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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Lebensmittelgesetz 1975; keine Bedenken gegen §20 iVm §74 Abs5 Z3 im Hinblick auf Art18 Abs1 B-VG; keine denkunmögliche und keine willkürliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Über J.H. wurde mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wels vom 2. März 1978, Z MA 2-SanR-244-1977, wegen der Verwaltungsübertretung nach §20 in Verbindung mit §74 Abs5 Z3 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. 86/1975 (LMG 1975), gemäß §74 Abs5 Z3 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 400,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von zwei Tagen verhängt, weil er am 13. Dezember 1977 als verantwortlicher Geschäftsführer des Fleischhauereibetriebes mit dem Standort W., St-platz Nr. 54, es verabsäumt hatte, dafür zu sorgen, daß die erzeugten Fleisch- und Wurstwaren nicht durch äußere Einwirkung (Kopfhaare) hygienisch nachteilig beeinflußt werden, indem er es zuließ, daß mehrere im Betrieb beschäftigte Fleischhauer keine Kopfbedeckung trugen.
1.2. Gegen diesen Bescheid ergriff der Beschuldigte fristgerecht Berufung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 28. Juni 1978, Z SanRB-4001/1-1978-Hau, wurde diesem Rechtsmittel gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm §24 VStG 1950 nicht Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
1.3.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des J.H. an den VfGH, in der die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des §20 LMG 1975, sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise, und zwar mit Bezugnahme auf Art144 Abs2 B-VG, die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
1.3.2. Der Landeshauptmann von OÖ als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Zur behaupteten Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.
2.1.1. §20 LMG 1975 lautet:
"Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist."
§74 Abs5 (Z3) LMG 1975 hat folgenden Wortlaut:
"Wer den Bestimmungen der §§15 Abs6 oder 17 Abs2, 18 Abs1, 20, 26 Abs2, 30 Abs5 erster Satz oder 34 Abs1 zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen."
2.1.2.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst - sinngemäß zusammengefaßt - vor, die Bestimmung des §20 LMG 1975 verstoße gegen Art18 Abs1 B-VG und könne nur Grundlage einer Verordnung, nicht jedoch eines Strafbescheides bilden.
2.1.2.2. Wie der VfGH schon wiederholt aussprach (s. VfSlg. 3207/1957, 4037/1961), müssen Straftatbestände so beschaffen sein, daß der Rechtsunterworfene in der Lage ist, sich ihren Inhalt vor seinem Handeln zu vergegenwärtigen; ohne diese Voraussetzung kann der primäre Zweck einer Strafnorm, das geschützte Rechtsgut vor Verletzungen zu bewahren, nicht erreicht werden. Diesen rechtsstaatlichen Anforderungen wird aber §20 LMG 1975 - der sich gegen jedermann wendet, der ua. Lebensmittel "in Verkehr bringt" - iVm §74 Abs5 Z3 LMG 1975 jedenfalls gerecht. Der dort formulierte Tatbestand ist keineswegs in einer Art18 Abs1 B-VG widersprechenden Weise unbestimmt; so kommt insbesondere auch dem vom Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang ersichtlich bezogenen Begriff der "Hygiene" ein allgemein verständlicher Sinngehalt zu, der - entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Rechtsmeinung - eine verwaltungsgerichtliche Prüfung einschlägiger Verwaltungsakte am Gesetz ermöglicht (vgl. VwGH 8. 9. 1977 Z 753/77, und 22. 5. 1979 Z 938/78 zu §20 LMG 1975).
2.1.3.1. Auch die vom Beschwerdeführer mit offenbarer Beziehung auf §21 Abs1 litb LMG 1975 der Sache nach vertretene Auffassung, §20 LMG 1975 sei nicht unmittelbar anwendbares (Verwaltungsstraf-)Recht, trifft nicht zu.
2.1.3.2. Gemäß §21 Abs1 litb LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz unter bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung nähere Vorschriften "über das Verhalten und die Bekleidung von Personen" zu erlassen. Davon ausgehend, daß alle hier verpönten Verhaltensweisen wegen ihrer Vielfalt nicht taxativ aufzählbar sind, die spezifischen Verhältnisse in einzelnen Betriebszweigen aber allgemeine Vorschriften nicht genügen lassen, erfaßt bereits §20 LMG 1975, verfassungskonform verstanden, Verstöße gegen Grundsätze der Hygiene, deren Beachtung für jeden im Lebensmittelverkehr Tätigen selbstverständlich sein muß.
2.1.4. Daß die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides aus anderen als den bereits als unzutreffend erkannten Gründen verfassungswidrig seien, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Auch der VfGH hegt - aus der Sicht dieses Beschwerdefalles - keine derartigen Bedenken.
2.1.5. Wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm wurde der Beschwerdeführer infolgedessen in seinen Rechten nicht verletzt.
2.2. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
2.2.1. Da gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (s. 2.1.) und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7466/1974, 8238/1978) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
2.2.2. In diese Richtung zielt der Beschwerdeführer, wenn er behauptet, die belangte Behörde habe jegliche Auseinandersetzung mit seinen (Entlastungs-)Argumenten unterlassen; er ist mit diesem - im übrigen nicht weiter präzisierten - Einwand jedoch nicht im Recht.
Zwar liegt ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, ua. auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder im Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Von einer solchen Vernachlässigung des Parteivorbringens kann hier aber nicht die Rede sein, denn die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides - mit offensichtlicher Bezugnahme (auch) auf die Berufungseinwendungen - ua. wörtlich aus:
"Zur Rechtfertigung des Beschuldigten ist zu erwähnen, daß der verantwortliche Geschäftsführer zwar nicht jedes Verschulden der im Gewerbebetrieb beschäftigten Personen zu verantworten hat, ihn jedoch strafrechtliche Verfolgung trifft, wenn er den Eintritt des gesetzeswidrigen Vergehens bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte hintanhalten können, diese aber nicht aufgewendet hat. Alleine die Tatsache, daß gleich fünf Bedienstete ohne Kopfbedeckung waren, zeigt, daß vom Verantwortlichen des Betriebes mit zuwenig Nachdruck auf die Einhaltung der Vorschriften geachtet wurde.
Weiters beruft sich der Beschuldigte darauf, daß es nicht Aufgabe des Betriebsinhabers, sondern vielmehr der Verwaltungsbehörde sei, die Mißachtung der Hygienevorschriften des §20 LMG 1975 zu sanktionieren, und daß der persönliche Anwendungsbereich der zitierten Norm nicht nur den Betriebsinhaber, sondern alle Personen, welche Tätigkeiten iS des §1 leg. cit. verrichten, betrifft.
Hiezu ist zu erwähnen, daß der Gewerbetreibende seine Verantwortung für die Einhaltung der bei der Ausübung des Gewerbes zu beobachtenden Vorschriften nicht auf die für Dienstleistungen im Betrieb herangezogenen Angestellten abwälzen kann."
2.2.3. Auch sonst finden sich keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei. Der VfGH hat darüber hinaus nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist: Keinesfalls kann den Umständen nach - so insbesondere angesichts gleichartiger Beanstandungen schon im Zuge früherer lebensmittelpolizeilicher Kontrollen und unzulänglich erachteter Maßnahmen des Beschwerdeführers zur Sicherstellung einer hygienischen Erfordernissen entsprechenden Vorgangsweise des Betriebspersonals - gesagt werden, daß die Begründung des Berufungsbescheides geradezu an einer - allenfalls als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehenden (VfSlg. 7038/1973, 7962/1976) - Denkunmöglichkeit leide, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht.
Die Berufungsbehörde ging hier sichtlich auf alle ihr maßgebend scheinenden Einzelheiten der Verwaltungsstrafsache ein, wie der aus den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, letztlich aber auch die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt.
Allein daraus erhellt, daß der Landeshauptmann seine Entscheidung keineswegs leichtfertig fällte, sondern um eine genaue Prüfung und Würdigung des Falles und um eine gesetzmäßige Lösung bemüht war. Nach Inhalt und Zielsetzung des dem Grundrecht des Art7 Abs1 B-VG gewidmeten Beschwerdeabschnittes wird vorliegend in Wahrheit bloß die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.
2.2.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt wurde.
2.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Lebensmittelrecht, nulla poena sine lege, Verwaltungsstrafrecht, BlankettstrafnormEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B471.1978Dokumentnummer
JFT_10189297_78B00471_00