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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Abzeichengesetz 1960; keine Bedenken gegen §§1 und 3; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung; kein Eingriff in das Recht der Versammlungsfreiheit und auf freie VereinsbildungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 17. Jänner 1977, Z III-Ka-178-1976, wurde über Ing. F. K. wegen der Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1 Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, gemäß §3 Abs1 dieses Gesetzes eine Geldstrafe von 500 S, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von drei Tagen verhängt. Dem Beschuldigten fiel zur Last, am 19. Oktober 1976 in einer von ihm unterfertigten Versammlungsanzeige eine Lebensrune (Gabelkreuz) und damit ein Symbol einer in Österreich verbotenen nationalsozialistischen Organisation - im Schriftkreis einer Stampiglie (der Nationaldemokratischen Partei) dargestellt zu haben.
1.2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ gab der von Ing. F. K. gegen diesen Bescheid ergriffenen Berufung mit Bescheid vom 9. November 1977, Z St 14/1977, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.
1.3.1. Gegen den Bescheid der Berufungsbehörde richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Ing. F. K. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) sowie auf Versammlungsfreiheit und auf freie Vereinsbildung (Art12 StGG, Art11 MRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise, und zwar mit Berufung auf Art144 Abs2 B-VG idF vor dem BVG BGBl. 350/1981, die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
1.3.2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Das Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, bestimmt im §1 Abs1, daß Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation öffentlich weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden dürfen, wobei als Abzeichen auch Embleme, Symbole und Kennzeichen anzusehen sind. Es bestimmt ferner in seinem §1 Abs2, daß sich dieses Verbot auch auf Abzeichen erstreckt, die auf Grund ihrer Ähnlichkeit oder ihrer offenkundigen Zweckbestimmung als Ersatz eines der im Abs1 erwähnten Abzeichen gebraucht werden. Das Gesetz ordnet im §3 ua. an, daß mit Geldstrafe bis zu 10.000 S oder mit Arrest bis zu einem Monat zu bestrafen ist, wer einem Verbot des §1 zuwiderhandelt.
Das als Verfassungsgesetz erlassene Verbotsgesetz, StGBl. 13/1945, bestimmt in seinem §1, daß die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen überhaupt aufgelöst sind und daß ihre Neubildung verboten ist.
§1 Abzeichengesetz 1960 findet somit auf die nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen Anwendung.
Die Lebensrune (das Gabelkreuz), deren Gebrauch dem Beschwerdeführer zur Last liegt, wurde innerhalb der nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen in verschiedener Weise als Emblem, Symbol oder Kennzeichen verwendet, wie dem Organisationsbuch der NSDAP,
7. Auflage, 1943, herausgegeben vom Reichsorganisationsleiter, zu entnehmen ist: So als beherrschendes Symbol im Abzeichen der NS-Frauenschaft, die gemäß der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 29. März 1935, DRGBl. I, S 502, §2, eine Gliederung der NSDAP bildete, und in gleicher Weise auch im Abzeichen des Deutschen Frauenwerks (s. aaO, Tafel 5) sowie im Abzeichen der Frauenschaftsleiterinnen (aaO, Tafel 18). Ferner wurde die Lebensrune als Abzeichen für die im Sanitäts- und Veterinärdienst der SA tätigen Personen (aaO, Tafel 39) und in gleicher Bedeutung auch in anderen nationalsozialistischen Organisationen verwendet.
2.2. Der angefochtene Bescheid greift im Hinblick auf die Verhängung einer Geldstrafe in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) ein (vgl. VfSlg. 7814/1976).
Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in diesem Grundrecht verletzt wurde.
Eine solche Verletzung wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH dann zu bejahen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn er sich als gesetzlos erwiese, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes einer Gesetzlosigkeit gleichkäme (zB VfSlg. 7811/1976, 8293/1978).
2.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften, so insbesondere die §§1 und 3 Abzeichengesetz 1960, verfassungswidrig seien, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken (vgl. auch VfSlg. 9107/1981).
2.2.2. Mit Rücksicht auf die Darlegungen zu 2.1. kann in der Beurteilung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens als Verwaltungsübertretung nach dem §1 Abzeichengesetz 1960 aber auch keine der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltende Denkunmöglichkeit erblickt werden (s. dazu auch: VfSlg. 7962/1976, 7963/1976, 8242/1978). Daran vermögen auch jene der Frage denkunmöglicher Gesetzeshandhabung zuzuordnenden Beschwerdeausführungen nichts zu ändern, die sinngemäß zusammengefaßt zum Ausdruck bringen, die Nationaldemokratische Partei habe am 1. August 1975 ihre Satzung beim Bundesministerium für Inneres nach den Vorschriften des Parteiengesetzes, BGBl. 404/1975, hinterlegt und dabei im Briefkopf und in einem Stampiglienaufdruck das Gabelkreuz verwendet, wodurch in Hinkunft eine Bestrafung wegen des Gebrauchs dieses Zeichens nach §1 Abzeichengesetz 1960 ausgeschlossen werde: Denn die vom Beschwerdeführer ersichtlich bezogene Verfassungsbestimmung des ArtI, §1 Abs4 (letzter Satz) des Parteiengesetzes, BGBl. 404/1975, ordnet nur an, daß eine politische Partei mit der Hinterlegung ihrer Satzung Rechtspersönlichkeit erlangt. Daß eine solche Partei durch die Satzungshinterlegung mit Symbolen, die im Briefkopf oder in einem Stampiglienaufdruck der Anmeldepapiere aufscheinen, "registriert" sei und demgemäß der künftige Gebrauch der benützten Zeichen gleichsam gesetzlichen Schutz genieße, wie der Beschwerdeführer ohne nähere Begründung der Sache nach darzutun sucht, findet im Wortlaut des Parteiengesetzes keine Stütze, und zwar insbesondere auch nicht im bezogenen §1 Abs4. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Rechtsmeinung der belangten Behörde ist deshalb - wie bereits einleitend festgehalten - auch unter diesem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gesichtspunkt nicht als denkunmöglich zu qualifizieren.
2.2.3. Aus all dem folgt, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.
2.3. Die vom Beschwerdeführer ebenfalls behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7974/1977, 8360/1978) nur gegeben sein, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.
2.3.1. Da die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungsrechtlich unbedenklich sind (s. 2.2.1.) und es auch an jeglichen Hinweisen dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt beimaß, könnte das Gleichheitsrecht also nur durch eine willkürliche Gesetzesvollziehung verletzt worden sein. Dabei läßt sich die Frage, ob Willkür vorliegt, bloß auf Grund des Gesamtbildes des behördlichen Vorgehens im einzelnen Fall beantworten (vgl. VfSlg. 5491/1967, 6128/1970, 6471/1971).
2.3.1.1. Das Verfahren ergab keine wie immer gearteten Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre; sie war vielmehr offensichtlich um eine gesetzmäßige Entscheidung bemüht, wie vor allem daraus erhellt, daß sie sich in - keineswegs schlechterdings denkunmöglicher, dh. unter Umständen Willkür indizierender (s. bereits 2.2.2.) - Auslegung des §1 Abzeichengesetz 1960 an der Judikatur des VwGH orientierte (VwGH 13. 9. 1977, Z 777/1977). Ein solches Bemühen schließt Willkür aus, selbst wenn die Behörde in dieser Verwaltungsstrafsache fehlerhaft verfahren sein sollte (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976, 9107/1981).
2.3.1.2. Auch mit dem unter dem Aspekt willkürlicher Gesetzesanwendung sinngemäß vorgetragenen Beschwerdeeinwand, das Bundesministerium für Inneres habe die Verwendung der sogenannten Lebensrune in anderen Fällen unbeanstandet gelassen, ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Selbst wenn in anderen Verfahren gesetzwidrig vorgegangen worden sein sollte: Ein solches Fehlverhalten könnte dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH keineswegs ein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (vgl. ebenfalls VfSlg. 6992/1973, 7962/1976).
In Wahrheit laufen die Einreden des Beschwerdeführers letztlich darauf hinaus, die belangte Behörde habe aus verschiedenen - hier nicht zu erörternden - Gründen in verfehlter Anwendung des Abzeichengesetzes 1960, so etwa in unrichtiger Bejahung des im §1 enthaltenen Tatbestandsmerkmals der "Öffentlichkeit", gesetzwidrig entschieden. Damit wird aber einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber nicht der VfGH in einem Verfahren nach Art144 Abs1 B-VG, sondern ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.
2.3.2. Der Beschwerdeführer wurde darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt.
2.4. Nach Art12 des StGG, das gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, haben österreichische Staatsbürger das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt. Als ein solches besonderes Gesetz besteht in bezug auf die Versammlungsfreiheit das Versammlungsgesetz 1953, in bezug auf die Vereinsbildung das Vereinsgesetz 1951.
Im gegenständlichen Fall kann die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Verwendung der sogenannten Lebensrune - wenngleich in einer Versammlungsanzeige - den Beschwerdebehauptungen zuwider allein deshalb weder in das Versammlungs- noch in das Vereinsrecht eingreifen, weil die freie Ausübung dieser beiden Rechte vom Gebrauch des Symbols der Lebensrune in Schriftstücken in keiner wie immer gearteten Weise abhängt. Ein Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Versammlungsfreiheit und auf freie Vereinsbildung fand darum keinesfalls statt.
2.5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.6. Im Hinblick auf die aus dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (s. auch 2.3.1.) wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.7. Die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Abzeichen, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B12.1978Dokumentnummer
JFT_10188999_78B00012_00