TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/2 B480/78

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Veröffentlicht am 02.10.1981
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

MRK Art6 Abs1
StGG Art5
Vlbg BauG 1972 §30 Abs1

Leitsatz

Vbg. Baugesetz; Abweisung von Anrainereinwendungen gemäß §30; kein Eingriff in das Eigentumsrecht; keine Verletzung des Art6 Abs1 MRK

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lustenau vom 18. November 1976 wurde der Firma T., der beteiligten Partei des Beschwerdeverfahrens, gemäß den §§31 und 32 des Baugesetzes, LGBl. 39/1972, die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Lagerhalle auf dem Grundstück 248 KG L., das unmittelbar an das im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundstück 226/3 angrenzt, unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt.

Die Einwendung der Beschwerdeführerin als Anrainerin wegen der Lärmstörung wurde gemäß §30 des Baugesetzes als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß sich diese Einwendung fast ausschließlich auf den schon seit Jahren auf der Grundparzelle 248 stehenden und der Bauwerberin gehörigen Stickereibetrieb und somit nicht auf das gegenständliche Bauvorhaben beziehe. Eine allenfalls geplante auffällige Änderung der Verwendung der Lagerhalle zur Aufstellung von Stickereimaschinen eines Stickereibetriebes bedürfte sowohl einer baubehördlichen als auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung.

b) Der gegen den Bescheid des Bürgermeisters von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung hat die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Lustenau - nachdem ein Bescheid der Gemeindevertretung vom 3. März 1977 auf Grund einer erhobenen Vorstellung behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen worden war - mit dem Bescheid vom 13. Mai 1977 keine Folge gegeben.

c) Die gegen diesen Bescheid der Gemeindevertretung erhobene Vorstellung hat die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit dem Bescheid vom 21. Juli 1977 gemäß §79 des Gemeindegesetzes, LGBl. 45/1965, als unbegründet abgewiesen. Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid der Vbg. Landesregierung vom 10. Mai 1978 keine Folge gegeben.

2. Gegen den Vorstellungsbescheid der Vbg. Landesregierung richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und "auf den due process nach Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention" verletzt worden zu sein. Es wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Zu der in der Beschwerde (wie bereits vom Beschwerdevertreter mehrfach in anderen Beschwerden) gegebenen Anregung, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Frage einzuleiten, "ob die durch das Vbg. Gemeindegesetz eingeführte Einrichtung von IV Instanzen dem Bundesverfassungsrecht entspricht oder nicht", wird auf das Erk. VfSlg. 6921/1972 verwiesen, aus dem sich ergibt, daß gegen die in Rede stehende Regelung verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

Bedenken gegen die übrigen Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden; auch im Verfahren vor dem VfGH sind derartige Bedenken nicht entstanden.

2. Auf die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes braucht der VfGH nicht weiter einzugehen, weil durch den angefochtenen Bescheid in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin nicht eingegriffen wird; es werden durch ihn lediglich die sich aus der Bauordnung ergebenden subjektiven Anrainerrechte gestaltet; diese sind jedoch nicht verfassungsgesetzlich gewährleistet und gehören überdies der Sphäre des öffentlichen Rechtes an. Die Beschwerdeführerin ist somit im Eigentumsrecht nicht verletzt worden (vgl. VfSlg. 7591/1975).

3. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird damit begründet, daß bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Änderung der Widmung des Grundstückes 226/3 der Beschwerdeführerin von "Mischgebiet" in "Bauwohngebiet" nicht beachtet worden sei. Die belangte Behörde habe "daher über etwas entschieden, wozu sie nach dem Stand des Verfahrens nicht zuständig" gewesen sei.

Hiezu ist darauf hinzuweisen, daß die Frage der Widmung der Grundstücke der Beschwerdeführerin mit der Frage der Zuständigkeit zur Erteilung einer das Nachbargrundstück betreffenden baubehördlichen Bewilligung in keinem Zusammenhang steht. Die belangte Behörde war jedenfalls zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig.

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

4. Die Verletzung des durch Art6 Abs1 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes begründet die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, daß die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht berücksichtigt und dementsprechend die Angelegenheit nicht "in billiger Weise" behandelt worden sei.

Auch mit diesem Vorbringen braucht sich der VfGH nicht weiter auseinanderzusetzen, weil Anrainerrechte im baupolizeilichen Verfahren nicht zu den zivilrechtlichen Ansprüchen iS des Art6 Abs1 MRK gehören. Die Handhabung baupolizeilicher Vorschriften fällt in das Gebiet des öffentlichen Rechtes (vgl. VfSlg. 7591/1975 und die dort angeführte Vorjudikatur).

In dem durch Art6 Abs1 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht ist die Beschwerdeführerin nicht verletzt worden.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat nicht stattgefunden. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B480.1978

Dokumentnummer

JFT_10188998_78B00480_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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