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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Wr. Bauordnung; keine Bedenken gegen §71 idF LGBl. 18/1976; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige GesetzeshandhabungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die "Autohaus W-8" Autohandelsgesellschaft P. H. & Co. KG kam mit Schreiben vom 12. Jänner 1977 beim Magistrat der Stadt Wien als Baubehörde erster Instanz um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines hölzernen Verkaufs-Kioskes auf der Liegenschaft Wien 15., Sch-straße 6 ein.
Mit Zuschrift vom 7. Feber 1978 erklärte die Antragstellerin, daß sie sich in Abänderung ihres ursprünglichen Ansuchens mit einer Bewilligung des Baus auf fünf Jahre gemäß §71 der Bauordnung für Wien begnüge.
Am 4. April 1979 stellte die Antragstellerin ein schriftliches Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß §73 Abs2 AVG 1950.
1.2. In Inanspruchnahme dieser Zuständigkeit versagte die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 20. August 1979, Z MDR-B XV-8/79, die erbetene Bewilligung gemäß §71 der Bauordnung für Wien.
1.3.1. Gegen diesen Bescheid der Bauoberbehörde richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Bauwerberin an den VfGH, in welcher der Sache nach die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise - mit Beziehung auf Art144 Abs2 B-VG idF vor dem BVG BGBl. 350/1981 - die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
1.3.2. Die Bauoberbehörde für Wien als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Die beschwerdeführende Partei macht zunächst unter Berufung auf Art6 StGG - sinngemäß zusammengefaßt - geltend, daß sie ihr Handelsgewerbe mit dem Standort in 1150 Wien, Sch-straße 6, nicht ausüben könne, wenn ihr dort die Erbauung einer geeigneten Geschäftsräumlichkeit verwehrt werde.
2.1.2. Gemäß Art6 StGG darf jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH setzt eine Verletzung dieses Grundrechts voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, 1494/1932, 3404/1958, 4940/1965, 5305/1966, 9169/1981).
2.1.3. Dies ist hier nicht der Fall; denn die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen (eine Baubewilligung versagenden) Bescheid in ihrer Erwerbsbetätigung nur mittelbar, und zwar insofern behindert, als sie bei aufrechtem Bestand des Verwaltungsaktes an dem angegebenen Standort keinen Verkaufskiosk errichten darf. Gegen Amtshandlungen, die aber - wie vorliegend - nur die faktische Ausübung eines Erwerbszweiges betreffen, ohne das Recht der freien Erwerbsbetätigung als solches zu negieren, gewährt Art6 StGG keinen Schutz (vgl. ua. VfSlg. 6186/1970, 9169/1981).
2.2.1. Zur behaupteten Verletzung des Grundrechtes nach Art5 StGG kann es zunächst dahingestellt und unerörtert bleiben, ob der angefochtene Bescheid in vermögenswerte Privatrechte, so etwa in möglicherweise bestehende, den Schutz des Art5 StGG genießende (zB VfSlg. 6186/1970) Mietrechte der Beschwerdeführerin, die nach der Aktenlage offenbar nicht Grundeigentümerin des in Aussicht genommenen Bauplatzes ist, überhaupt eingreift (vgl. VfSlg. 5167/1965).
Denn eine Verletzung des verfassungsgesetzlich geschützten Eigentumsrechtes läge jedenfalls nur dann vor, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung verfassungsrechtlich unbedenkliche generelle Normen denkunmöglich angewendet hätte (vgl. zB VfSlg. 3080/1956, 4634/1964, 5515/1967, 6144/1970, 6186/1970). Dabei könnte iS der ständigen Judikatur des VfGH von Denkunmöglichkeit bloß dann gesprochen werden, wenn der Behörde ein so schwerer Fehler zur Last gefallen wäre, daß ihr Vorgehen einem gesetzlosen Handeln gleichkäme (vgl. VfSlg. 4228/1962, 6063/1969, 6186/1970).
Angesichts der aus dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls gegebenen - von der Beschwerdeführerin gar nicht bezweifelten - verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides, so insbesondere des §71 der Bauordnung für Wien, LGBl. 11/1930 in der Fassung der Nov. LGBl. 18/1976, bleibt daher nur zu untersuchen, ob hier eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung stattfand.
2.2.2. Die in diese Richtung zielenden Beschwerdeausführungen sind jedoch jedenfalls unberechtigt. Gemäß §71 der Bauordnung für Wien darf die Behörde solche Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zwecks der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Dazu führte der VwGH in seinem Erk. vom 27. Oktober 1975, Z 1243/75, unter Beziehung auf seine bisherige Judikatur (so VwSlg. 5881 A/1962) aus, daß die Behörde bei Beurteilung eines Ansuchens um Erteilung einer Baubewilligung gegen Widerruf zunächst klären müsse, ob vom Antragsteller für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung angeführte oder aus seinem Vorbringen im Zusammenhalt mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare besondere Gründe bestehen, weil andernfalls eine Abstandnahme von den Vorschriften der Bauordnung in keinem Fall als gerechtfertigt anzusehen sei. Seien solche Ausnahmegründe gegeben, dann habe die Behörde weiters zu prüfen, ob ungeachtet dieses Umstandes öffentliche, in der Bauordnung begründete Rücksichten einer Ausnahmegenehmigung entgegenstünden. Wenn nun die belangte Behörde auf dem Boden der Gegebenheiten des konkreten Falles zur Auffassung gelangte, es könne nicht bereits jeder aus einem bestimmten Unternehmensstandort erfließende wirtschaftliche Vorteil als Ausnahmegrund iS des Gesetzes gewertet werden, so handelte sie keineswegs schlechterdings denkunmöglich. In Wahrheit betreffen die dem hier behandelten Grundrecht des Art5 StGG zugeordneten Beschwerdepartien nach Inhalt und Zielsetzung lediglich Fragen der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides, über die nicht der VfGH in einem Verfahren nach Art144 Abs1 B-VG, sondern ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.
2.2.3. Aus all dem folgt, daß die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.
2.3.1. Da gegen die angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (s. 2.2.1.) und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8238/1978) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
2.3.2. Daß das von der beschwerdeführenden Partei unter dem Aspekt einer Verletzung des Gleichheitssatzes gerügte Vorgehen der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.2.2. dargelegt. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür heranzuziehende Wertung scheidet also bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.).
2.3.3. Doch auch sonst finden sich keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.
Auch aus der in diesem Zusammenhang vorgetragenen Beschwerdeeinrede, die Behörde habe in einer Reihe gleichartiger Fälle befristete Baubewilligungen erteilt, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin letztlich nichts zu gewinnen; denn selbst wenn in anderen Fällen gesetzwidrig verfahren worden sein sollte, könnte ein solches Vorgehen der Beschwerdeführerin kein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976).
2.3.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde.
2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.5. Im Hinblick auf die bereits zu 2.2.1. - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - bejahte verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde die Beschwerdeführerin aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
2.6. Die Beschwerde war daher bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht, BaubewilligungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B405.1979Dokumentnummer
JFT_10188999_79B00405_00