RS Vwgh 2005/6/2 2004/07/0174

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Veröffentlicht am 02.06.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht

Norm

AgrBehG 1950 §5 Abs2;
AgrBehG 1950 §6 Abs2;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7;
B-VG Art12 Abs2;
MRK Art6;

Hinweis auf Stammrechtssatz

GRS wie 2004/07/0075 E 23. September 2004 RS 4 (hier nur erster Satz)

Stammrechtssatz

Die Betrauung eines sachkundigen stimmführenden Mitgliedes des Agrarsenates mit der Aufgabe, im Verfahren ein Gutachten in seiner Eigenschaft als Sachverständiger (iSd AVG) zu erstatten, ist jedenfalls geeignet, einerseits an der Neutralität dieses Mitgliedes als Sachverständiger (Hinweis E VfGH 28.11.1985, G109/84, G153/85, G154/85, VfSlg 10701/1985; E VfGH 1.12.2000, G88/00, VfSlg 16029/2000), andererseits an seiner Unbefangenheit als Entscheidungsträger - zu dessen Aufgaben es unter anderem gehört, die Schlüssigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten zu beurteilen - Zweifel aufkommen zu lassen, aber auch an der Unbefangenheit der übrigen Mitglieder des Landesagrarsenates, die ihre Entscheidung auf Gutachten von Mitgliedern ihres Senates gestützt haben. Insbesondere auf Grund der Doppelfunktion von Mitgliedern des erkennenden Landesagrarsenats sowohl als Gutachter als auch als Entscheidungsträger in ein und demselben Verfahren können - zumindest nach dem äußeren Anschein Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Landesagrarsenats als Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK entstehen. Bereits der äußere Anschein reicht aus, um eine Verletzung des Art. 6 MRK zu bewirken (Hinweis E VfGH 12. März 2003, B 482/01; E VfGH 11. Oktober 2003, B 279/03; E 24. November 2003, B 756/01).Der in der Verbindung von Gutachtenserstellung und Mitwirkung an der Entscheidung liegende Verstoß gegen Art. 6 MRK stellt nicht ausschließlich eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte dar, die nur vor dem VfGH geltend gemacht werden könnte. Diese Vorgangsweise stellt auch eine Verletzung einfachgesetzlicher (Verfahrens-)Vorschriften dar. Die Verbindung von Gutachtenserstellung und Mitwirkung an der Entscheidung hat Auswirkungen in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist sie geeignet, Zweifel an der Unbefangenheit des Mitgliedes sowohl in seiner Eigenschaft als Gutachter als auch in seiner Funktion als Entscheidungsträger aufkommen zu lassen; zum anderen ist eine solche Vorgangsweise auch geeignet, Zweifel an der Unbefangenheit der übrigen Mitglieder des Landesagrarsenates, die ihre Entscheidung auf Gutachten von Mitgliedern ihres Senates gestützt haben, aufkommen zu lassen. Die Verbindung von Gutachtenserstellung und Mitwirkung an der Entscheidung stellt daher einen Verstoß gegen § 7 AVG dar.

Schlagworte

Sachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004070174.X01

Im RIS seit

30.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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