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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Nö. Bauordnung; keine Bedenken gegen §§14 und 15; keine denkunmögliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin des an eine öffentliche Gemeindestraße angrenzenden Grundstückes 105/1 KG H. und der von diesem Grundstück eingeschlossenen Bauflächen 168 und 169 KG H., auf denen zwei - an einer Seite zusammengebaute - Häuser stehen.
Die Beschwerdeführerin hat das Grundstück 105/1 in die Grundstücke 105/1 (neu) und 105/3 dergestalt geteilt, daß die Grenze der Verlängerung der Trennungslinie zwischen den beiden Bauparzellen entspricht, um baubehördliche Genehmigung dieser Teilung angesucht und das Grundstück 105/1 (neu) sowie die Baufläche 169 verkauft.
Auf Grund dieses Ansuchens wurde mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde H. vom 14. Mai 1974 die Teilung des Grundstückes 105/1 in die Grundstücke 105/1 (neu) und 105/3 gemäß den §§10 und 11 der Nö. Bauordnung, LGBl. 166/1969, wiederverlautbart mit LGBl. 8200-1 (im folgenden Nö. BauO) bewilligt.
Da nach Ansicht der Gemeinde durch diese Teilung neue Bauplätze geschaffen worden seien, wurde der Beschwerdeführerin gleichzeitig mit der Bewilligung der Teilung der Grundstücke gemäß §14 Abs1 Nö. BauO für die Parzelle 169 ein Aufschließungsbeitrag von S 27.166,20 und für die Parzelle 168 ein Aufschließungsbeitrag von S 24.960,-
vorgeschrieben.
b) Gegen die Vorschreibung der Aufschließungsbeiträge hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben. Nachdem der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde H., mit dem dieser über die Berufung der Beschwerdeführerin entschieden hatte, von der Nö. Landesregierung auf Grund einer dagegen erhobenen Vorstellung behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen worden war, erging der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde H. vom 30. Juli 1976, mit dem die Aufschließungsbeiträge für die Parzellen 105/1 und 169 mit S 25.258,-
und für die Parzellen 105/3 und 168 mit S 21.330,- festgesetzt wurden.
c) Die gegen den Bescheid des Gemeinderates von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung wurde von der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 31. März 1978 gemäß §61 Abs3 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen den Vorstellungsbescheid der Nö. Landesregierung richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Es wird der Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH gestellt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird von der Gemeindeaufsichtsbehörde die Rechtmäßigkeit eines im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ergangenen Bescheides festgestellt, mit dem der Beschwerdeführerin eine Abgabe vorgeschrieben wird. Der bekämpfte Bescheid berührt somit private Vermögensrechte der Beschwerdeführerin; er greift also in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin ein.
Dieser Eingriff würde nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8566/1979) nur dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht verletzen, wenn er auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhen würde oder wenn er gesetzlos ergangen wäre, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten ist. Ein solcher Fall wäre nur dann gegeben, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
a) Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf die §§14 und 15 der Nö. BauO.
Nach §14 Abs1 Nö. BauO hat die Gemeinde aus Anlaß einer Grundabteilung, die nach Maßgabe des §10 Abs1 Nö. BauO einer Bewilligung der Baubehörde bedarf, einen Beitrag zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung (Aufschließungsbeitrag) einzuheben. Der Beitrag ist gleichzeitig mit der Bewilligung der Grundabteilung vorzuschreiben und wird drei Monate nach Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses fällig.
Aus den in §14 Abs3 Nö. BauO enthaltenen Bestimmungen über die Berechnung des Beitrages geht hervor, daß ein Aufschließungsbeitrag nur bei der Schaffung eines Bauplatzes vorgeschrieben werden kann. In Abs5 ist bestimmt, daß mit Zustimmung der Gemeinde erbrachte Eigenleistungen zur Herstellung von Fahrbahn, Gehsteig, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung auf den Beitrag anzurechnen sind. Dieser Beitrag ist nach Abs7 eine ausschließliche Gemeindeabgabe iS des §6 Z5 F-VG 1948.
Als Bauplatz nach der angeführten Bestimmung des §14 Abs2 gilt gemäß §2 Z7 Nö. BauO ein an eine bestehende oder vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzendes Grundstück, welches eine solche Gestalt, Beschaffenheit und Größe hat, daß darauf Gebäude nach den Bestimmungen der Nö. BauO errichtet werden können.
Nach §15 Nö. BauO ist die in §14 vorgesehene Anliegerleistung jedenfalls nur einmal zu erbringen, und zwar anläßlich der Grundabteilung. Die weitere Regelung des §15 Nö. BauO ist für das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht maßgebend.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten und der sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Vorschriften sind in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Beim VfGH sind solche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden (vgl. VfSlg. 8490/1979, 8566/1979).
b) Im Eigentumsrecht könnte die Beschwerdeführerin sohin nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein.
Die Beschwerdeführerin behauptet, daß die Vorschreibung der Aufschließungsbeiträge auf einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes beruhe.
Bei der Prüfung der Frage, ob durch die nach §10 Nö. BauO bewilligte Teilung des als Bauland ausgewiesenen Grundstückes 105/1 in die Grundstücke 105/1 (neu) und 105/3 Bauplätze geschaffen wurden, ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß nicht nur die Teilstücke 105/1 (neu) und 105/3 für sich zu beurteilen sind, sondern daß sich die Bauplatzeigenschaft aus der Verbindung der Teilflächen mit den bestehenden (von der Teilung daher nicht unmittelbar berührten), bereits bebauten Bauflächen 168 und 169 ergebe.
Der VfGH kann im Hinblick darauf, daß die Bauflächen 168 und 169 von den durch die Teilung geschaffenen Teilflächen 105/1 (neu) und 105/3 umschlossen sind und daß der Zugang zu den auf den Bauflächen errichteten Gebäuden von der öffentlichen Verkehrsfläche nur über die angeführten Teilflächen möglich ist, nicht finden, daß es ausgeschlossen wäre, die aus der Teilfläche 105/1 (neu) und der Baufläche 169 einerseits und die aus der Teilfläche 105/3 und der Baufläche 168 andererseits bestehenden Grundflächen als zwei Grundstücke zu qualifizieren, denen die Eigenschaft eines Bauplatzes nach §2 Z7 Nö. BauO zukommt. Es ist jedenfalls die Annahme nicht geradezu denkunmöglich, daß durch die Teilung des Altgrundstückes 105/1 Bauplätze entstanden sind, und daß daher an diese Teilung das Entstehen der Verpflichtung zur Entrichtung der Aufschließungsbeiträge nach §14 Abs1 Nö. BauO zu knüpfen ist.
Der Annahme des Bestandes der Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Entrichtung der Aufschließungsbeiträge nach §14 Abs1 Nö. BauO liegt daher jedenfalls eine denkunmögliche Gesetzesanwendung nicht zugrunde.
c) Die Beschwerdeführerin behauptet, daß von ihr anläßlich der Errichtung der Gebäude auf den Bauflächen 168 und 169 freiwillig Anliegerleistungen erbracht worden seien, sodaß deren Anrechnung nach §14 Abs5 geboten und die im angefochtenen Bescheid erfolgte Vorschreibung ausgeschlossen gewesen wäre.
Hiezu führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, daß die Bestimmung des §14 Abs5 der Nö. BauO ex 1883 erst mit einer Nov. im Jahre 1934, und zwar dem LGBl. 70/1934, in die Nö. BauO eingeführt worden sei. Daraus ergebe sich, daß zu dem durch die Beschwerdeführerin angegebenen, über 47 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt - ca. im Jahre 1927 - für die Baubehörde die Möglichkeit der bescheidmäßigen Vorschreibung von Anliegerleistungen überhaupt nicht bestanden habe; allfällig erbrachte Aufschließungsarbeiten hätte nur auf freiwilliger Basis erfolgen können. Da jedoch nach der Systematik der Nö. BauO nur auf Grund der baurechtlichen Bestimmungen erbrachte Anliegerleistungen eine Befreiung von der Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages zur Folge haben könnten, könne somit diese Behauptung eine Befreiung von einer solchen Verpflichtung nicht zur Folge haben.
Wie sich aus §14 Abs5 Nö. BauO ergibt, wäre der Umstand, daß von der Beschwerdeführerin anläßlich der Errichtung der Gebäude auf den Bauflächen 168 und 169 freiwillig mit Zustimmung der Gemeinde Anliegerleistungen erbracht worden sind, für die Frage, ob anläßlich der Bewilligung der Teilung des Grundstückes 105/1 in die Teilflächen 105/1 (neu) und 105/3 dem Grunde nach die Verpflichtung zur Entrichtung von Aufschließungsbeiträgen entstanden ist, unmaßgeblich. Es könnte jedenfalls nur eine Anrechnung der bereits früher erbrachten Leistungen auf die Höhe der zu entrichtenden Aufschließungsbeiträge in Betracht kommen.
Mit dem Vorbringen über die von der Beschwerdeführerin anläßlich der Errichtung der Häuser auf den Bauflächen erbrachten Leistungen kann nicht dargetan werden, daß die Annahme, daß für die Beschwerdeführerin mit der Bewilligung der Teilung des Grundstückes 105/1 die Verpflichtung zur Entrichtung von Aufschließungsbeiträgen dem Grunde nach entstanden ist, denkunmöglich ist.
Ob dieser Annahme eine richtige Anwendung des Gesetzes zugrunde liegt und ob bei richtiger Anwendung des Gesetzes von der Beschwerdeführerin bereits früher erbrachte Leistungen auf die Höhe des zu entrichtenden Anliegerbeitrages anzurechnen gewesen wären, hat der VfGH nicht zu prüfen.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden ist.
2. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH hat sich eine solche Verletzung nicht ergeben. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht, Anliegerrechte u -pflichtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B361.1978Dokumentnummer
JFT_10188998_78B00361_00