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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art144 Abs1 / InstanzenzugserschöpfungLeitsatz
AVG 1950; keine Bedenken gegen §34 Abs3; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung dieser Bestimmung; keine Verletzung des Rechtes der freien MeinungsäußerungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Agrarbezirksbehörde Graz verhängte mit Bescheid vom 1. August 1977, Z 3 G 39/647-1977, über J.B. gemäß §34 Abs3 AVG 1950 eine Ordnungsstrafe von 1.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Haftstrafe von drei Tagen, weil er sich in einem Schreiben an diese Behörde im Grundzusammenlegungsverfahren Gleinstätten einer grob beleidigenden Ausdrucksweise bedient habe, indem er äußerte: "Ich verbiete Ihnen auftragsgemäß ein für allemal, die Frau Z. damit einzuschüchtern", ferner "Ihr Sch. hätte der Frau Z. nicht ihre eigenen zwei Äcker zwangsentziehen und seinem seit über zwanzig Jahren gut bekannten (befreundeten) Sch. zuschieben sollen" und "Sie maßen sich das Recht an" und schließlich "wenn Sie sich einbilden, der Frau Z. etwas zu schreiben".
1.2. Der von J.B. gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Landesagrarsenat beim Amt der Stmk. Landesregierung mit Erk. vom 13. Dezember 1977, Z 8-LAS 263 B 23/5-1977, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 in Verbindung mit §1 AgrVG 1950 nur teilweise, und zwar dahin Folge, daß die in erster Instanz verhängte Ordnungsstrafe auf 500 S, im Fall der Uneinbringlichkeit auf 36 Stunden Haft herabgesetzt wurde.
1.3.1. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde des J.B. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) und auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art13 StGG) behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.3.2. Der Landesagrarsenat beim Amt der Stmk. Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Gegen den zitierten, eine Ordnungsstrafe verhängenden Bescheid der Agrarbezirksbehörde Graz vom 1. August 1977 war gemäß §36 Abs2 AVG 1950 in Verbindung mit §1 AgrVG 1950 Berufung ohne aufschiebende Wirkung an die vorgesetzte Behörde, nämlich an den Landesagrarsenat beim Amt der Stmk. Landesregierung (vgl. VwGH 31. 3. 1977, Z 1977/76), zulässig, der endgültig zu entscheiden hatte.
Der Instanzenzug ist daher erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.2.1. Der angefochtene Bescheid greift nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8198/1977, 8244/1978; s. auch VfSlg. 4772/1964) wegen des Ausspruchs einer Geldstrafe in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ein.
Angesichts der aus dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalles gegebenen - und vom Beschwerdeführer gar nicht bezweifelten verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des auf §34 Abs3 AVG 1950 gestützten und daher nicht gesetzlosen Berufungsbescheides käme eine Verletzung dieses Grundrechtes nur unter der Voraussetzung einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung in Betracht (s. zB VfSlg. 7863/1976, 8244/1978).
Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgedrückte Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß die dem Beschwerdeführer zur Last fallende Schreibweise als "beleidigend" in der Bedeutung des §34 Abs3 AVG 1950 zu beurteilen sei, leidet keinesfalls an einem derart zu qualifizierenden Fehler: Der Beschwerdeführer selbst wendet im gegebenen Zusammenhang lediglich ein, es komme ihm guter Glaube zu, der einer Bestrafung gemäß §34 Abs3 AVG 1950 entgegenstehe. Damit wird aber der Sache nach nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde behauptet, sondern bloß die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der VwGH zu befinden hat.
Der Beschwerdeführer wurde darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nicht verletzt.
2.2.2. Die vom Beschwerdeführer weiters behauptete Gleichheitsverletzung läge angesichts der festgestellten verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. 2.2.1.) nur dann vor, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. zB VfSlg. 8275/1978).
Daß das vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Vorgehen der belangten Behörde nicht denkunmöglich ist, wurde schon festgehalten (s. 2.2.1.). Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.).
Es finden sich aber auch sonst keine wie immer gearteten Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Vielmehr zeigt das gesamte Verwaltungsgeschehen, insbesondere jedoch die sorgfältige Begründung des angefochtenen Bescheides, daß der Landesagrarsenat bemüht war, dem Gesetz die von ihm als richtig erkannte Geltung zu verschaffen; ein solches Bemühen schließt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Willkür aus, und zwar auch dann, wenn es nicht von Erfolg begleitet gewesen sein sollte (vgl. VfSlg. 6471/1971, 7860/1976 ua.).
Demgemäß wurde der Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
2.2.3. Das Recht der freien Meinungsäußerung, in dem sich der Beschwerdeführer ebenfalls verletzt erachtet, ist nach Art13 StGG nur "innerhalb der gesetzlichen Schranken" gewährleistet. Eine solche Schranke bildet auch §34 Abs3 AVG 1950. Da die Anwendung dieses Gesetzes auf den konkreten Fall nicht denkunmöglich ist (s. 2.2.1.), schließt schon sein Bestand eine der belangten Behörde anzulastende Verletzung des Rechts der freien Meinungsäußerung aus (s. VfSlg. 2960/1956). Ob aber die belangte Behörde die Bestimmung des §34 Abs3 AVG 1950 richtig anwendete, liegt außerhalb des Rahmens verfassungsrechtlicher Erwägungen.
Demgemäß wurde der Beschwerdeführer letztlich auch im Recht der freien Meinungsäußerung nicht verletzt.
2.2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
Ebensowenig entstanden aus der Sicht dieses Beschwerdefalles verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (s. 2.2.1.). Der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.3. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Mutwillens- u Ordnungsstrafe, VfGH / InstanzenzugserschöpfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B164.1978Dokumentnummer
JFT_10188999_78B00164_00