrafe über den Beschwerdeführer in denkunmöglicher Anwendung der angeführten Bestimmungen verhängt worden wäre. Ob diese Vorschriften auch richtig angewendet wurden, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.
Der Beschwerdeführer ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums offenkundig nicht verletzt worden.
5. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Naturschutz, LandschaftsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B491.1979Dokumentnummer
JFT_10189370_79B00491_00