TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/1 B5/81

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Veröffentlicht am 01.10.1981
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/03 Patentrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
MRK Art6 Abs1
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
PatentG 1970 §70 Abs2

Leitsatz

Patentgesetz 1970; Abweisung eines Einspruches gegen die Erteilung eines Patentes; Recht auf Erteilung eines Patentes kein ziviles Recht; keine denkunmögliche und keine willkürliche Gesetzeshandhabung; keine Verletzung des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Beschluß der Technischen Abteilung IV des Österreichischen Patentamtes vom 17. November 1978, Z 4 A 5083/74-11, wurde der Firma N.V. Philips Gloeilampenfabrieken in Eindhoven (Niederlande) auf Grund der am 19. Juni 1974 eingelangten Patentanmeldung A 583/74, für welche sie die Priorität der Anmeldung in den Niederlanden vom 22. Juni 1973 in Anspruch nahm, unter Abweisung eines von Ing. L. H. wegen Vorbenützung der Erfindung und mangelnder Erfindungshöhe erhobenen Einspruchs ein Patent unter dem Titel "Elektrisches Bestrahlungsgerät" in vollem Umfang der ausgelegt gewesenen Unterlagen erteilt.

1.2. Die Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes wies die vom Einspruchswerber gegen diesen Beschluß ergriffene (Administrativ-)Beschwerde mit Entscheidung vom 9. Oktober 1980, Z B 6/79-10, 11, als unbegründet ab; zugleich wurde Ing. L. H. verpflichtet, der Anmelderin - außer den mit 10.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens und der Vertretung vor der ersten Instanz - die mit 14.000 S festgesetzten Kosten des Verfahrens und der Vertretung vor der zweiten Instanz zu bezahlen.

1.3.1. Gegen diese Beschwerdeentscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Ing. L. H. an den VfGH, in der die Verletzung des durch Art6 MRK gewährleisteten Rechtes sowie der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG), auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.3.2. Die Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Gegen die Entscheidung der Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes steht gemäß §70 Abs2 PatentG 1970 ein weiteres administratives Rechtsmittel nicht offen. Der Instanzenzug ist damit erschöpft (s. VfSlg. 6930/1972, 6965/1973, 7258/1974, 7740/1976, 8443/1978).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. In der Beschwerdeschrift werden zunächst der Anspruch des Patentwerbers auf Erteilung und der Anspruch des Einspruchswerbers auf Nichterteilung des Patentes als zivile Rechte angesehen. Unter Berufung auf Art6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958 und BGBl. 59/1964 (MRK), wird daher die Übertragung von Zuständigkeiten in Fragen des Patentrechtes an Verwaltungsbehörden, insbesondere zur Entscheidung von Patentstreitigkeiten als verfassungsgesetzlich unzulässig bezeichnet. Zur Stützung dieser Rechtsmeinung verweist der Beschwerdeführer auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im "Fall König" aus dem Jahr 1978, das die Erlaubnis zum Betreiben einer ärztlichen Klinik dem Bereich der "civil rights" zugeordnet habe. Vorliegend handle es sich um eine Patentstreitigkeit zwischen zwei Parteien, in der in Wahrheit über zukünftige Ansprüche nach den §§147, 150 PatentG entschieden werde. Der Patentanmelder besitze unter den im Patentgesetz normierten Bedingungen einen eindeutig umschriebenen Anspruch auf Patenterteilung und könne den Umfang des Patentrechtes durch persönliche Willenserklärung bestimmen. Dabei zeige insbesondere die gesetzliche Verpflichtung des Patentamtes, nach Maßgabe der Willenserklärung des Patentanmelders ein Patent zu erteilen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, daß das Patenterteilungsverfahren nichts anderes als die Entstehung eines zivilen Rechts zum Gegenstand habe, das dem Urheberrecht nahestehe.

2.2.2. Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß das Recht auf Erteilung eines Patentes kein im Zivilrecht begründeter Anspruch ist (s. VfSlg. 5684/1968, 6930/1972, 8564/1979). In der Beschwerdeschrift wird nichts vorgebracht, was den VfGH zu einer Revision seines Rechtsstandpunktes veranlassen könnte. Gegen die zitierte herrschende Rechtsmeinung läßt sich auch nicht das vom Beschwerdeführer bezogene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Juni 1978, Z C(78)31, im "Fall König" ins Treffen führen, weil es dort, anders als hier, um die Beseitigung der Rechtsgrundlagen einer bereits ausgeübten Tätigkeit geht, die vorliegend keinen Vergleichsmaßstab bilden kann. Auch die übrigen Argumente des Beschwerdeführers vermögen die im schon eingangs genannten Erk. VfSlg. 5684/1968 ausführlich dargelegten Erwägungen - auf die verwiesen werden kann - nicht zu entkräften: Diese Überlegungen lassen jedenfalls - wie zusammenfassend festgehalten sei - Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zuständigkeitsregelungen des Patentgesetzes unter dem Gesichtspunkt der MRK (Art6) auch in der vorliegenden Beschwerdesache nicht entstehen.

2.3.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht erachtet sich die beschwerdeführende Partei ersichtlich nur insoweit verletzt, als sie der angefochtene Bescheid zur Leistung von Verfahrenskosten verpflichtet.

2.3.2. Ein in das Eigentum eingreifender Bescheid verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7773/1976, 8010/1977) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums aber nur dann, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit anzusehen ist.

2.3.2.1. Abgesehen von einem - nach den Ausführungen zu 2.2.2. nicht gegebenen - Verstoß gegen Art6 MRK behauptet der Beschwerdeführer nicht, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls keine solchen Bedenken.

2.3.2.2. Der Beschwerdeführer könnte demnach im Eigentumsrecht nur verletzt worden sein, wenn ihm die belangte Behörde die Verfahrenskosten in denkunmöglicher Gesetzeshandhabung auferlegt hätte.

Derartiges wird aber gar nicht behauptet und ist auch nach der Aktenlage nicht der Fall.

2.4.1. Die vom Beschwerdeführer weiters geltend gemachte Gleichheitsverletzung läge angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. 2.3.2.1.) nur dann vor, wenn der belangten Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür zur Last fiele (vgl. VfSlg. 7619/1975, 8275/1978 ua.).

2.4.2. Auch in dieser Hinsicht stellt der Beschwerdeführer keine konkreten Behauptungen auf. Es finden sich auch keine wie immer gearteten Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Von willkürlicher Gesetzesanwendung kann demnach nicht die Rede sein.

2.5.1. Gemäß Art6 StGG darf jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH setzt eine Verletzung dieses Grundrechts voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, 1494/1932, 3404/1958, 4940/1965, 5305/1966).

2.5.2. Dies trifft hier nicht zu; denn der Beschwerdeführer wird durch den angefochtenen Bescheid - dessen Gegenstand eine Patenterteilung an die Firma N.V.Philips Gloeilampenfabrieken ist - in seiner Erwerbsbetätigung höchstens mittelbar behindert, und zwar insofern, als er die Patentrechte dieses Unternehmens zu beachten hat. Gegen Amtshandlungen, die aber - wie hier der Sache nach - nur die faktische Ausübung eines Erwerbszweiges betreffen, ohne das Recht der freien Erwerbsbetätigung als solches zu negieren, gewährt Art6 StGG keinen Schutz (vgl. VfSlg. 6186/1970).

2.6.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder ihre Zuständigkeit gesetzwidrigerweise ablehnt (zB VfSlg. 8509/1979).

2.6.2. Der Beschwerdeführer behauptete nicht, daß die in erster Instanz eingeschrittene Anmeldeabteilung oder die in zweiter Instanz eingeschrittene Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes zur Entscheidung nicht zuständig gewesen seien oder daß etwa in zweiter Instanz nicht der zuständige Senat entschieden habe: Die Zuständigkeit der Anmeldeabteilung und der Beschwerdeabteilung ergibt sich aus den §§60 und 70 PatentG 1970; beide Verwaltungsinstanzen fällten auch - zu Recht - eine Sachentscheidung (vgl. VfSlg. 6965/1973).

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

2.7. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

2.8. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalls bejahte verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.9. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Patentrecht, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B5.1981

Dokumentnummer

JFT_10188999_81B00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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