TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/2 B524/80

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Veröffentlicht am 02.10.1981
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9
HausRSchG §1
HausRSchG §2
StPO §141

Leitsatz

Gesetz zum Schutze des Hausrechtes; Verletzung des Hausrechtes

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch die am 21. September 1980 um 15 Uhr in ihrer Wohnung durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Hausdurchsuchung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. In der Beschwerde wird vorgebracht, daß am 21. September 1980 um 15 Uhr zwei Kriminalbeamte der belangten Behörde in der Wohnung der Beschwerdeführerin erschienen seien und mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei des Suchtgifthandels verdächtig, eine Hausdurchsuchung vorgenommen hätten.

Da diese Hausdurchsuchung auf Grund einer Ermächtigung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Ottakring vom 19. Juli 1980 (also über 2 Monate vor der tatsächlichen Vornahme der Hausdurchsuchung) erfolgt sei, könne von Gefahr im Verzug nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführerin beantragt daher, der VfGH möge feststellen, daß sie durch die bekämpfte Hausdurchsuchung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden sei und der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegen, in eventu die Beschwerde an den VwGH abtreten.

2. Die Bundespolizeidirektion Wien hat eine Gegenschrift erstattet, in der der Sachverhalt in gleicher Weise wie von der Beschwerdeführerin geschildert und die Auffassung vertreten wird, daß die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden ist. Die Hausdurchsuchung bei der Beschwerdeführerin habe auch keinerlei Hinweis auf Suchtgiftmißbrauch oder Suchtgifthandel erbracht. Das Vorgehen der Sicherheitsbehörde gegen die Beschwerdeführerin sei auf eine - offensichtlich in verleumderischer Absicht erstattete - Anzeige des Ehegatten der Beschwerdeführerin zurückzuführen gewesen. Es treffe zu, daß die Ermächtigung gemäß §141 Abs1, zweiter Satz StPO bereits am 23. Juli 1980 ausgestellt worden sei; Gefahr im Verzug sei nicht vorgelegen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der VfGH nimmt auf Grund des übereinstimmenden Parteienvorbringens sowie der vorgelegten Verwaltungsakten als erwiesen an, daß zwei Beamte der belangten Behörde am 21. September 1980 um 15 Uhr auf Grund einer bereits am 23. Juli 1980 gemäß §141 Abs1, 2. Satz StPO ausgestellten Ermächtigung wegen Verdachtes des Suchtgiftmißbrauchs bzw. des Suchtgifthandels eine Hausdurchsuchung in der Wohnung der Beschwerdeführerin vorgenommen haben. Ein richterlicher Befehl lag nicht vor.

Derartige Maßnahmen sind als in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte zu qualifizieren, die nach Art144 Abs1 B-VG beim VfGH bekämpft werden können. Die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Nach §1 des gemäß Art149 Abs2 B-VG im Verfassungsrang stehenden Gesetzes zum Schutze des Hausrechts, RGBl. 88/1862, darf eine Hausdurchsuchung in der Regel nur kraft eines richterlichen Befehles vorgenommen werden. Nach §2 dieses Gesetzes und nach §141 StPO kann zum Zwecke der Strafgerichtspflege auch ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung unter anderem von Beamten der Sicherheitsbehörden angeordnet werden, dies jedoch nur bei Gefahr im Verzuge.

Bei Prüfung der Frage, ob Gefahr im Verzuge vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen; von der Regel, daß ein richterlicher Befehl einzuholen ist, darf nur in besonderen Fällen abgegangen werden (vgl. VfSlg. 8298/1978 und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Verwaltungsorgane müssen in vertretbarer Weise annehmen können, daß Gefahr im Verzug gegeben ist.

Diese Voraussetzung lag aber hier nicht vor. Es wäre unter den gegebenen Umständen ohneweiters möglich gewesen, einen richterlichen Befehl zur Vornahme der Hausdurchsuchung einzuholen, ohne den Erfolg der Amtshandlung zu gefährden.

Daraus folgt, daß die Sicherheitsorgane nicht ermächtigt waren, eine Hausdurchsuchung aus eigener Macht vorzunehmen.

3. Die Beschwerdeführerin ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Hausrecht, Hausdurchsuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B524.1980

Dokumentnummer

JFT_10188998_80B00524_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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